Auslegung des Bebauungsplans nur noch bis morgen

Vierzehn Argumente der Anwohner gegen das WoHo in der Schöneberger Straße

Mit einer neuen Internetseite haben die Anwohner des WoHo in der Schöneberger Straße auf die Auslegung der Bebauungspläne mitten in den Sommerferien reagiert. Auf der Seite https://www.woho-nein.info/ haben die Kritiker des Vorhabens zahlreiche Argumente zusammengestellt. Nur bis morgen ist es noch möglich, Stellungnahmen zum Bebauungsplanverfahren abzugeben.

So wird das Vorhaben unterschiedlich dargestellt, links die Darstellung des Investors, rechts die der Anwohner. Insgesamt sind 23.500 m² Geschossfläche geplant. Davon sollen 11.375 m² auf das Wohnen und 12.110 m² auf die anderen Nutzungen (Soziales, Gewerbe) entfallen. Also etwa halbe/halbe. Auf den 11.375 m² Wohnungen sollen 228 Wohnungen entstehen. 30% = 76 Wohnungen sollen als Sozialwohnungen vermietet werden.

Die Sichtweise des Investors

Ein Stadtquartier geht in die Höhe

Die lebendige und erfolgreiche Kreuzberger Mischung nehmen wir auf, und zwar hochkant. Im WoHo mischen sich Bewohner wie auch Wohnungstypologien in einem Holzhybrid-Hochhaus mit stattlichen 98 Metern und 29 Etagen. Wohnen für Menschen aller Möglichkeiten, dazu öffentliche Bereiche für die Nachbarschaft. Hier entsteht ein neuer Kiez für alle. Wenn das nicht Potenzial für ein Wahrzeichen hat.

Zitat aus:  https://utb-berlin.de/woho-das-wohnhochhaus

Die Sichtweise des Bezirksamtes

Aus Sicht des Plangebers kann das Vorhaben eine dezidierte Antwort auf die aktuelle Wohnungsdebatte bieten und als stadtweites Symbol und Leuchtturmprojekt für eine alternative Wohnungspolitik gesehen werden.

aus der Begründung zum Bebauungsplan auf Seite 44

Die vierzehn Argumente der Anwohner

1/ Fakt: Höhe erzeugt keine Dichte !

Die Einwohnerdichte ist nicht dort am höchsten wo Hochhäuser stehen! Sondern im Kreuzberger Altbestand, Barcelonas Kiezblöcken oder Prenzlauer Berg.  Eine Berliner Senatsstudie zum Stadtgebiet kam zum Ergebnis, dass ab einer Geschosszahl von 4 bzw. 5 die Zahl der Einwohner mit den Geschossen nicht mehr zunimmt, sondern gleichbleibt.*

* Senats-Studie zitiert aus ‚Berliner Senatsverw.: Umweltatlas, 06.09 Städtebauliche Dichte, 2012

2/ Hochhäuser verschwenden Platz !

Wieso? Im Kern gilt: Wer höher baut, muss mehr Platz lassen. An sich müssen Hochhäuser isoliert stehen wegen der Verschattung. Die Geschossflächenzahl (GFZ) definiert, wieviel Nutzfläche auf der Grundfläche entstehen darf. Normal im S-Bahnring sind 2,5. Beim WoHo wird mit 9.1 geplant! Das wäre der Berliner Extremwert. Der Investor versucht mit  Ausnahmeregelungen und Tricks eine Bewilligung ‚durchzudrücken‘ … 

3/ Ein großer ökologischer Fußabdruck !

Hochhäuser benötigen zwar weniger Grundfläche, aber verbrauchen mehr Energie/qm Wohnfläche: Für die Aufzüge, Wasserpumpen, Beleuchtung im Treppenhaus, aufwendige Klimatechnik. Im Energieverbrauch ist die 5-stöckige kompakte Bebauung am sparsamsten. Das gilt auch für die graue Energie zur ‚Herstellung‘ des Wohnraums: Ob Holz oder Beton – es entsteht mehr Wohnraum in kompakter Weise als im Hochhausbau.

4/ Herstellung und Unterhalt sind teuer !

Auflagen im Brandschutz, ein höherer Material- und Energieverbrauch schlägt sich in hohen Kosten nieder: pro qm sind Baukosten deutlich höher. In der Theorie werden 15-20% höhere Baukosten veranschlagt, in der Praxis werden eher 50+ % beobachtet. Auch der Unterhalt ist teuer, ca. um 50% wegen aufwändiger Wartung der Technik, deren Ausfall ein Hochhaus unbewohnbar macht, und dem erhöhten Energiebedarf.

5/ Hochhäuser bringen teuren Wohnraum !

Hochhäuser sind kein sinnvolles Mittel, um gerade jetzt bezahlbaren Wohnraum in größerem Umfang zu schaffen, weil die Kosten hoch und Planungen lang sind. Der Trend ist eindeutig: „Die Reichen ziehen in Türme.“ Geförderter Wohnraum im WoHo Modell ist nur durch eine krasse Quersubventionierung extrem teuer Top-Floor-LuxusWohnungen möglich und zusätzlicher Subvention des Steuerzahlers, also der Allgemeinheit!

6/ Ein hohes Risiko für uns und Investor  !

Hochhäuser sind ein hoch profitabler, aber auch ein hoch riskanter Markt! Zahlreiche Pleiten belegen dies: Donald Trump‘s  Immopleiten, Adler Group am Steglitzer Kreisel vor der Insolvenz, Baustopp an den Türmen ‚Upside Berlin‘ in F-Hain … Als ‚ganz noble Adresse‘ gestartet sind die Unterhaltskosten oft so hoch, dass zum Ende oft nur schäbige Kompromisse bleiben: Das ‚Kotti‘ ist ein Beweis, dass Utopien leider oft anders enden.

7/ Unsere Stadtästhetik wird zerstört !

Das WoHo nimmt die gewachsene Umgebung nicht auf, es könnte so überall stehen. Die umliegende IBA 87 Bebauung, zahlreiche Geschichts- und Baudenkmäler,  das WoHo entfaltet eine erdrückende Wirkung auf alles bisherige! Ein Vertical Village negiert den ‚Kiez‘ und ist eher ein Euphemismus für ‚Gated Community‘.  Die spektakuläre Aussicht der einen wird mit der Sichtbehinderung der anderen erkauft!

8/ Lieber jetzt, als vielleicht in 8 Jahren* !

Wir sind nicht gegen Neubau! Wir sehen die Wohnungskrise und Lösungen werden jetzt gebraucht. Eine Hochhausplanung bedeutet langwierige B-Plan Verfahren und lange Rechtsunsicherheit. Dabei könnte der Investor JETZT schon bauen – nur mit etwas weniger Profit.
Deshalb plädieren wir an die BVV, nicht spekulative ,Leuchttürme‘, sondern pragmatischen Wohnbau einzufordern.

9/ Bestand  nachhaltig nutzen !

Investor und Baustadtrat behaupten jetzt, dass ein 100m WoHo ‚DIE‘ Lösung für das Berliner Wohnungsproblem sei. Wir sehen dagegen im Kiez das Potential, zuerst zerfallende und leer stehenden Wohnräume, wie am Hafenplatz zu aktivieren, bevor extrem punktuell und teuer nachverdichtet wird und anderswo ungenutzte Brachen bestehen bleiben.

10/ Blockrand bietet viele Chancen !

Eine Bebauung am Blockrand / mit Sockelgeschossen ist vielleicht weniger spektakulär, aber ökologisch und finanziell nachhaltiger. Sie verteilt die Lasten einer Nachverdichtung mehr in die Breite als auf einzelne Anwohner, die von der Woho-Planung durch Lärm und Schatten in der Schöneberger Str.  ganz besonders betroffen wären.

11/ Verkehr und Lärm mindern, nicht stärken !

Die Gutachten der Woho B-Pläne beweisen: Mit dem Turm wird noch mehr Verkehr angezogen, mehr Lärm erzeugt und reflektiert, in einer der lautesten Straßen Berlins! Dabei ignoriert die Studie aktuelle Verdichtungen, z.B. durch das neue Bürohaus GrasBlau, Planungen wie die UrbaneMitte und umliegende Erweiterungen. Die Studie ist anfechtbar, da sie auf falschen Annahmen beruht.

12/ Stadtnatur statt Wohnmaschine !

Das Baufeld für das WoHo liegt auf einer Grünfläche gemäß Flächennutzungsplan. Die Biotop Bewertungen wurden nicht beendet, aber eine Umweltprüfung schon ausgeschlossen. Dabei beweisen miserable BiotopFlächenFaktoren (BFF) im Gutachten die Unverträglichkeit der Planung. Durch Blockrand-Bebauung wäre eine viel nachhaltigere Entwicklung möglich.

13/ Ausgleich und ehrliches Miteinander !

Jede Nachverdichtung bedeutet auch Belastung und Interessenausgleich. Gemeinsam Lasten tragen und die Chancen nutzen! Innovativer Holzbau und soziale Mischung sind günstiger in einer Blockrandbebauung möglich. Die Grundschule nebenan würde Erweiterungspotentiale nicht verlieren, die Anlieger würden nicht in den Abstandsflächen berührt.

14/ Zeitzeugen und Baukultur erhalten !

Nicht alles auf dem Garagen-Gelände, auf dem das WoHo errichtet werden soll, gehört abgerissen. Mauern und der Eckbau sind Zeitzeugen, die wie der Bunker Geschichte erlebbar machen. Die umgebenden IBA Bauten wurde vor kurzem unter stadtbaulichem Schutz gestellt, das WoHo Gelände wurde aber ausgespart. Ein Skandal, der stark nach Begünstigung riecht.

Zitate aus https://www.woho-nein.info/

Weitere 27 Argumente, die mehr ins Detail gehen, sind auf der Seite https://www.woho-nein.info/ zu finden.

Noch bis 19.07.2022 können Stellungnahmen zum Bebauungsplan WoHo abgegeben werden unter untenstehenden Link. Dort sind auch die Unterlagen zum Bebauungsplan zu finden.

Link zu den Bebauungsplanunterlagen Woho Schöneberger Straße

Ein Kommentar aus Sicht der Anwohner auf Youtube

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2 Kommentare zu “Vierzehn Argumente der Anwohner gegen das WoHo in der Schöneberger Straße

  1. Meine Stellungmahme zum Bebauungsplan WoHo:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich verstehe nicht, warum die Auslegung der Unterlagen in den Sommerferien stattfindet, zumal sich benachbart eine Schule befindet. Sie werden sicher anmerken, dass dies nicht absichtlich bestimmt worden sei. Sollte dies das Fall sein, dass die Terminierung tatsächlich nicht absichtlich in den Schulferien gelegt wurde, möchte ich Sie bitten, die Auslegung nach den Schulferien zu wiederholen.
    Aufgrund der Masse und der übermäßigen Höhe des Bauwerks, wird es ohne Zweifel erhebliche Auswirkung auf die Umgebung und die Nachbarschaft haben. Wenn man den Begründungstext und die diversen Gutachten liest, bekommt man jedoch schnell den Eindruck, dass diese Auswirkungen nicht unabhängig untersucht wurden, sondern vorschnell als unerheblich klassifiziert werden. Die Begründungen für das Überschreiten der Abstandsregelung, die fehlende Darstellung des Schattenwurfes zu verschiedenen Jahreszeiten, die Bagatellisierung der Windproblematik zeigen dies. Ebenso die laxe Haltung zum Brandschutz, nach der die Feuerwehr nicht bis in die Tiefe des Grundstücks Zugang bekommen soll.
    Bevor eine Entscheidung für ein solche unmaßstäblich hohes Gebäude getroffen wird, sollte in Alternativen gedacht werden.
    Wie viele Wohnungen, wie viele Sozialwohnungen wären möglich, wenn das Grundstück mit einer ähnlichen Dichte wie gegenüber mit den Bauten der der IBA87 bebaut würde?
    Um wieviel geringer wäre der baukonstruktive Aufwand und damit die CO2-Emission bei der Erstellung des Gebäudes?
    Um wieviel geringer wären die Bewirtschaftungskosten und damit auch die CO2-Emissionen in der späteren Nutzung des Gebäudes?
    Um wieviel geringer wären die negativen Auswirkungen auf Natur, auf die Vogelwelt, auf die klimatischen Verhältnisse?
    Um wieviel geringer wären die negativen Auswirkungen auf die Nachbarschaft ?
    Für eine sachgerechte Abwägung nach Baugesetzbuch wären Antworten auf diese Fragen notwendig. Diese Antworten liegen jedoch offensichtlich nicht vor. Erst durch den Vergleich der verschiedenen Auswirkungen zwischen einer im Maßstab konventionellen Bebauung mit der hier vorgeschlagenen übermäßigen Bebauung kann eine sachgerechte Abwägung stattfinden.

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