Text: Günter Piening, Fotos: Uli Klose
“Hochhäuser im Gleisdreieck – Wer will denn sowas?” fragt die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck im September in den Gesprächen am Bauzaun. Nach der ersten Veranstaltung am 4. September steht fest: Zumindest die Grünen wollen die Urbane Mitte nicht.
Sarah Jermutus, Fraktionsvorsitzende in Friedrichshain-Kreuzberg, und Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen Abgeordnetenhausfraktion und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, brachten alle jene Argumente gegen das Projekt vor, die auch von der Aktionsgemeinschaft und den Naturschutzverbänden immer wieder betont werden: Die Urbane Mitte versiegele den Boden und zerstöre eine wichtige Frischluftschneise, es entstehe keine einzige Wohnung, und sie entwerte den Park als eine der historischen Bahnlandschaft angepasste Erholungsfläche für die Nachbarschaft. Bezirksfraktion und Abgeordnetenhausfraktion der Grünen scheinen sich einig: Die Urbane Mitte, vor 17 Jahren geplant, passt heute überhaupt nicht mehr in die klima- und stadtpolitischen Erfordernisse und sollte nicht realisiert werden.
Und warum wird das Baugenehmigungsverfahren für die beiden Südtürme an der Skaterbahn trotzdem durch den Grünen Stadtrat Florian Schmidt vorangetrieben, so dass der Investor von einem Baubeginn Anfang 2023 ausgeht? Julian Schwarze nennt den städtebaulichen Rahmenvertrag zwischen Investor und der Senatsbauverwaltung als Ursache. Dieser Knebelvertrag gab dem Investor im Jahr 2005 das Recht, diese sieben Türme zu bauen. Land und Bezirk ist jede Möglichkeit versperrt, im Nachhinein auf die Planung Einfluss zu nehmen – wenn der Investor nicht will. Und der besteht auf den Hochhäusern. Die einzige Möglichkeit wäre, das Grundstück zurückzukaufen – theoretisch. Denn das dürfte teuer werden. Das Stück Boden, das der Investor, die COPRO (früher Berlin, jetzt Luxemburg!), damals zum Schnäppchenpreis von ca. 8 Mio. € bekam, dürfte heute um ein Vielfaches teurer sein. Julian Schwarze:
So einen Vertrag würden wir heute nicht mehr abschließen. Das ist ein wichtige Lehre aus der Urbanen Mitte.”
Trotz des Rahmenvertrages wird auf verschiedenen Ebenen versucht, den Handlungsspielraum zu vergrößern und das Projekt doch noch aufzuhalten. Matthias Bauer von der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. wies darauf hin, dass es bei der ersten Auslegung des Bebauungsplan 2016 mehr als 200 kritische Einwendungen von Bürgern und Naturschutzverbänden gegen das Vorhaben gegeben hat. Bei der zweiten Auslegung des Plans für den südlichen Bereich Ende 2020 und Anfang 2021 waren es vermutlich noch mehr. Die Argumente, die von 12 lokalen Initiativen im Stadtentwicklungsausschuss im April 2021 vorgetragen wurden, haben dann dazu geführt, dass es bis heute kein Baurecht gibt. Eine dritte Auslegung des inzwischen überarbeiteten Plans sei für den Herbst diesen Jahres geplant.
Julian Schwarze sieht einen Hebel im Koalitionsvertrag von 2021, in dem es heißt:
Es wird geprüft, ob und inwieweit der städtebauliche Vertrag zur Urbanen Mitte den aktuellen klimapolitischen Aufgaben und den Bedarfen vor Ort noch gerecht wird und eine Anpassung von Art und Maß der Bebauung ermöglicht wird.”
Er konnte berichten, dass die Senatsbauverwaltung aufgrund dieser Passage eine Stellungnahme vom Bezirk angefordert habe. Vor dort habe man eine “sehr kritische” Stellungnahme zurückgeschickt, die nun wiederum von der Senatsverwaltung bewertet werden müsse. Das Ergebnis werde eine Stellungnahme sein, über die dann die Fraktionen befinden müssen. Julian Schwarze:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es aus der Grünen Fraktion eine Zustimmung für dieses Projekt geben wird.”
Dem schloss sich auch Sarah Jermutus für den Bezirk an, wo derzeit aufgrund der vielen neuen Abgeordneten der Findungsprozes noch nicht abgeschlossen sei.
Also doch noch Hoffnung? In Einem waren sich die diskutierenden Bürger:innen und die Grünen Politiker:innen einig: Ob die geringen Spielräume genutzt werden, wird entscheidend mitbestimmt durch die kritische Begleitung der Planungsprozesse durch Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände und durch eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit.
Am Sonntag, 11.9. um 14 Uhr werden Katalin Gennburg und Gaby Gottwald von der LINKEN am Bauzaun Rede und Antwort stehen.
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