Zum Planungsstand

Urbane Mitte Gleisdreieck – in der Warteschleife seit April 2021

von Matthias Bauer

An den vergangenen drei Sonntagen hatten wir nacheinander die Grünen, Linken und schließlich die SPD zu Gast bei unseren Gesprächen am Bauzaun zur Urbanen Mitte Gleisdreieck. Eingeladen hatte die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e. V. Wir wollten wissen, wie die drei Parteien mit der Koalitionsvertrag vorgesehenen Überprüfung des Projekts nach „Art und Maß“ der Nutzung umgehen. Ein ausführlicherer Bericht über die Veranstaltung mit der SPD wird hier in den nächsten Tagen erscheinen.
Jeweils zu Anfang der Veranstaltungen habe ich kurz die Planungsgeschichte dargestellt und den aktuellen Stand erläutert. Hier nun der Text vom vergangenen Sonntag, als die SPD zu Gast war.

Vorbemerkung

Bevor ich auf die Planungen für die Urbane Mitte Gleisdreieck eingehe, möchte ich etwas allgemeines vorausschicken. Der Sommer hat uns eindeutige Alarmzeichen gegeben zum Zustand unseres Planeten: Hitze, Dürre, Waldbrände in Europa – Überschwemmungen in Pakistan. Nach seinem Besuch in Pakistan sagte UNO-Generalsekretär Guterres , wir müssen sofort aufhören CO2 zu emittieren, nicht erst 2030 oder 2050. Denn wir bewegen uns ungebremst auf die 1,5 Grad zu, die im Pariser Abkommen als nicht zu überschreitenden Erhöhung der weltweiten Jahresmitteltemperaturen definiert wurden.

Wir alle wissen, dass Guterres Recht hat. Wir wissen, dass der Klimawandel Hunger, Flucht und Kriege bewirken wird. Wir alle wissen es schon seit Jahren, dennoch sind wir als Gesellschaft bisher nicht in der Lage umzusteuern.

Die Bauindustrie ist weltweit für 8% der CO2 -Emissionen verantwortlich. Wenn wir wirklich umsteuern wollen, müssen Projekte wie die Urbane Mitte am Gleisdreieck grundsätzlich in Frage gestellt werden. Wozu brauchen wir an dieser Stelle 119.000 m² Büro und Kommerz, ein Fünftel Potsdamer Platz, ein Investitionsvolumen von einer halben Milliarde Euro, im Bau CO2 Emissionen von wahrscheinlich weit über 100.000 Tonnen? Stellen Sie sich vor, diese halbe Milliarde Euro würde tatsächlich in Klimaschutz investiert – in Bäume, in nachhaltige Energiegewinnung, Entsiegelung – oder in Wohnungen, die gebraucht werden.

Nun zur Planungsgeschichte der Urbanen Mitte

1992

Auch 1992 haben 1,5 Grad ein Rolle gespielt.
Bebauungsplan Potsdamer und Leipziger Platz. Die Umweltgutachter sagten, der schwerwiegendste Eingriff durch die Bauten sei, dass um den Tiergarten ein geschlossener Wärmering entstehen und dadurch die Jahresmitteltemperaturen in der Innenstadt um 1,5 Grad steigen könnten. Um gegenzusteuern, schlugen die Gutachter vor, die Anlage des Gleisdreieck-Parks mit 60 ha (30 ha sind es dann geworden) und dass keine weiteren geometrischen Hindernissen in der Belüftungsschneise zwischen Tiergarten und südlichen Stadtrand gestellt werden. Das war die Begründung für die ökologischen Ausgleichsflächen auf dem Gleisdreieck, die dann von den Investoren des Potsdamer und Leipziger Platz finanziert wurden.

2005

Abschluss des Städtebaulichen Rahmenvertrag Gleisdreieck zwischen VIVICO einerseits und Land Berlin und Bezirk andererseits – nach mehr als 10 Jahren Verhandlungen. Kurz vor Abschluss wurden nochmal die Bauvolumen der fünf vorgesehenen Bauflächen erhöht. Dr. Franz Schulz, Bürgermeister des Bezirks Friedrichshain Kreuzberg sagte uns damals, macht euch keine Sorgen, die Urbane Mitte ist so unrealistisch, das werdet ihr nicht erleben, dass das gebaut wird.

2014

ging es dann doch los mit konkreten Planungen. Während des ersten Planungsworkshops im November 2014 für Bürger waren im Hintergrund die Abrissbagger zu hören, die das denkmalwerte Ringbahnviadukt zerstörten. Nach drei Planungsworkshops wurde vom Investor ein sogenanntes „Konsenspapier“ veröffentlicht, nachdem sich die Teilnehmer angeblich fast alle für eine Hochhausbebauung ausgesprochen hätten. Die später als vorbildlich bezeichnete Beteiligung war im Grunde ein Kidnapping aller Meinungen, die sich gegen das Bauvorhaben gewendet hatten. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer hatte sich gegen die Hochhäuser ausgesprochen.

2015

Architektur-Wettbewerb. Alle 25 eingeladenen, international renommierten Architekturbüros erfüllten brav die Vorgaben der Auslobung. Keiner kam auf die Idee zu fragen, ob das Programm an dieser Stelle sinnvoll ist.

2016

Aufstellung des Bebauungsplan durch den Bezirk für 119.000 m² Bruttogeschossfläche. In der Begründung zum B-Plan wird auf das sogenannte Konsenspapier des Investors verwiesen. Über 200 Stellungnahmen von Bürgern gingen ein zum Bebauungsplan, fast alle kritisch – wurden jedoch dann in keiner Weise berücksichtigt.

2018

Teilung des Bebauungsplan in einen nördlichen und einen südlichen Teil. Der südliche Teil mit zwei Hochhäusern, der hier hinter dem Zaun liegt sollte vorab gebaut werden. Der nördliche Teil mit fünf Hochhäusern muss noch warten, denn hier soll später die neue S-Bahnlinie S21 durchfahren, deren Trasse noch nicht fertig geplant ist.

Ende 2020/ Anfang 2021

Zweite Auslegung der Unterlagen für den Bebauungsplan, diesmal nur für den südlichen Teil. Wir wissen nicht, wie viele sich beteiligt haben, denn die Auswertung der Stellungnahmen liegt bis heute nicht vor. Aber wir wissen, dass es sehr viele waren.

April 2021

Auftritt von 11 lokalen Initiativen und einem Naturschutzverband im Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks mit zwölf kurzen Vorträgen, hier nur einige Stichworte

Eigentlich war geplant gewesen, den Bebauungsplan im April 2021 durch den Stadtentwicklungsausschuss und anschließend im Mai 2021 durch die Bezirksverordnetenversammlung zu bringen.

Unsere Argumente haben jedoch bewirkt, dass der Plan damals zurückgezogen und bis heute kein Baurecht geschaffen wurde.

Nun haben wir gehört, dass der Plan überarbeitetet wurde und in diesem Herbst nochmal ausgelegt werden soll. Darauf bereiten wir uns vor, auch darauf, dass dann Baurecht geschaffen werden könnte. Wir haben eine Spendenkampagne begonnen, um, im Falle eines Falles nicht wehrlos da zu stehen. Mit dem Geld wollen wir einen Rechtsanwalt beauftragen, um dann die Baugenehmigung und den Bebauungsplan rechtlich überprüfen zu können. Bisher haben wir fast 10.000,- € an Spenden bekommen und damit fast zwei Drittel des unseres Spendenziels erreicht. Vielen Dank dafür. Soweit der aktuelle Stand aus unserer Sicht.

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