Mehr Hitze, mehr Wind

Die ökologischen Folgen der Hochhäuser am Gleisdreieck

Die negativen ökologischen Folgen der geplanten Bauten in der Urbanen Mitte werden gravierend sein – wenn sie so wie geplant gebaut werden. Dabei spielen zwei Faktoren eine besondere Rolle: die fast 100% Versiegelung des Bodens sowie die Geometrie der Gebäude. Beides zusammen sorgt für die Erwärmung der Luftemperaturen um 2-3 Grad im Umfeld der Gebäude bei gleichzeitiger Erhöhung der Windgeschwindigkeiten und gleichzeitiger Reduzierung des Kaltluftvolumenstroms.

Die verschiedenen Gutachten zum Bebauungsplan – bei aller Parteilichkeit und Unvollständigkeit – sind eine unfreiwillige Dokumentation der negativen Auswirkungen. Doch Konsequenzen werden aus den Erkenntnissen nicht gezogen. Stattdessen wird behauptet, die Umgebung sei für die negativen Folgen unempfindlich oder es gäbe keine nennenswerten Beeinträchtigungen. Paradox: einerseits wollen die Macher der Urbanen Mitte proftieren von den räumlichen, kulturhistorischen und ökologischen Qualitäten des Gleisdreiecks. Anderseits verbrauchen sie diese zugunsten ihrer Vorhaben.

Versiegelung

Das Baugrundstück Urbane Mitte Süd soll zu fast 100% versiegelt werden. In der Begründung wird dargestellt, dass das Niederschlagwasser abgeleitet werden soll in die Mischwasserkanalisation oder nach Vorreinigung in den Landwehrkanal. Beides ist problematisch. Die Mischwasserkanalisation entlang des Landwehrkanals ist in den letzten Jahren bei Starkregen immer wieder übergelaufen, wodurch mehrfach Fischsterben im Landwehrkanal verursacht wurden.

Durch die Ableitung des Niederschlagswassers anstelle von Versickerung und Verdunstung vor Ort wird es zu einer

lokalen Zunahme der Temperatur um 2-3°C“

im Umfeld des Geltungsbereichs des Bebauungsplan kommen, heißt es Seite 78 der Begründung. Angeblich sei dies unerheblich, da die benachbarten Flächen hierfür unempfindlich seien, wie der Fernradweg und die Eisenbahnstrecke.

Mit dieser Behauptung wird ignoriert, dass der Park am Gleisdreieck als ökologische Ausgleichsfläche für die Bauten am Potsdamer und Leipziger Platz konzipiert wurde. Als folgenreichster Eingriff durch die Bauten am Potsdamer und Leipziger Platz wurde in den 1990er Jahren der Eingriff in das Stadtklima ermittelt. Die damaligen Gutachter befürchteten, dass um den Tiergarten ein geschlossener Wärmering entsteht und so das Stadtklima der gesamten Innenstadt um 1-2 Grad im Jahresmittel steigen würde. Zur Kompensation forderten sie die Anlage einer naturnahen Parkanlage auf dem Gleisdreieck sowie das Freihalten der vom Tiergarten über das Bahngelände bis zum südlichen Stadrand verlaufenden Frischluftschneise von weiteren geometrischen Hindernissen.

Die nun geplante Bebauung schiebt sich zwischen den grünen Außenbereich des Technikmuseums und den als ökologische Ausgleichmaßnahme geschaffenen Park. Diese Flächen sind nicht unempfindlich, sondern sie wirken temperierend auf unser Stadtklima weit über den Park hinaus.

Außer den erhöhten Temperaturen werden die Hochhäuser auch den Luftaustausch beeinflussen. In der Begründung zum Bebauungspan auf Seite 78 heißt es;

Im Nahbereich der geplanten Gebäude kommt es erwartungsgemäß zu den stärksten Reduktionen des bodennahen Windfelds um bis 0,2 m/s. Die Abnahmen bleiben im Wesentlichen auf das Plangebiet südlich der STATION Berlin begrenzt. Kleinräumig kommt es zu einem Anstieg der Strömungsgeschwindigkeiten, diese nehmen im Süden 0,2 m/s ein. Durch die Planung ergibt sich ein planbedingter Rückgang des Kaltluftvolumenstroms um bis zu 25 Prozentpunkte, im Bereich des Plangebietes und nördlich davon. Südöstlich ergibt sich eine kleinräumige Abnahme von 10 Prozentpunkten. Dies stellt aber keine nennenswerte Beeinträchtigung dar, da hier keine empfindlichen Nutzungen bestehen.

Die weiter unten gezeugte Abbildung aus der Studie zum Windkomfort zeigt die roten Bereiche nicht südlich der STATION wie in der Begründung auf Seite 78 behauptet, sondern vor allem westlich der Hochhäuser. Das sind die Flächen, auf denen kein ausreichender Windkomfort mehr gegeben sein wird. Der rote Bereich liegt vor allem im Westpark außerhalb des Baugebietes Urbane Mitte. Auf Seite 24 der Studie zum Windkomfort heißt es:

Auf einem kleineren Teil der Flächen (45 %) werden die Windkomfortkriterien nicht erfüllt. Dies liegt an der Anordnung und relativ großen Höhe der geplanten Gebäudestrukturen und ist als typisch für eine solche Bebauung anzusehen.

Rot-orange die Flächen ohne Windkomfort. Schwarz die für die Windmodellierung berücksichtigte Bebauung. Es fehlen alle Bauten, die seit Anfang der 1990er Jahre entstanden sind. Abbildung Seite 20 aus der Studie zum Windkomfort der GEO-NET Umweltconsulting GmbH vom Oktober 2018

Dabei betrachtet die Studie einen 1800 m x 2800 m großer Bereich um den Geltungsbereich der Bebauungspläne Urbane Mitte Nord und Süd. Schwarz ist die vorhandene Bebauung eingezeichnet.

Was fehlt?

Alle Bauten, die seit den 1990er Jahren entstanden sind: Potsdamer Platz im Norden, Flottwell- und Dennewitzstraße westlich, der Baumarkt im Yockdreieck und der Möckernkiez südlich. Die Studie geht bei der Modellierung der durch die Hochhäuser der Urbanen Mitte veränderten Windgeschwindigkeiten aus vom Bebauungszustand Ende der 1980er Jahre! – und kommt dennoch zu diesen fatalen Ergebnissen.

Keine nennenswerte Beeinträchtigung? Keine empfindlichen Nutzungen betroffen?

Eine ernsthafte Auseindersetzung mit den ökologischen Folgen des Projekts findet nicht statt. Stattdessen immer wieder Verharmlosung der Folgen durch stereotype Wiederholungen von Worthülsen:

keine nennenswerte Beeinträchtigung – keine empfindlichen Nutzungen betroffen – die einzelnen Beeinträchtigungen der Schutzgüter führen im Plangebiet nicht zu Effekten, die sich untereinander verstärken – es ist aber nicht von erheblichen Beeinträchtigungen durch den Bau auszugehen . . .

Dazu noch schlampig gemachte Gutachten.

Vorschlag

Die Bebauung sollte soweit reduziert werden, dass Versickerung und Verdunstung vor Ort weiter möglich bleibt auf natürliche Weise sowie durch technische Maßnahmen wie Rigolen. Zusätzlich könnte die Begrünung der Dächer hilfreich sein. Nicht nur 15% sondern 100% der Dachflächen könnten als Gründächer gestaltet werden und so Regenwasser zurückhalten. Die Volumen und Höhen der Gebäude sollten soweit reduziert werden, dass die Radler nicht gegen erhöhte Windgeschwindigkeiten anstrampeln müssen und der Aufenthalt auf den Holzterrassen im Westpark angenehm bleibt – klingt unrealistisch, oder?

2 Kommentare zu “Die ökologischen Folgen der Hochhäuser am Gleisdreieck

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert