Dennewitzstraße 35

KORI GmbH: “Wie Sie wissen, sind wir eine Spezialfirma . . .”

Vergangene Woche berichtete der Tagesspiegel über die Erfurter Firma Topf & Söhne, die die Öfen für Konzentrationslager u. a. in Auschwitz, hergestellt hat und deren ehemaliger Firmensitz in Erfurt nun zu einem Erinnerungsort umgestaltet wurde. Am Ende des Artikel schreibt der Autor des Tagesspiegelartikels, Eike Kellermann “ . . . Ein Einzelfall war die Erfurter Firma freilich nicht. So lieferte auch der Berliner Konkurrent Kori dutzende KZ-Öfen. Doch die Geschichte von Kori, sagt Historikerin Schüle, ist noch nicht erzählt . . . “

Die Firma H. KORI GmbH lieferte wie Topf und Söhne Verbrennungsöfen in zahlreiche Konzentrationslager, z. B. nach Sachsenhausen, nach Bergen Belsen, nach Stutthof und nach Majdanek sowie mobile Öfen für das Euthanasieprogramm der Nazis. Der Firmensitz von KORI befand sich von 1890 bis 1976 in der Dennewitzstraße 35, am Rande des Potsdamer Güterbahnhofs. Das Gebäude war ein gründerzeitliches, fünfgeschossiges Haus mit zwei Seitenflügeln, der Hof war mit einem Schuppen Richtung Bahngelände geschlossen. In der Dennewitzstraße 35 befand sich der Hauptsitz der Firma. Die Rechnungen, die die Firma an die SS schrieb, tragen diese Adresse. Ob hier auch die Produktion stattfand, oder ob hier nur Planung und Verwaltung stattfand, gehört zu den noch ungeklärten Fragen.

Dennwitzstraße 35 am Rande des Gleisdreiecks, Karte aus den 1950er Jahren
Dennwitzstraße 35 am Rande des Gleisdreiecks, Karte aus den 1950er Jahren

Nach 1945 machte KORI einfach weiter. Wahrscheinlich musste nicht einmal der Briefbogen der Firma groß geändert werden. In einem Brief von 1975 werden nun folgende Geschäftsfelder aufgezählt: „Kirchen und Großraumheizungen, Zentralheizungs- und Lüftungsanlagen, Verbrennungsöfen für Abfälle aller Art, Müllschluckanlagen, Feuerungsanlagen“.

Ende der 70er Jahre befand sich in Schöneberg Nord eines der größten Sanierungsgebiete Westberlins. Sanierung bedeutete damals Kahlschlagsanierung, also Abriss zahlreicher Gebäude. Auch das Gebäude in der Dennewitzstraße 35 sollte abgerissen werden. 1975 schrieb H. KORI an die Hubertus Grundstücksvermittlung, um einen Umzug abzuwenden: „Wie Sie wissen, sind wir eine Spezialfirma für Luftheizungs-, Müllschluck- und Verbrennungsanlagen und für berliner und westdeutsche Kirchenbehörden sowie für verschiedene Wohnungsbaugesellschaften und den Berliner Senat tätig. Seit ca. 1900 in der Dennewitzstraße beheimatet, würden wir gerne sehen, wenn möglich, unsere Firma in diesem Raume zu erhalten, schon der Arbeitskräfte wegen. Die Existenz unserer Firma ist untrennbar an unser obiges Grundstück gebunden . . .“

Brief der KORI GmbH von 1975
Brief der KORI GmbH von 1975

1976 verkaufte KORI das Grundstück doch, das Gebäude wurde später abgerissen. Die KORI GmbH zog nach Neukölln in die Rudower Straße 122, wo die Firma noch bis ca. 2003 arbeitete. Dann verliert sich die Spur.

Wer heute das Grundstück Dennewitzstraße 35 sucht, findet es nicht mehr. Es gibt die Nummer 34, das ist der nördlichste Eingang zum sogenannten Öfeleinbau, der in den 80er Jahren gebaut wurde und es gibt die 37, das ist das Grundstück, auf dem sich bis vor wenigen Jahren das 90-Grad befand. Die Nummern 35 und 36 sind verschwunden. Im Zuge der städtebaulichen Neuordnung in den 80er Jahren hat das Schöneberger Stadtplanungsamt die zwei Hausnummern einfach weggezaubert, was bei Ortsfremden oft Verwirrung stiftet. Das Grundstück 35 liegt etwa dort, wo in Zukunft der Eingang zum Gleisdreieck-Park in der Achse der Kurfürstenstraße sein wird.

In den nächsten Monaten werden dort die Baumaßnahmen für den Park beginnen. Es ist zu hoffen, dass die Grün Berlin GmbH, die diese Arbeiten durchführt, beim Aufräumen und Abräumen des Grundstücks vorsichtig vorgeht. Es ist nicht auszuschließen, dass vor Ort noch Fundstücke aus der Firmengeschichte der KORI GmbH zu entdecken sind.
2013 soll der Eingang zum Park an der Ecke Dennewitz/Kurfürstenstraße eröffnet werden. Es wäre angemessen, wenn an dieser Stelle dann auch an das dunkle Kapitel der KORI GmbH erinnert würde.

Links

Veröffentlicht in Dennewitz, Potsdamer Güterbahnhof - WestparkTagged

Hier können Sie Ihre Wertschätzung für den Beitrag zeigen! Durch Klicken des Unterstützen-Buttons gelangen Sie auf die Seite von PayPal.

Wenn Sie gleisdreieck-blog.de kontinuierlich unterstützen wollen, können Sie das mit einer Mitgliedschaft bei STEADY, ab 2,50 €/monatlich.

10 Kommentare zu “KORI GmbH: “Wie Sie wissen, sind wir eine Spezialfirma . . .”

  1. Hallo,

    ich hab gerade den Artikel in der “Berliner Woche” gelesen (Überschrift “Mahntafel in der Dennewitzstraße” “Berliner Woche” vom 3.7.2019) demnach wurde in der BVV Tempelhof-Schöneberg eine Mahntafel in der Dennewitzstr. 35 beschlossen.

    Dann hab ich gegoogelt und finde das hier:

    http://www.lufttechnik.info/firmen/berlin_kori_lufttechnik_gmbh.htm

    sieht so aus, als wenn sich die Spur der Firma nur kurzzeitig verloren hat…
    Grüße Stefan Zwingel

  2. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Nichts, oder hat das eigentlich geschichtsbewusste Bezirksmuseum Berlin-Schöneberg eine Initiative ergriffen? Ich hatte es vor etwa einem halben Jahr angeschrieben und der Antwort entnommen, man hörte dort zum ersten Mal von Kori.

    1. Hallo Herr Thieme,
      bisher ist nichts passiert, leider . . . das mindeste wäre eine Infotafel am Parkeingang Kurfürstenstraße, mit der die vielen Besucher des Parks auf die Geschichte des Ortes hingewiesen werden.

  3. 2011 gab es im Gleisdreieck-Blog einen Eintrag zur Firma Kori, Dennewitzstr. 35, die Krematoriumsöfen für die KZ gebaut hat. Das Gebäude ist samt Hausnummer verschwunden. Im Blog stand, dass auf dem Grundstück bald der Eingang zum Gleisdreieck-Park sein dürfte und dass man vielleicht nach Resten des Firmengeländes suchen könnte. Ist da etwas passiert?
    Im TAGESSPIEGEL vom heutigen Donnerstag, den 3. September, wird ein Bebauungsplan für die Grundstücke Dennewitzstraße ab Nr. 36 veröffentlich.
    Wolf Thieme

    1. Ich war vor Ort als die Abriss- und Freiräumungsarbeiten für den Park im Winter 2011 stattfanden und konnte damals keine Spuren von KORI entdecken. Alte Pläne und Luftaufnahmen zeigen, dass das Gebäude von KORI ein gründerzeitlicher Altbau war mit Vorderhaus, zwei Seitenflügeln und einem eingeschossigen Schuppen, der den Hof zum Bahngelände absperrte. 2011 waren nur noch Teile des Schuppens vorhanden, der Rest war im Zuge der Kahlschlagsanierung Anfang der 80er Jahre abgerissen worden.

  4. Ich habe diesen Artikel erst heute gefunden. Die Zeit des Nationalsozialismus ist noch lange nicht aufgearbeitet. Es darf nichts vergessen werden. Es ist richtig, was Hannah Arendt gesagt: “Die Banalität des Bösen.” Es wäre auch heute alles wieder möglich. Der Mensch muss nur zu einer Nummer und zu einem Aktenzeichen gemacht werden, schon ist er kein Wesen mehr, mit dem man Mitleid hat. Je bürokratischer ein Staat ist, desto effektiver ist das Töten und Vernichten, es ist ein reiner Verwaltungsakt. Die “Verwaltungsakte” müssen nur die richtigen harmlosen Namen und am besten noch eingängige Abkürzungen tragen, so fragt sich keiner mehr, was wirklich dahinter steckt. Die Enkelgeneration muss den Mut haben, nachzuforschen, was die Großväter und Großmütter dazu getrieben hat, bei diesem Grauen willfährig mitzumachen.

    1. Auf dem Gelände der Firma Topff & Söhne, Krematoriumsbau, gibt es eine eindrucksvolle Ausstellung, die vor einiger Zeit und gegen den erbitterten Widerstand von regionalen Politikern auf hartnäckiges Betreiben durch Prof. Volkhard Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, eröffnet werden konnte. Aus den dort einsehbaren Dokumenten geht hervor: alle Mitglieder des Betriebes, nicht nur die Ingenieure, die zum Aufbau der Öfen in die KZ fuhren, haben von den Massenmorden gewusst. Was hat sie getrieben, da mitzumachen, fragen Sie? Ich fürchte: sie fanden das richtig. WT

  5. Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich bereite momentan ein Projekt zu Krematorien im Dritten Reich vor und interessiere mich für die Quellen, die Sie für diesen Text haben. Bitte um kurze Mitteilung.

    Vielen Dank,

    Robert Parzer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert