Nur noch wenige Wochen sind es, bis der Park auf dem östlichen Teil des Gleisdreiecks, dem Anhalter Güterbahnhof eröffnet werden wird. Am Samstag, den 3. September – am selben Tag findet auch das traditionelle Hornstraßenfest statt – wird auf dem ehemaligen Anhaltergüterbahnhof ab 10 Uhr ein „Bürgerfest“ mit Infoständen, Musik und Essen stattfinden. Auch die politische Prominenz wird nicht fehlen. Welche Geste ist der Eröffnung des von den Planern „Ostpark“ genannten Teils des Gleisdreieck angemessen?
Darüber zerbrechen sich jetzt schon einige Leute die Köpfe. Das Durchschneiden eines Bandes wie bei der Einweihung von Autobahnen ist sicher nicht angemessen. Das liegt auch daran, dass es Dank des Einsatzes von Bürgern und Bürgerninitiativen eben keine Autobahn und kein Busbahnhof sondern ein Park geworden ist. Auch dass das „Great Wheel“ – das weltgrößte Riesenrad – nicht hier sondern am Zoo pleite gegangen ist, ist nicht der Politik, sondern dem Engagement der Bürger zu verdanken.
Trotzdem wird die Eröffnung des Parks von vielen mit gemischten Gefühlen erwartet. Zu viel von dem, was die Fläche berühmt gemacht hat, die Mischung aus wild gewachsener Natur und historischen Spuren des ehemals größten Berliner Bahnhofs ist von den Planern der Grün Berlin GmbH, der Senatsverwaltung und dem Atelier Loidl in den letzten vier Jahren plattgemacht worden.
Ein kleines, einprägsames Beispiel für diesen Verlust ist der Aufgang an der Möckernstraße auf Höhe der Wartenburgstraße. Ein Rampe mit 120 Jahre altem Pflaster führte, gesäumt von wilden Grün und hohen Bäumen vom Straßenniveau auf die höher liegende Fläche des Bahngeländes. Erst wollten die Planer die Rampe völlig entfernen. Nach Protesten der Anwohnervertreter wurde sie in die Planung integriert. Doch was sehen wir jetzt? Die großen Bäume sind verschwunden, ebenso das historische Pflaster, das Unterholz sowieso. Anstelle der grünen Böschungen flankiert nun eine Konstruktion aus gefärbten Betonfertigteilen den Aufgang.
Die Rampe mit dem wunderbaren Pflaster war der erste öffentliche Zugang zum Park. Im März 2005 wurde hier mit sanfter Gewalt von hunderten Leuten das Tor aus den Angeln gehoben, um sich Zugang zum Gelände zu verschaffen. Bis zum Beginn der Bauarbeiten für den Park gab es hier einen provisorischen Park, den alle Beteiligten in guter Erinnerung haben. Die Kolumnistin der Bild am Sonntag, Katharina von der Leyen beschreibt diesen Park so:
Ich habe so etwas in keiner Großstadt je gesehen: ein informeller, großer Garten mitten im tosenden Kreuzberg, ein fast heimlicher, paradiesischer Ort, in dem es keinen Vandalismus gab, alle lebten friedlich miteinander. Aber dann sollte es ein „richtiger“ Park werden. Die Flächen wurden gerodet, der Wildpflanzenbewuchs zerstört und zahllose Bäume gefällt, um die üblichen, kilometerlangen Wiesenflächen entstehen zu lassen. Seit vier Jahren tut sich nur wenig. Die vielen Tiere, die hier lebten, sind weg, weil sie auf den kahlen Brachflächen nichts mehr zu suchen haben. Ein seltener alter Pfirsichbaum – abgeholzt.
aus Bild am Sonntag, 28.05.2011, Link zum Artikel
Rational ist die Kahlschlagsanierung der historischen Spuren und des Grüns entlang der Möckernstraße nicht zu erklären. Hatten die Planer zu viel Geld? Konnten sie es nicht ertragen, dass Bürger hier schon mal ohne sie „Park“ gemacht hatten? Ist es ihre Unfähigkeit, abstrakte Planungsideen in der Auseinandersetzung mit der Realität vor Ort weiterzuentwickeln? „Wir machen einen Park für hunderttausende, nicht für ein paar Kreuzberger Aktivisten“ war ihr einziges, immer wiederholtes Argument. Das Ergebnis: die Phantasie ist abgewandert, in die Prinzessinengärten, in den Mauerpark, ans Spreeufer. Die Natur wird sich vom Eingriff durch die Planer erholen, die historischen Spuren jedoch sind unwiederbringlich verloren.
Neue Leute kommen nach Berlin, sie werden den neuen Park mit anderen Augen sehen, ohne die Bilder der Vergangenheit im Kopf. Ob sie, wie vorgesehen ihr Handtuch auf der großen Wiese auslegen, ob sie die straßenartigen Wege, die aus verschiedenen Materialien bestehen (Asphalt für Radfahrer, rotgefärbter Beton für Fußgänger), brav in der geplanten Weise benutzen werden, ob die angelegten Spielplätze wie der Stangenwald am Eingang Hornstraße, eine ähnliche Attraktivität entwickeln werden, wie sie einst die Wildnis des Gleisdreiecks hatte, wir werden es sehen.
Der Gleisdreieckpark gentrifiziert
Die Eröffnung des Parks fällt zusammen mit einer sich zuspitzenden Entwicklung des Immobilienmarktes. Wer die Wohnungsanzeigen durchsieht, findet zahlreiche Angebote, in denen mit Hinweis auf die Nähe zum Gleisdreieckpark geworben wird. Die Hornstraße scheint fest in Hand von Spekulanten, die Wohnung für Wohnung in Eigentum umwandeln. Nördlich des Parks im Fanny-Hensel-Kiez und westlich in der Pohlstraße werden die Bewohner mit horrenden Mietsteigerungen aus den Sozialwohnungen vertrieben. Selbst südlich des Parks, beispielsweise in der Katzlerstraße, wo vor wenigen Jahren noch Menschen wegzogen, weil sie sich in der Straße nicht sicher fühlten, werden Immobilien vermarktet mit Hinweis auf die Nähe zum Gleisdreieck-Park, obwohl der Zugang aus diesem Kiez zum Park noch keineswegs gesichert ist. Ein Beispiel:
Auch auf dem Bahngelände wird gebaut werden. An der Möckern- und Yorckstraße plant die Baugenossenschaft Möckernkiez eine Öko-Idealstadt für den Mittelstand. Siehe Landwehrkanalblog und Moeckernkiez.de. Für die noch besser Verdienenden plant die Vivico mitten in der Frischluftschneise neue Wohnblöcke an der Flottwellstraße. Hier wird der öffentliche Park quasi zum privaten Vorgarten. Siehe dazu Artikel auf diesem Blog: “Weniger ist mehr …”
Der Park gentrifiziert – daran gibt es keine Zweifel. Die, die sich für den Park eingesetzt haben, werden teilweise selbst zu Opfern dieser Entwicklung. Weder die Politik noch die Park-Aktivisten der Bürgerinitiativen haben Antworten auf die Frage, wie man die Lebensverhältnisse in der Stadt dauerhaft verbessert, ohne dass dies zur Verdrängung der kleinen Leute führt.
Sollte die Senatorin noch auf der Suche sein nach der passenden Geste für die Eröffnung des Parks am 3. September 2011, hier ein Hinweis: ohne wohnungspolitische Maßnahmen, die die Menschen im Umkreis des Parks wirkungsvoll vor Vertreibung schützen, geht es nicht.