Seit rund vier Wochen ziert der elegante Schriftzug „I ONLY SEE THE MONEY IN YOUR EYES“ einen der Neubauten auf der ehemaligen Bautzener Brache. Das Graffiti befindet sich auf der nördlichsten Fassade, die sich der Yorckstraße zuwendet. Unterzeichnet ist die Aussage mit einem kleinen A im Kreis und mit dem Namen IKAR. Den waagrechten Abschluss des senkrecht über mehrere Etagen verlaufenden Schriftzuges bildet ein kleines „FUCK“. IKAR ist das Pseudonym des Künstlers, der Teil der „Berlin Kidz“ ist.
Die Entstehungsgeschichte ist abenteuerlich. Als der Autor sich nachts abseilte, wurde er mitten in der Arbeit erwischt von einer Polizeistreife. Lautstark forderten die Beamten den Maler auf, herunterzukommen. Der antwortete brav – Moment, ich komme gleich – vollendete jedoch in Ruhe sein Werk und ließ sich dabei auch nicht stören von weiteren Rufen der Ordnungshüter. Nach getaner Arbeit kletterte er am Seil nach oben und verschwand über die Dächer der Baustelle, wie einst in Hitchcocks „Über den Dächern von Nizza“.
Nun, vier Wochen später soll der Schriftzug entfernt werden. Für 5000.- € sollen die Fassadenplatten, die das Gebäude wie einen Bunker aussehen lassen, erneuert werden. Dies ergab ein zufällig mitgehörter Wortwechsel mit einem Herrn, der mit Bauhelm behütet aus der riesigen Tiefgaragenöffnung zur Yorckstraße hochkam. „Wollen Sie das bezahlen?!“ rief er wütend.
Natürlich nicht, warum auch? Was spricht denn dagegen, die Fassadenplatten mit dem Schriftzug einfach zu belassen? Herr Semer, Sie bekommen hier Kunst am Bau zum Nulltarif! Lassen Sie sich mal von der GEWOBAG erläutern, wie viel Geld die Stiftung Leben für die Street-Art-Künstler in der Urban Nation in der Bülowstraße ausgegeben hat. Hier dagegen ist die Kunst authentisch und umsonst, sie ist das Geschenk eines Künstlers aus dem Kiez und sie drückt aus, was viele empfinden.
Die Ereignisse der letzten Monate zeigen, dass „I ONLY SEE THE MONEY IN YOUR EYES“ nicht nur ein Gefühl ist:
- Die hochpreisigen Mieten bis zu 18 €/ m²
- die nicht transparente Vermietung der 45 kleinen, preisgebundenen Wohnungen auf ca. 10% der Fläche, deren Vergabe einer Lotterie ohne Aufsicht eines Notars gleicht, hier beschrieben: http://barbaradribbusch.de/1042/ein-recht-auf-innenstadt/
- Die exzessive Ausweitung der Gewerbefläche. Im Hochbunker an der Yorckstraße, soll die Fitnesskette FitOne einziehen, in der Bautzener Straße ein REWE-Großmarkt mit eigenen Tiefgaragenparkplätzen.
- Der „Share Deal“, mit dem Herr Semer 75% seiner Anteile an die Hamburg Team Investment Management (HTIM) abgegeben hat.
- Die Vermarktung mit dem Slogan „Neu-Schöneberg“ der den neuen Mietern zu Zugehörigkeit zum Kiez suggerieren soll, während gleichzeitig die Wohnungen für die meisten im Kiez unerschwinglich sind.
Nachtrag 26.06.18 abends
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