Mysteriöse Pakete

Flottwellstraße: CA Immo/Vivico verkauft Katze im Sack an Groth-Gruppe

Anfang vergangener Woche gab die CA Immo/Vivico eine Pressemeldung heraus, nach der sie ein Grundstückspaket im Wert von 12 Mio. € an die Groth-Gruppe verkauft habe. Insgesamt beinhalte das Paket 975.600 m², die sich auf zwei Flächen verteilen: auf das mittlere der drei umstrittenen Bauflächen an der Flottwellstraße, von den Investoren „Flottwell Living” genannt, und auf das Areal in Lichterfelde-Süd, den ehemaligen Truppenübungsplatz der Amerikaner.

Die Meldung wurde auf zahlreichen Immobilienportalen (z. B. Rohmert-Medien) wortwörtlich nachgedruckt. Der Tagesspiegel griff die Meldung am 18.07.12 auf, um über die Veränderungen im Stadtteil zwischen Gleisdreieck und Potsdamer Straße zu berichten. Erstaunlich, dass die Presse so frei war, nicht nachzufragen, wie das Paket gepackt wurde und was die einzelnen Bestandteile wert sind. Das wäre eine hochinteressante Frage gewesen. Denn nur 10.400 m² der 975.600 m², also nur rund 1% der gesamten im Verkaufspaket enthaltenen Fläche entfallen auf das Projekt der Flottwellstraße am Gleisdreieck, der Rest entfällt auf das Areal in Lichterfelde.

Offensichtlich wollen sich die am Grundstücksdeal Beteiligten hier nicht in die Karten schauen lassen und nicht mitteilen, welchen Wert die beiden Grundstücke aus ihrer Sicht haben.

Denn die Bebauung beider Areale ist politisch umstritten. Die Bebauung an der Flottwellstraße ist zwar im städtebaulichen Vertrag von 2005 zwischen dem Land Berlin, dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Vivico als Baufläche festgelegt worden. Obwohl es dort kein Baurecht gab und bis heute nicht gibt. Vor zwölf Jahren konnte ein Senatsbaudirektor Stimmann zynisch fragen „wozu Parks in der Innenstadt, wir haben doch das Umland und Mallorca”. Es war diese Haltung, mit der die Senatsverwaltung einst die Verhandlungen mit der VIVICO führte und sich dabei über alle eigenen, öffentlich verbindlich festgelegten Planwerke des Landes hinwegsetzte.

Gerade Anfang Juli 2012 ist die öffentliche Auslegung der „vorhabenbezogenen Bebauungspläne” zum mittleren und nördlichen Baufeld an der Flottwellstraße beendet worden. Mit diesen Bebauungsplänen soll nun nachträglich das dem städtebaulichen Vertrag fehlende Baurecht geschaffen werden. In der Stellungnahme der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (PDF-Dokument) wird heftige Kritik an den Bauvorhaben geübt.

  • Die Fläche ist im gültigen Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen. Der Flächennutzungsplan ist für die Verwaltung verbindlich und Bebauungspläne müssen aus dem Flächennutzungsplan abgeleitet werden. Hier eine Baufläche auszuweisen, ist ein klarer Rechtsbruch.
  • In der gesamtstädtischen Ausgleichskonzeption der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist die Fläche als Ausgleichsfläche vorgesehen, um die über das ehemalige Bahngelände verlaufende Frischluftschneise zwischen Tiergarten und südlichem Stadtrand freizuhalten. Die Einengung des geplanten Parks und die 80%ige Versiegelung widersprechen diesen Zielen fundamental.
  • Die Erfahrungen mit dem seit einem Jahr eröffneten Ostpark zeigen, dass Grünflächen in der Stadt gebraucht werden. An normalen Wochenenden kommen bis zu 10.000 Besucher in den Ostpark. Der West-Park auf dem Gleisdreieck würde durch die Bauflächen an der Flottwellstraße jedoch stark beeinträchtigt. „Sie werden den Park im Norden zum Flaschenhals verengen” stellt der Tagesspiegel in seinem Bericht am 18.07. 2012 fest.
  • Entspannen die neuen Wohnungen den Wohnungsmarkt? Wer sich die Bilder des Projekts Flottwell Living anschaut, wird schnell erkennen, dass hier keine Wohnungen für den Normalverdiener, schon gar nicht für Hartz-IV-Bezieher gebaut werden. Gediegene, altherrenhafte Architektur mit 250 Eigentumswohnungen. Der zur Zeit laufende Verdrängungsprozess aus der Innenstadt, z. B. aus den ehemaligen Sozialwohnungen in der Pohlstraße, wird durch diesen Städtebau noch angefeuert werden. Ãœbrigens ganz in der Nähe, in der Pohlstraße 43 bis 59 war die Groth-Gruppe auch beteiligt, solange noch Subventionen des Sozialen Wohnungsbaus flossen. Nach Aufhebung der Sozialbindung, diversen Insolvenzen und Eigentümerwechseln stiegen hier die Mieten so rasant, dass inzwischen schon ein guter Teil der Mieter verdrängt wurde.
  • Kinder stören bei diesem Städtebau nur. Lieber zahlen die Investoren von „Flottwell Living” eine knappe halbe Millionen € an die Baugenossenschaft Möckernkiez, damit diese die Kindergartenplätze weit weg in Kreuzberg baut. Auf dem eigenen Grundstück würde ein Kindergarten nur die Vermarktung stören. Welch negative Folgen dies auf die vorhandenen Kindergärten im Kiez zwischen Gleisdreieck und Potsdamer Straße hat, beschreibt die Stellungnahme von Quartiersräten aus dem QM-Gebiet Magdeburger Platz (PDF-Dokument). Wie auf dem Wohnungsmarkt könnte es dann auch in den Kitas zu einem Verdrängungswettbewerb kommen.

Nach dem Verkauf an die Groth-Gruppe muss sich die CA Immo/Vivico mit alldem nicht mehr auseinandersetzen. Zwar haben die Friedrichshain-Kreuzberger Grünen sich mit dem widerrechtlichen Städtebau abgefunden und und mäkeln nur an den vielen Tiefgaragen rum. Aber es gibt noch genug politische und rechtliche Unwägbarkeiten – die Katze im Sack. Damit traut sich die Groth-Gruppe offensichtlich umzugehen, im Vertrauen auf ihre langjährigen Verbindungen in die Berliner Parteienlandschaft. Damit nicht offensichtlich wird, welch finanziellen Abschlag die Groth-Gruppe dafür in Rechnung stellt, wurde das Geschäft der Öffentlichkeit als Paket präsentiert.

Übrigens: Ende der Woche hat die CA Immo/Vivico ein weiteres Paket an die Groth-Gruppe verkauft, diesmal für 20 Millionen € und noch geheimnisvoller geschnürt, Pressemittteilung der CA Immo/Vivico vom 20.07.12.
In dem Paket befindet sich „auch das Entwicklungsgebiet an der Lehrter Straße” nördlich des Hauptbahnhofs. Mehr wird nicht verraten. Was ist noch im Paket? Sind es die umstrittenen Bauflächen am Mauerpark, das südliche Baufeld an der Flottwellstraße, der ehemalige Güterbahnhof in Wilmersdorf?

Materialien

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