Seit Monaten wird um die letzte Baufläche am Gleisdreieck diskutiert. Welches Stück Stadt kann hier entstehen? So lautete die Frage in Bürger- und Fachdialogen zu den Planungen für das Baufeld „Urbane Mitte“. Immerhin 100.000 m² Bruttogeschossfläche sollen hier am U-Bhf. Gleisdreieck, in der Mitte zwischen West- und Ostpark des Gleisdreieck gebaut werden.
Die Antwort könnte lauten: ZLB – die zentrale Landesbibliothek am Gleisdreieck. Das wäre ein Stück Stadt, das sich dem Park zuwendet. Ein Stück Stadt, das sich dem öffentlichen Raum zuwendet mit einer Nutzung für alle. In einem Offenen Brief fordert die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. die Senatsverwaltung für Kultur auf, bei der Prüfung der Standorte für die ZLB auch das Baufeld am U-Bhf. Gleisdreieck mit zu berücksichtigen. Hier der Offene Brief im Wortlaut:
Offener Brief an
- Herrn Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin,
- Herrn Tim Renner, Staatsekretär für Kultur,
- Herrn Frank Jahnke, Vorsitzender des Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten
- und an die kulturpolitischen Sprecher_innen der Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus
Sehr geehrte Damen und Herren,
als langjährig Engagierte im Gleisdreieck-Park, wenden wir uns heute an Sie mit der Bitte, das Baufeld „Urbane Mitte“ am U-Bhf. Gleisdreieck bei der Prüfung der Standorte für die neue Zentrale Landesbibliothek Berlin mit einzubeziehen.
Wir sind uns im klaren, dass gute Argumente für die anderen zur Zeit diskutierten Standorte sprechen: die AGB am Blücherplatz, das ICC, das Bestandsgebäude des Flughafen Tempelhof und das Völkerkundemuseum in Dahlem.
Wir sind jedoch auch überzeugt, dass es sehr gute Argumente für den Standort am Gleisdreieck gibt, die wir im folgenden darstellen möchten.
In den letzten Jahren hat sich der Park am Gleisdreieck zu einem besonderen Ort entwickelt. Kaum jemand hatte einen solch großen Zuspruch erwartet. Selbst an Winterwochenenden sind es Tausende Menschen, die den Park nutzen. Sie flanieren, sie spielen, sie treiben Sport, sie treffen sich, sitzen auf den Holzstufen oder auf dem Rasen, machen Party, Musik und Theater, sie malen an den Pfeilern der Hochbahn, oder fahren nur kurz mit dem Fahrrad von Schöneberg nach Mitte, von Kreuzberg nach Tiergarten oder von Berlin nach Leipzig, bewirtschaften Gärten, sammeln Müll und leere Flaschen, gelegentlich auch Spritzen, auf. Oder schauen im Vorbeifahren aus der Hochbahn oder aus dem ICE dem Leben im Park zu. Alle zusammen schaffen eine neue Form von Urbanität, ein nicht immer konfliktfreies, aber überwiegend friedliches Nebeneinander unterschiedlichster Nutzungen, manchmal auch ein Miteinander. Es ist ein Park für alle.
Die Bibliothek, die neue Zentrale Landesbibliothek, ist eine Nutzung, die allen Menschen offensteht. Mit ihrem Eingang könnte sie sich diesem neuen urbanen Raum zuwenden. Der Park würde zur Adresse für die Bibliothek. Über den Park würde sich die Bibliothek mit der Umgebung vernetzen: Stabi, Kulturforum, Filmfestspiele, Technikmuseum und Tempodrom sind zu Fuß erreichbar, ebenso die Geschäftszentren des Potsdamer und Leipziger Platzes sowie die gründerzeitlichen Kieze auf der Kreuzberger, der Schöneberger und der Tiergartener Seite. Etwas weiter, mit dem Fahrrad in 5 bis 10 Minuten erreichbar, sind Abgeordnetenhaus, Holocaustmahnmal, Brandenburger Tor, Reichstag und vieles mehr.
Wie kaum ein anderer Ort steht das Gleisdreieck für den öffentlichen Nahverkehr und zentrale Erreichbarkeit. Die Hochbahnen der U1 und der U2 prägen den Ort, später wird hier noch die S21 dazukommen. Fußläufig erreichbar sind die U7, die S1 und die S2 an der Yorckstraße, die Schiffsanlegestellen am Landwehrkanal und der Regionalbahnhof am Potsdamer Platz.
In den letzten Monaten haben wir in verschiedenen Runden über mögliche Bebauungen am U-Bhf. Gleisdreieck gesprochen. Der städtebauliche Vertrag Gleisdreieck aus dem Jahr 2005 sieht hier ein Bauvolumen von 100.000 m² Bruttogeschossfläche vor. Die Aufgabe ist kompliziert wegen den zahlreichen Verkehren, die das Baufeld in der Höhe oder unterirdisch queren. Die denkmalgeschützten Verkehrsbauwerke der U1 und U2 sollen sichtbar bleiben. Die neue Bebauung neben dem neuen Bahnsteig für die S21 muss Durchblicke offen lassen, sich aber gleichzeitig als eigenständige Architektur behaupten.
Wie sieht eine neue Bibliothek aus, die ihre Bestände in einem automatisierten Hochregallager verwaltet und die gleichzeitig ein Ort der Kommunikation, der Begegnung und des Studiums, der Arbeit 4.0 ist?
Das Gleisdreieck ist ein Ort, geprägt von technischen Bauwerken, die zur Zeit ihrer Entstehung etwas völlig Neues darstellten. Heute ist es das ideale Umfeld für neue, innovative Architektur. Hier könnte die Bibliothek neu erfunden werden.
Im letzten Fachdialog am 20. Januar 2015 wurde klar, dass es auf dem Baufeld „Urbane Mitte“ am Gleisdreieck ein bis zwei höhere Gebäude mit 60 bis 90 Meter Höhe geben könnte. Als Nutzung wurde vorgeschlagen 30 bis 40 % „Lebendiger Nutzungsmix“, d. h. Gastronomie, Einzelhandel, Fitnessklubs, Wohnen, Hotel. Und 60 bis 70 % sollten Büroraum werden, z. B. als Headquarter international tätiger Unternehmen.
Die ZLB würde diesen Nutzungsmix verändern, zugunsten von 50.000 m² Bildung, Kultur und Begegnung. Park und Bibliothek würden sich ideal ergänzen.
Wir bitten Sie, den Standort Gleisdreieck in die zur Zeit laufende Prüfung der Standorte für die ZLB einzubeziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Rheinlaender
Matthias Bauer
Materialien
- Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e. V. , Offener Brief zur ZLB am Gleisdreieck vom 03. 03. 15 als PDF-Dokument
- Frühere Artikel zum Planungsverfahren “Urbane Mitte” auf gleisdreieck-blog.de
- Website des Grundstückeigentümers, “Urbane Mitte”