Am 11. Dezember trafen wieder die Experten im Werkstattverfahren Urbane Mitte Berlin zum „Fachdialog“ zusammen, wobei das Berlin im Namen inzwischen verschwunden ist. Die Veranstaltung begann mit einem Bericht der Moderatorinnen vom Büro Jahn, Mack und Partner, die zusammenfassten, was die Bürger auf der öffentlichen Veranstaltung am 25. November eingebracht hatten. Man sei sehr überrascht gewesen von den Ideen, z. B. einem Skater-Museum, Restaurants, aber auch einem klarem Votum gegen ein Hotel.
Leider präsentierten die Moderatorinnen nicht alle geäußerten Meinungen. Wer am 25. November vor Ort war, muss mitbekommen haben, dass mehrere Diskussionsteilnehmer sich gegen den damals laufenden Abriss des Ringbahnviadukts ausgesprochen hatten. Doch das wurde mit keinem Wort in dem Bericht der Moderatorinnen erwähnt.
Es folgte der Hinweise auf die neue Internetseite mit dem Titel „DIALOG – Urbane Mitte“, die im Auftrag der Eigentümer eingerichtet wurde [http://urbane-mitte.de/]. Auch dort kein Hinweis auf den Abriss des Ringbahnviadukts. Der erste Menüpunkt lautet “Dialog“, die erste Überschrift lautet „Am Anfang steht der Dialog“. Doch ein Dialog ist auf der Seite selbst nicht möglich. Die Kommentarfunktion, die bei der für die Seite verwendeten Software [Wordpress] standardmäßig eingeschaltet ist und wunderbar funktioniert, ist einfach ausgeschaltet worden.
Der zweite Menüpunkt der neue Internetseite nennt sich „Entwicklung“. Hier werden die sogenannten Interessenpläne dargestellt, in denen sehr abstrakt der Stand der Diskussion zusammengefasst worden sei, und die thematisch die folgenden Arbeitsgruppen Verkehr, Städtebau, Identität, Nutzung bestimmten.
In der Arbeitsgruppe Verkehr unter der Leitung von Prof. Österreich wurde die Basis für den zukünftigen Bahnhof der neuen S-Bahnlinie S 21 entwickelt. Die S 21 kommt von Norden über das Parkhaus gefahren, etwa in einer Höhe von 9 m. Die Länge des Bahnsteigs mit 160 m orientiert sich an den Länge der Züge. In der Mitte hat der Bahnhof mit 21,5 m seine breiteste Stelle, das nördliche und südliche Ende können etwas schmaler sein. Die Breite in der Mitte ergibt sich aus den notwendigen Treppen und Rolltreppen sowie den Abständen zwischen den Treppen und den Bahnsteigkanten, dann kommen die beiden Gleise und die Außenkonstruktion der Bahnhofshalle dazu. Die breiteste Stelle des Bahnsteigs muss genau unter dem darüber im rechten Winkel kreuzenden Bahnsteig der U 1 liegen. An dieser Stelle ist dann eine vertikale Erschließung möglich, die alle Ebenen verbinden kann, vom Park ganz unten über die S 21, dann zum Bahnsteig der U 1, theoretisch noch höher hinauf, um dann in luftiger Höhe an das benachbarte Hochhaus anzuschließen, das auf dem Baufeld A angedacht wurde. Bevor es zum Bebauungsplan und einem städtebaulichen Wettbewerb kommt, soll ein Testentwurf für den neuen Bahnhof erstellt werden.
Zwischen dem neuen Bahnhof der S21 und dem Viadukt des alten Gleisdreiecks ergäbe sich so eine ca. 20 m breite Straße Straße, an der sich Geschäfte, Cafés usw. befinden könnte. LKWs sollen hier nicht mehr durchfahren, so dass für die STATION (im ehemaligen Postbahnhof) eine neue Erschließung gefunden werden müsste. Diese ist angedacht über die Trebbiner Straße. Die von dort einfahrenden LKWs müssten dann in der STATION wenden und den gleichen Weg wieder zurückfahren. Die Trebbiner Straße könnte so auch eine neue Verbindung in den Ostpark werden. Der Haupteingang des Technikmuseums läge dann nicht mehr in einer Sackgasse.
In der Arbeitsgruppe Städtebau wurde die 20 m breite Straße zwischen dem neuen S 21-Bahnhof und dem Viadukt der U 2 auf 8 m Breite reduziert, nach dem Vorbild der Passage am Savignyplatz. Dies würde bedeuten, dass die neue S-Bahn abschnittsweise oder ganz überbaut würde. Es wäre schon bitter, wenn hier ein neuer Bahnhof in luftiger Höhe entstünde, aber ohne Tageslicht auskommen müsse, als käme man im Keller an, bemerkte einer der Teilnehmer.
Vom Hochhausrausch zum Hochhauskater
Auch diesmal gab Prof. Machleidt wieder eine Anekdote zum besten. Am 13. November war er derjenige gewesen, der sich am enthusiastischen für ein Hochhaus eingesetzt hatte. Nun einen einen Monat später schien er unter Hochhauskaterstimmung zu leiden. Warum auch immer – Prof. Machleidt begann die Geschichte des Steglitzer Kreisels zu erzählen, wie der vom Hoffnungszeichen zum Symbol der Westberliner Pleite wurde, und wie der Bezirk Steglitz die Präsenz dieses Pleite-Symbols nicht mehr ertragen konnte und deswegen beschloss, seine Verwaltung in das Hochhaus zu verlegen, damit es nicht leersteht. Und schließlich, wie das Bezirksamt in Folge dann jahrelang den doppelten Betrag an Mieten hat aufbringen müssen . . . Leider konnte Prof. Machleidt seine Ausführungen diesmal nicht zu Ende bringen. Er wurde unterbrochen durch den Zwischenruf „Endlich mal mutig sein – das haben Sie doch das letzte Mal gesagt, was ist los mit Ihnen?“ Und die Moderatorin nutzte die Unterbrechung, um an den knappen Zeitplan zu erinnern. Schade, ich hätte die Anekdote gerne zu Ende gehört. Aber Prof. Machleidt kehrte brav zur Tagesordnung zurück und erläuterte die drei in der Arbeitsgruppe Städtebau diskutierten Modelle:
- Das Modell Schweizer Käse, ein Block wird über das Baufeld gelegt, aus dem dann Löcher gefräst werden für die S 21, für die beiden vorhandenen U-Bahnen, für Durchgänge und Durchblicke.
- Das Model Hochhaus, das ganz an der nördliche Spitze des Baufläche gesehen wird. Südlich der U1 dann ein langer Riegel parallel zu U 2 und S 21, der aber so breit ist, dass der Bahnhof der S 21 in dem Riegel verschwindet.
- Das Sägezahn-Modell, ein langer Riegel, auf den ein regelmäßigen Abständen Turmbauten aufgesetzt werden.
Allen Modellen war gemeinsam, dass für den südlichsten Teil des Baufeldes, also für die an das Poststellwerk und die Skateranlage angrenzende Fläche, an eine niedrige Bebauung gedacht ist, die sich an den Höhen der angrenzenden Halle des ehemaligen Postbahnhofs orientiert. In den Konzeptskizzen ist dort eine organische Form eingezeichnet, von einem der Teilnehmer als Gartenamöbe bezeichnet. Dies zumindest könnte eine gute Nachricht für den Park sein. Ein hohes Gebäude an dieser Stelle könnte so wirken, als würde ein Keil zwischen die beiden Teile des Gleisdreieckparks geschoben und die Trennung zwischen Ost- und Westpark könnte noch verstärkt werden.
Abriss des Ringbahnviadukts mit Handschlag besiegeln?
Über den Abriss des Ringbahnviadukts wurde nicht gesprochen. Mein Fehler war, dass ich das Thema in der Arbeitsgruppe Verkehr nicht angesprochen habe, sondern gewartet habe, das es im Plenum dazu kommt. Bei der Begehung am 3. 12. 14 war verabredet worden, dass am 11. 12. 14 darüber gemeinsam entschieden werde. Doch dazu kam es nicht. Als ich es dann ansprach, war es zu spät, die Versammlung schon im Aufbruch. Herr Guediri, Geschäftsführer der Copro erklärte mir daraufhin, dass ab Montag weiter abgerissen würde, aber die letzten drei Bögen (von ehemals ca. 50) würde er stehen lassen. Dabei ergriff er meine Hand, um meine Zustimmung zu erlangen. Meine Hand festhaltend erklärte er, er wolle, dass wir beide mit gutem Gefühl hier herausgingen, deswegen mache er mir dieses Angebot. Und da ich meine Hand nicht sofort zurückzog, interpretiert er dies sofort als Zustimmung meinerseits – die ich jedoch nicht gegeben hatte und dies auch sofort klarstellte. Meine Gegenfrage, ob dies ein Tauschhandel sein soll, verneinte er, meine Forderung wenigsten die letzten sechs Bögen stehen zu lassen, ebenso. Das ginge nicht aus sicherheitstechnischen Gründen, schließlich trage er die Verantwortung. Und nun warf er mir Wortbruch vor. Ich hätte ihm doch meine Hand gegeben . . . Ich ging natürlich nicht mit einem guten Gefühl aus dieser Veranstaltung, sondern mit Ärger über mich selbst, dass ich das Thema nicht rechtzeitig angesprochen hatte und über den Versuch von Herrn Guediri, mich zu überrumpeln.
Dieser Vorfall steht programmatisch für die Situation. Angeblich ist nichts fixiert, es gäbe keine fertigen Pläne, alles sei offen und transparent. Das Baufeld „Urbane Mitte“ sei ein unbeschriebenes Blatt, das nun mit Ideen aufgefüllt werde, heißt es. Wäre das die ganze Wahrheit, wäre es kein Problem gewesen, mit dem Abriss des Ringbahnviadukts ein paar Monate bis zu Ende der Diskussion warten.
Echter Dialog braucht Geduld. Das bedeutet auch Zuhören und Abwarten, was die Dialektik von Rede und Gegenrede ergibt. Diese Geduld hatten die Eigentümer nicht. Offensichtlich vertrauten sie nicht ihren eigenen Argumenten, die für einen Abriss des Viadukts sprechen. Sie wollten Fakten schaffen, jetzt durch den Abriss, um jeden Preis. Auch um den Preis, den Dialog zu beschädigen.
Zum “Bürgerdialog” am 13. und 14. Dezember
Die Veranstaltung heute und morgen in der Luckenwalder Straße, jeweils 12 bis 17 Uhr, wird ein unübersichtliches Format, mit diversen Gruppen und Einzelpersonen, zu unterschiedlichen oder zu gleichen Zeiten, an gemeinsamen und verschiedenen Tischen. Und niemand wird an den zwei Tagen über den gesamten Zeitraum mit dabei sein und alle Ergebnisse mitkriegen und bewerten können. Die Dokumentation und Weitergabe der Ideen ist dann Aufgabe der Moderatorinnen des Stadtplanungsbüros, die jedoch nicht unabhängig sind, sondern Auftragnehmerinnen der Eigentümer. Das Verschweigen der Meinungsäußerungen von der letzten Veranstaltung zum Abriss des Ringbahnviadukts durch die Moderatorinnen zeigt die Grenzen dieses Verfahrens auf. Die Ideen und Meinungen werden nicht 1:1 und gleichberechtigt weitergegeben, sondern es wird gefiltert. Aus einer unübersichtlichen Anzahl von Ideen und Meinungsäußerungen, sortiert man in wichtig und unwichtig. Das ist menschlich.
Ohne unabhängige Moderation geht das in der Regel schief – eine grundlegende Erfahrung aus vielen anderen Beteiligungsverfahren.
Matthias Bauer