Dank Aktensicht mithilfe de Portals „Frag den Staat“ kann nun etwas genauer nachvollzogen werden wie der Eintritt der Senatsverwaltung in das Bebauungsplanverfahren Urbane Mitte Süd erfolgte.
Durch die Akteneinsicht wurde deutlich, dass die Senatsverwaltung schon lange geplant hatte, das Bebauungsplanverfahren an sich zu ziehen. Erster Schritt war das sogenannte „Informationsersuchen“ im November 2023. Dann folgte die Weisung im März 2024 an den Bezirk, das Bebauungsplanverfahren zu ende zuführen. Am 9. April antwortetet der Baustadtrat Florian Schmidt, dass er der Weisung nicht folge, weil er nicht gegen den BVV-Beschluss verstoßen könne. Die Bezirksverodnetenversammlung hatte beschlossen in einer Planungswerkstatt ergebnisoffen städtebauliche Kriterien für eine neue Gestaltung zu erarbeiten. Nach Eingang des Schreibens von Schmidt bei der Senatsverwaltung wurde sofort der Eintritt der Senatsverwaltung in das Verfahren vorbereitet. „Achtung nicht vor 31.05.“ heißt es handschriftlich auf dem Schreiben, mit dem dem Bezirk dann die Botschaft verkündet wurde. Die Öffentlichkeit erfuhr dann am 3. Juni per Pressemitteilung davon.
Die Begründungen der Senatsverwaltung, es ginge dabei um übergeordnete Interessen Berlins, sind fadenscheinig. In der Weisung vom März 2024 heißt es, übergeordnete Interessen Berlins seien berührt durch die unterirdisch das Baufeld passierenden S-Bahnen S1, S2, S25 und durch den Fahrradfernweg Berlin Leipzig.
Tatsache ist jedoch, der Fahrradweg verläuft außerhalb des Geltungsbereichs des B-Plans Urbane Mitte Süd. Die Bahnen queren tatsächlich unterirdisch das Baufeld der Urbanen Mitte Süd. Aber wenn das Bauvorhaben nicht realisiert wird, stört das nicht den Bahnverkehr. Im Gegenteil. Durch den Bau der Urbane Mitte Süd würde der Bahnverkehr im S-Bahntunnel gefährdet werden. Denn Tiefgarage und Fundamente sollen dicht, bis auf einen Meter an den S-Bahntunnel heranrücken dürfen. Wenn da etwas passiert wie am Alex, wären täglich hunderttausende Fahrgäste betroffen.
Weiter wird in der Weisung im März 2024 die S21 erwähnt, die geplante neue S-Bahnlinie sowie die Verbindung zwischen Ost- und Westpark des Gleisdreieck, die qualitätsvoll gestaltet werden solle. Beides – die S21 und der Verbindungsweg zwischen den beiden Parkhälften – liegen außerhalb des Baufelds der Urbane Mitte Süd. Es hört sich so an, als würde hier schon der Eintritt der Senatsverwaltung in das Bebauungsplanverfahren für das nördliche Baufeld vorbereitet.
Warum wurde in der Weisung so fadenscheinig argumentiert? Vermutlich weil man die eigentlichen Gründe nicht aussprechen wollte oder konnte. Nur ein Satz in der Weisung kam der Wahrheit etwas näher:
. . . Dringende Gesamtinteressen Berlins bei Bebauungsplänen werden ebenfalls durch die Umsetzung des Rahmenvertrags Gleisdreieck aus dem Jahre 2005 berührt . . . “
In dem Schreiben, mit dem der Senat das Verfahren an sich zog, schrieb Senator Gaebler dann:
. . . Im Schreiben vom 21. März hatte ich verdeutlicht, dass im Interesse des Landes Berlin und der Bedeutung des Bebauungsplanverfahrens VI-140cab unter anderem mit der Umsetzung des Rahmenvertrags aus dem Jahre 2005 eine zeitnahe Festsetzung des Bebauungsplans erforderlich ist . . .“
Nun, durch zwei Gutachten wurde belegt: der Rahmenvertrag Gleisdreieck aus dem Jahre 2005 verstößt an entscheidender Stelle gegen das Baugesetzbuch §1 Absatz 3, in dem es heißt.
. . . Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden . . .“
Gibt es ein dringendes Gesamtinteresse Berlins an der Umsetzung des rechtswidrigen Rahmenvertrags Gleisdreieck aus dem Jahre 2005? Aus Sicht der Senatsverwaltung offensichtlich: ja.
Da aber das Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in § 7 Dringendes Gesamtinteresse Berlins bei Bebauungsplänen dies nicht als Kriterium vorsieht für den Eintritt des Senats in ein bezirkliches Bebauungsplanverfahren, müssen eben andere Gründe genannt werden.
Zu Anfrage auf dem Portal „Frag den Staat“ mit Faksimili der erwähnten Schreiben:
fragdenstaat.de/anfrage/bebauungsplanverfahren-vi-140cab-urbane-mitte-sued