188,11 € für wertloses Papier

Anfrage zur Entwidmung von Bahnflächen im Bereich Yorckdreieck/Gleisdreieck und Bautzener Brache an das Eisenbahnbundesamt

Im Februar 2014 wurde über das Portal „Frag-den-Staat“ eine Anfrage gestellt, um Informationen zu bekommen zu den Bahnflächen, bzw. zur Entwidmung von Bahnflächen im Bereich Yorckdreieck/Gleisdreieck und Bautzener Brache. Inzwischen hat das Eisenbahnbundesamt einen Bescheid erlassen. Laut diesem Bescheid soll der Antragsteller 188,11 € für mehr oder weniger wertloses Papier bezahlen. Die Dokumente mit den entscheidenden Informationen sollen jedoch unter Verschluss bleiben. Begründung: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG, bzw. einer ihrer Konzerntöchter würden preisgegeben und dies könne zu ungerechtfertigten Vorteilen für Wettbewerber führen. Gegen den Bescheid des Eisenbahnbundesamtes wurde Widerspruch eingelegt.

Zum Hintergrund der Anfrage

Im Bereich Gleisdreieck, Yorckdreieck und Bautzener Brache wurden in den letzten Jahren zahlreiche Flächen von der CA Immo/VIVICO REAL ESTATE GmbH an Private verkauft. Teilweise sind diese Flächen noch gewidmetes Bahngelände. Dies wurde bekannt im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zum Baumarkt Hellweg im Yorckdreieck. Für Hellweg sind die Bahnflächen nur unerwünschter Beifang, nicht verwertbar.

Zum großen Teil jedoch wurden die privatisierten Flächen als Bahngelände entwidmet und grenzen sehr nahe an vorhandene, bzw. geplante Bahntrassen an, z. B. an die Trassen der S21 und der Stammbahn nach Potsdam.

Laut Eisenbahnneuordnungsgesetz [http://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnneuordnungsgesetz] von 1993 sollte die VIVICO [http://de.wikipedia.org/wiki/CA_Immo_Deutschland], die früher Eisenbahnimmobilienmanagement GmbH hieß und die 2007 von der Bundesrepublik Deutschland an die CA Immo aus Österreich verkauft wurde, nur die Flächen verwerten, die die Bahn nicht mehr für ihren Betrieb braucht. Die Aufteilung der Flächen hat jedoch im Detail nicht immer richtig geklappt und daraus ergeben Auswirkungen auf die zukünftigen Entwicklung der Bahn in diesem Bereich. Zwei Beispiele:

Yorckdreieck: Umsteigen zwischen S2/S21 und U7

Im Yorckdreieck wird zur Zeit der Umbau des S-Bahnhof der S2 mit neuer Umsteigebeziehung zur U7 geplant, als Ersatz für das jetzige Provisorium, bei dem auf der Nordseite der Yorckstraße der Bürgersteig zur Hälfte eingeschränkt wird. Für diesen Umsteigepunkt wird mit ca. 40.000 Fahrgästen täglich gerechnet, die natürlich Platz brauchen. Der zum Umsteigen notwendige Platz ist jedoch als Bahngelände entwidmet und von der VIVICO an den Baumarkt Hellweg verkauft worden, der auf diesem Teil des Grundstückes einen Lebensmitteldiscounter errichten möchte. Würde das so gebaut wie von der Firma Hellweg angestrebt, müssten sich täglich ca. 40.000 Fahrgäste durch eine enge Schlucht zwischen der Rückseite des Supermarktes und der Bahnböschung zwängen.

Bautzener Brache: Baugrundstück reicht bis unmittelbar an die Trasse der S-Bahn ran

Südlich der Yorckstraße entlang der Bautzener Straße soll das entwidmete Bahngelände zum Baugrundstück für Wohnungsbau werden. Die auf diesem Gelände geplanten Bauten reichen laut Bebauungsplanentwurf für die Bautzener Brache, der im September und Oktober diesen Jahres ausgelegt wurde, an manchen Stellen bis auf 10 m an die westlichste Gleisachse der S-Bahn heran. Abgesehen davon, dass der Lärmschutz der Wohnungen dort kaum zu bewältigen ist, fehlt in den im Oktober ausgelegten Unterlagen zum B-Plan auch eine ausreichende Rettungs- und Versorgungszufahrt zum Bahnhof. Ohne ausreichenden Platz auf der Westseite ist die Logistik für den geplanten, notwendigen Umbau des Bahnhofs kaum machbar. Von der Ostseite des Bahnhofs kann die Logistik nicht erfolgen, dort liegen die Gleise der Fern- und Regionalbahn. Beim Umbau des S-Bahnhofs sollte dieser auch eine Erschließung an seinem südlichen Ende bekommen. Der ausgelegte B-Plan-Entwurf für die Bautzener Brache hat jedoch gezeigt, dass diese Erschließung nicht ausreichend bedacht wurde.

Diese beiden Beispiele lassen vermuten, dass die Notwendigkeiten des zukünftigen Bahnverkehrs bei den Entbehrlichkeitsprüfungen, die jeweils vor einer Entwidmung eines Bahngeländes stattfinden müssen, nicht ausreichend beachtet wurden.

Diesen Fragen auf den Grund zu gehen, war das Anliegen der Anfrage über das Portal „Frag-den-Staat“, die nun seit Februar 2014 läuft. Eine erste, zu allgemein gestellte Anfrage vom November 2013 war zuvor schon ohne Ergebnis geblieben.

 188,11 € für wertloses Papier

Dem Antragssteller wurde zwar mit dem Bescheid des Eisenbahnbundesamtes vom 5. 11. 2014 verbal ein Recht eingeräumt auf Zugang zu den beantragten Informationen. De facto wird das Recht aber so weit eingeschränkt, dass in den zu überlassenden Unterlagen nur Daten stehen, die teilweise auch auf andere Weise, kostenfrei öffentlich zugänglich sind, für die hier jedoch 188,11 € bezahlt werden müssen und die inhaltlich wahrscheinlich nicht weiterhelfen werden. Argumentiert wird, dass mit der Bekanntgabe der Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG, bzw. einer ihrer Konzerntöchter preisgegeben würden und dies zu ungerechtfertigten Vorteilen für Wettbewerber des Unternehmens und der DB AG führen könnte.

Zu den Freigaben bzw. vielmehr zu den Einschränkungen werden im Einzelnen folgenden Aussagen gemacht:

Bautzener Brache, Aktenzeichen, 51132 Paw/250

  •  Es wird nicht mal das Deckblatt zum Antrag auf Freistellung als Bahngelände freigegeben. Wahrscheinlich enthält das Deckblatt die Angabe, wer den Antrag auf Freistellung gestellt hat. Soll niemand wissen, wer den Antrag gestellt hat? Aus einer parallel laufenden Anfrage an das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist zumindest bekannt geworden, dass der Antragsteller hier das „Eisenbahninfrastrukturunternehmen“ VIVICO REAL ESTATE GmbH war. Laut Bescheid des Eisenbahnbundesamtes sollte womöglich sogar diese Information der Geheimhaltung unterliegen.
  • Das Antragsschreiben, der Freistellungsplan und Auszug aus dem Liegenschaftskataster werden freigegeben, aber nur mit Schwärzung von Daten. Auszüge aus dem Liegenschaftskataster hat der Antragsteller selbst der Behörde zugesandt, die ihn gebeten hatte, die fraglichen Flächen genau zu bestimmen. Nun soll er die Katasterauszüge teilweise geschwärzt zurückbekommen. Ebenso wenig ist nach vollziehbar, warum Luftbilder und das Antragsschreiben, in dem die Flächen verbal beschrieben werden, der Geheimhaltung unterliegen sollen.
  • „Keine Bereitstellung“ heißt es bei folgenden Dokumenten
    • Nachweis der Rechtsnachfolge und der Vertretungsberechtigung
    • Darlegung und Nachweise der Eigentumsverhältnisse, Grundbuchauszüge
    • Erklärung über die Entbehrlichkeit (Stellungnahmen)
    • Maßnahmen und Stellungnahmen zur Erreichung der Freistellung
    • Versicherung der Freistellung
    • Erklärung zu §11 und 13 AEG

Gleisdreieck/Yorckdreieck, Aktenzeichen, 51132 Paw/189

  • wird bereitgestellt ohne Schwärzung von Daten lediglich ein Ãœbersichtsplan
  • mit Schwärzung von Daten sollen bereitgestellt werden :
    • Erläuterungen zum Antragsschreiben
    • das Antragsschreiben
    • der Freistellungsplan
    • Auszug aus dem Katasterplan
    • Liegenschaftskataster
  • „Keine Bereitstellung“ heißt es bei folgenden Dokumenten:
    • Kaufvertragsunterlagen
    • Darlegung und Nachweise der Eigentumsverhältnisse, Grundbuchauszüge
    • Erklärung über die Entbehrlichkeit (Stellungnahmen)

Ohne diese Dokumente, die vollständig zurückgehalten gehalten, bzw. geschwärzt werden sollen, ist der eigentliche Zweck der Anfrage nicht zu erreichen. Insbesondere auf den Dokumenten „Erklärung über die Entbehrlichkeit (Stellungnahmen)“ und „Maßnahmen und Stellungnahmen zur Erreichung der Freistellung“ muss die Abwägung basieren, die vor einer Entwidmung als Bahngelände stattfinden muss. Zitat:

. . . Im Rahmen des Freistellungsverfahrens ist zu klären, ob die Bahnflächen dauerhaft nicht mehr für den Eisenbahnverkehr benötigt werden, d.h. „freistellbar“ sind . . .

. . . Solange die vom Freistellungsantrag betroffenen Flächen weiterhin für Betriebsanlagen der Eisenbahn und damit für die Abwicklung oder Sicherung des Reise- und Güterverkehrs objektiv benötigt werden, sind sie einer Freistellung von Bahnbetriebszwecken nicht zugänglich . . „

Zitat aus Präsidialverfügung zur „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“ (§ 23 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)) und zu Fragestellungen in Verbindung mit dem kommunalen Planungsrecht, 31.10.2005

Wie diese Klärung im konkreten Fall erfolgte, dies zu erfahren, läge eigentlich im öffentlichem Interesse, wird aber durch den Bescheid des Eisenbahnbundesamtes verhindert.

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse wichtiger als die Information der Öffentlichkeit?

Diese Informationen einfach zu „Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ zu erklären, ist sicher nicht angemessen. Allenfalls bei Kaufverträgen und Grundbuchauszügen ist vorstellbar, dass einzelne Passagen aus Konkurrenzschutzgründen geschwärzt werden müssten. Nicht nachvollziehbar ist dies bei den Dokumenten, in denen Fragen der Betriebsnotwendigkeiten des Bahnverkehrs behandelt werden.

Welche Konkurrenz zur Deutschen Bahn AG, bzw. zu einer ihrer Konzerngesellschaften könnte denn aus diesen Informationen Vorteile ziehen? Und wenn es tatsächlich eine solche Konkurrenz gäbe, müssten immer noch die berechtigten Interessen der Öffentlichkeit auf Zugang zur Information abgewogen werden gegen das Interesse der Deutschen Bahn auf Geheimhaltung. Im Bescheid ist nicht erkennbar, dass eine solche Abwägung erfolgt ist.

Materialien

Die verschiedenen Anfragen über das Portal “Frag-den-Staat” mit allen einzelnen Schritten, auch der Bescheid des Eisenbahnbundesamtes vom 5.11.2014 und der Widerspruch vom 8. 12. 14 gegen den Bescheid  können hier nachgelesen werden:

Yorchdreieck-Bautzener-Brache-08-12-14-650
Überlagerung Bahnplanung, B-Plan Bautzener Brache und Supermarkt Hellweg. Durch Klick vergrößerte Ansicht laden.

 

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