"You don't need a weatherman to know which way the wind blows"

Fehlerhafte Bewertungen, Unterlassungen, Verdrehungen – wie der Bezirk trotz des eindeutigen Windgutachtens zum Bebauungsplan “Urbane Mitte Süd” eine entspannte Windsituation im Westpark konstruiert

Einführung von Patrick Vater,  Analyse des Windkomfortgutachtens von Kerstin Pohle

Die Entwicklung des Parks am Gleisdreieck und der ‚Urbanen Mitte‘ stünden in keinem Widerspruch, da sie einem gemeinsamen Konzept, dem städtebaulichen Vertrag von 2005, entstammen. Ebenso habe der Bau der sieben Hochhäuser keine erheblichen negativen ökologischen Folgen – so die seit Jahren wiederholte Argumentation der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und des Bezirksamtes. Insbesondere aus Umweltschutzperspektive ist dieser Standpunkt nicht haltbar. Die im Baugesetzbuch vorgeschriebene und vom Bezirk selbst in Auftrag gegebene Umweltprüfung des Projekts kommt klar zu einem anderen Ergebnis und konstatiert, dass der Bebauungsplan VI-140cab ‚Urbane Mitte Süd‘ „erhebliche Beeinträchtigungen auf den Naturhaushalt und das Landschaftsbild“ mit sich bringt. Wie kommt es zu diesem eklatanten Widerspruch?

Am Beispiel des Fachgutachtens „Windkomfortanalyse“ hat Kerstin Pohle herausgearbeitet, wie mit Tricks und Unterlassungen ein Bild gezeichnet wird, das nicht der Realität entspricht. Bereits im Jahr 2021 hatte die Initiative Gleisdreieck nachgewiesen, dass die Perspektive des Bezirks auf Klima und Umwelt an vielen Stellen schlicht falsch ist und hier zumindest geschlampt wurde. So wurde beispielsweise in der ersten Version des Windgutachtens auf Bezirksebene nicht bemerkt, dass die Randbebauung nicht berücksichtigt wurde – die Datenerhebung bezog sich auf den Stand vor Mauerfall. Und was der Bezirk seitdem vorgelegt hat, ist nach wie vor oftmals mangelhaft.

Laut Gutachten wird die ‚Urbane Mitte‘  insbesondere in und um den Westpark zu signifikanten, unzulässigen Einschränkungen des Windkomforts führen. In a nutshell: Es wird so ungemütlich, dass ein entspannter Aufenthalt  kaum noch möglich sein wird. Selbst das problemlose Laufen im Park wird durch starke Windböen nicht mehr gewährleistet sein. Natürlich werden auch die Anwohner davon betroffen sein, gemütliches Sitzen auf den Balkonen in der Flottwell- und Dennewitzstraße sowie im ehemaligen Debis-Parkhaus dürfte nach dem Bau der ‚Urbanen Mitte‘ der Vergangenheit angehören.

In der Begründung und Abwägung zum Bauvorhaben sucht man allerdings vergeblich nach dem so eindeutigen Ergebnis des Gutachtens; stattdessen verdreht der Bezirk klar und nachweisbar Tatsachen, bzw. stellt bestimmte Aspekte schlicht fehlerhaft dar. Die Abwägung besagt, dass die Aufenthaltsqualität überwiegend gegeben sei – während das Gutachten genau das Gegenteil aufzeigt. Falsch ist auch die Aussage, die Ergebnisse von 2021 hätten sich im Vergleich zum Gutachten von 2018 nur unwesentlich geändert. In der Abwägung des Bezirks wird zudem – unzulässigerweise – nur das Baufeld Süd herangezogen, der Einfluss eines zukünftig fertiggestellten Baufeldes Nord wird ausgeklammert. Diese bewusste Nichtbeachtung sorgt ebenfalls – Ãœberraschung – für eine deutlich entspanntere Windsituation im Park.

Man fragt sich daher, ob auf Bezirksebene überhaupt jemand eine qualifizierte, unabhängige Prüfung durchgeführt hat, oder ob hier absichtlich das Ergebnis des Gutachtens verdreht und falsch dargestellt wird. Die offensichtlich sehr vertrauensvolle Beziehung zwischen Investor und Bezirksamt hinterläßt jedenfalls ein „Geschmäckle“. Der größte Skandal an der mangelhaften Arbeit des Bezirks ist jedoch, dass erneut die Zivilgesellschaft, die Aktionsgemeinschaft, diese massiven Fehler und Unterlassungen nachweisen musste und den Job macht, der eigentlich Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ist.

Die fachliche Analyse des Windgutachtens von Kerstin Pohle ist hier als pdf verlinkt:

Erhalt des Parks am Gleisdreieck – oder Bau der Urbanen Mitte

2 Kommentare zu “Fehlerhafte Bewertungen, Unterlassungen, Verdrehungen – wie der Bezirk trotz des eindeutigen Windgutachtens zum Bebauungsplan “Urbane Mitte Süd” eine entspannte Windsituation im Westpark konstruiert

  1. Es sollten 19 geförderte Wohnungen mit 1200+ Quadratmetern an der Dennewitzstraße werden, nur wo sind die Wohnungen, Mietverträge und Mieter? Das war doch damals auch so eine “Zusicherung” gegenüber den Bezirksverordneten, um ihnen die Zustimmung zu einem faktisch idiotischen Bebauungsplan schmackhaft zu machen. Das große Theater wartet dann schon bei der geplanten Brückenerneuerung durch die BVG… Wer sich wirklich noch von diesem ahnungslosen Geklampfe aus der Yorckstraße beeindrucken lässt, gehört abgewählt.

  2. Dazu fällt einem auch sofort wieder der pauschale Ausschluss von Wohnbebauung auf den verbliebenen Baufeldern ein. Gibt es zu dieser Entscheidungs”findung” des Bauamts eigentlich auch “Abwägungen”, welche Sie zu Tage fördern konnten? Ich meine, nun steht ja das neue Vienna House Hotel direkt vor der U-Bahn-Brücke, die Neubauten Dennewitzstraße direkt hinter der Brücke- genau genommen fährt die U-Bahn den Leuten durch die Bude-, der Wohnriegel ex-Debis-Parkhaus direkt vor den Gleisen gegenüber, aber nie hatte das Lärmproblem am Gleisdreieck argumentativ jemanden gekümmert, bis zur Planung der Bürotürme…
    P.S.: Hat der geniale Herr Baustadtrat sich eigentlich schon zur Belegung seiner mietengedeckelten Wohnungen im Neubau Dennewitzstraße geäußert, oder ist das auch wieder eine seiner Luftnummer aus der Traumfabrik Yorckstraße??

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert