Baumarkt Hellweg eröffnet

Ordentliches Chaos auf der Yorckstraße

Seit Freitag ist der Baumarkt Hellweg in der Yorckstraße eröffnet. Verlief der Besuch anfangs noch etwas schleppend, waren am Samstag und Sonntag  der Parkplatz und der Laden dann richtig voll. Der Umsatz hat sicher gestimmt. Erstaunlich – aber das lag nicht allein an Hellweg – , dass ausgerechnet ein Wahlsonntag als verkaufsoffener Sonntag genutzt wurde.

Nach einem kleinen Rundgang über den Fußballplatz auf dem Dach, ließ Herr Semer, der Inhaber der Baumarktkette, in seiner Eröffnungsrede am Freitag, den 20. 09. 13 die Zeit Revue passieren, seit seine Firma das Grundstück an der Yorckstraße im Jahr 2010 von der VIVICO gekauft hatte. Die erste große Schwierigkeit sei das Freiräumen des Grundstücks gewesen. Diese Aufgabe habe die VIVICO dem Käufer des Grundstücks überlassen. Zur Illustration der Schwierigkeiten wurde ein Luftbild aus der damaligen Zeit gezeigt, auf dem das gesamte Grundstück mit Autos und Schuppen belegt war und schließlich eine Reportage des ZDF eingespielt, in der über den damals auf dem Yorckdreieck ansässigen arabischen Friedensrichter berichtet wurde.

[Video leider nicht mehr verfügbar, weil der Autor des Videos seinen Youtube-Account gekündigt hat.]

Herr Semer stellte stolz fest, dass es gelungen sei, das Grundstück friedlich bis Ende 2010 zu räumen, um dann im Jahr darauf vom Berliner Wahlkampf ausgebremst zu werden. (siehe Bericht hier: https://gleisdreieck-blog.de/2011/05/06/infoveranstaltung-abgesagt-was-nun/)

Es habe schließlich noch bis zum 28. Februar 2013 gedauert, bis endlich die Baugenehmigung da war. Besonders enttäuscht zeigt sich Herr Semer über eine der „Volksparteien“, die erst zwei Jahre lang für und schließlich am Ende gegen das Projekt gewesen sei.

Die letzte Verzögerung, die es auf dem Weg zu dieser Baugenehmigung gab, ließ Herr Semer jedoch unerwähnt. Und zwar die Forderung, das Gebäude von der Straße weiter zurückzusetzen. Vom Quartiersrat Schöneberger Norden war diese Forderung zuerst im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens im Oktober 2012 eingebracht worden. Die Forderung blieb jedoch unbeachtet, bis schließlich der Antrag auf Einwohnerversammlung in der BVV Tempelhof-Schöneberg eine Mehrheit fand und die Beschlussfassung zum Bebauungsplan in den beiden beteiligten Bezirken Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg verschoben werden musste.

Um doch noch die Baugenehmigung zu bekommen, gab Hellweg schließlich nach und rückte das Gebäude um eine Stützenachse, also um 7,5 m weiter von der Straße ab.

Das von der Yorckstraße zurückgesetzte Gebäude des Baumarktes
Das von der Yorckstraße zurückgesetzte Gebäude des Baumarktes

Aus heutiger Sicht ist dieses Zurücksetzten des Gebäudes sehr viel wert. Es entspannt die Situation an der Yorckstraße. Das empfinden alle, die die Straße im Alltag nutzen und ist im übrigen auch der großstädtischen Lage angemessen. Warum sind die Experten in den Stadtplanungsämtern und beim Baukollegium da nicht von selbst darauf gekommen? Und warum hat eigentlich das Stadtplanungsbüro, das seit Jahren vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg immer wieder für Gutachten zur Verbesserung der Yorckstraße bezahlt wird, sich zu dieser wichtigen Frage nie geäußert?

Das Baukollegium der Senatsverwaltung, bestehend aus Berliner und internationalen Architektur-Experten, hatte die Lage des Gebäudes im Jahr 2011 überhaupt nicht kritisch betrachtet, sondern sich nur mit der Fassade zur Yorckstraße beschäftigt und dort „wassergestrahlten, gesäuerten Beton“ vorgeschlagen. Genau dieser „wassergestrahlte, gesäuerte Beton“ fehlt nun.  Eigentlich hatte das Baukollegium wassergestrahlten, gesäuerten Sandstein gemeint. Der aber offensichtlich aus Beton hergestellt werden sollte, denn von Sandstein war später nie wieder die Rede.  Am Freitag war nun zu hören, die Firma, die mit der Herstellung der Betonplatten beauftragt war, habe im August Konkurs angemeldet. Deswegen habe man nun die übliche Blechfassade installiert, werde den „wassergestrahlten Beton“ aber innerhalb der nächsten 6 Monate nachrüsten.

Hallo Baukollegium, ihr habt also nochmal sechs Monate Zeit, wie wär es mit Nachsitzen vor Ort? Dann würdet ihr sehen, dass die Fassade zum Parkplatz genauso wichtig ist wie die zur Yorckstraße. Denn diese Fassade wirkt ebenfalls auf die Yorckstraße. Und kommt man aus der Bautzener Straße, sieht man die Parkplatz-Fassade sogar als erstes. Es gibt eigentlich keinen Grund, die beiden Fassaden unterschiedlich zu gestalten!

 Was noch alles fehlt?

Außer den Betonplatten an der Fassade fehlen auch die Bäume auf dem Parkplatz.

„Verwendung breitkroniger Bäume für die Stellplatzgliederung“

hieß es im Text zum Bebauungsplan und im Lageplan waren rund 50 Bäume eingezeichnet. Die Bäume fehlen vollständig. Der Herbst ist ja die richtige Pflanzzeit. Hoffen wir, dass es der Eile vor der Eröffnung geschuldet war, dass die Bäume noch fehlen.

Zum Thema Schallschutz

Durch das Zurücksetzen des Gebäudes hat sich diese Frage sicher etwas entspannt, zumindest was den Verkehrslärm betrifft, der nun weniger in die Straße zurück reflektiert wird. Aber es gibt zwei Aspekte, die in den Schallschutzgutachten zum Bebauungsplan nicht beachtet wurden. In den umliegenden Häusern sind immer wieder Lautsprecherdurchsagen zu hören. Bisher dachte man, damit sei Schluss, wenn der Bau mal steht. Nun waren die Durchsagen aber auch am verkaufsoffenen Sonntag zu hören. Dies muss unbedingt geändert werden! Zweites Versäumnis der Schallschutzgutachter: bei der Zufahrt zum Parkplatz und der LKW-Zufahrt wurde nicht mit berechnet, dass diese etwas bergauf gehen, so dass Autofahrer hier mehr Gas geben, bzw. beim Rausfahren bremsen müssen. Der Leiter des Stadtplanungsamtes Friedrichshain-Kreuzberg hatte dazu in der Sitzung im Januar gesagt, die Steigungen müssten nicht berücksichtigt werden, da sie überall unter 4% lägen. Offensichtlich sind die Zufahrten nun doch etwas steiler geworden.

Korrektur 27. 09. 13

Inzwischen hat jemand nachgemessen. In der PKW-Einfahrt liegt die Steigung etwa bei 4 %, in der LKW-Einfahrt liegt sie ungefähr bei 6 %. Der Hinweis zum Schallschutz im vorhergehenden Absatz ist also nur berechtigt für die LKW-Einfahrt. Sorry.

Die Links-Abbiegspur auf der Yorckstraße in Richtung Bautzener Straße, ein Provisorium?
Die Links-Abbiegespur auf der Yorckstraße in Richtung Bautzener Straße, ein Provisorium?

Zahlreiche Provisorien

Unklar ist noch die Situation auf der Straße. Das war schon ein ziemliches Chaos in den letzten Tagen. Zahlreiche Autofahrer nutzen den Abzweig in die Bautzener, um dem Stau zu entkommen. Wenn man als Autofahrer die Yorckstraße aus Kreuzberg kommt, gibt es an der Ampel zur Bautzener Straße nun drei Spuren, zwei führen gerade aus und es gibt eine Linksabbiegerspur in die Bautzener. Das Schild, das das Linksabbiegen in der Bautzener bisher zeitweise verbot, ist nicht mehr da. Im Verkehrsgutachten zum Bebauungsplan war diese Linksabbiegerspur enthalten und sie war Grundlage der Verkehrsberechnungen. Sie war jedoch im Erschließungsplan nicht eingezeichnet. Auf diesen Widerspruch wurde in der gemeinsamen Sitzung der beiden Stadtplanungsausschüsse von F’Hain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg im Januar 2013 hingewiesen. Die Antwort der Gutachter und des Stadtplanungsamtes war damals lapidar, eine Linksabbiegerspur sei nicht geplant. Nun ist sie aber doch gebaut worden. Hoffen wir, dass dies nur ein Provisorium ist, das nach Beendigung der Bauarbeiten wieder verschwindet.

Blechverkleidung der denkmalgeschützten Bahnmauer
Blechverkleidung der denkmalgeschützten Bahnmauer

Noch ein Provisorium: Mit weißen Blechpaneelen ist das Mauerwerkwerk der S-Bahnlinie 1 im Bereich der LKW-Einfahrt zugestellt. Dieses Mauerwerk aus roten und gelben Klinkern steht unter Denkmalsschutz! Es gehört zum Ensemble der Yorckbrücken. Die Mauer müsste von den Anbauten der früher hier ansässigen KFZ-Firmen befreit und instandgesetzt werden. Hellweg hat hier erstmal eine einfache Lösung gewählt, die hoffentlich nicht von Dauer sein wird.

Und noch ein Provisorium: im östlichen Grundstücksbereich soll noch ein Lebensmitteldiscounter entstehen und die Umsteigerei zwischen S-Bahn und U7 neu gestaltet werden. Ein Teil des aufgeschütteten Bahnplateaus ist schon weg gebaggert worden und wird als provisorischer Parkplatz genutzt. Teilweise ist das Plateau noch vorhanden. Oben, wo die berühmte Brücke Nr. 5 ankommt, stehen noch einige Bäume, darunter eine mächtige Eiche. Am Wochenende ging das Gerücht um, Hellweg habe hier schon eine Fällgenehmigung für die Bäume, die ab 1. Oktober vollzogen werden könne. Hoffen wir, dass das Gerücht nicht stimmt, und dass diesmal tatsächlich eine frühzeitige Bürgerbeteiligung gemacht wird. Und nicht erst zu einem Zeitpunkt, an dem alles festgeschrieben ist und Änderungen nur gegen große Widerstände erreicht werden können. Der Appell an Hellweg und das Bezirksamt lautet: Lasst diese Bäume stehen, bis klar ist, was gebaut werden soll. Vielleicht gibt es ja die Chance, die Bäume zu retten!

Der Weg in den Westpark des Gleisdreiecks

Dieser Weg führt über den Parkplatz des Baumarktes, dann die Böschung hoch nach Norden, dort in zwei S-Kurven zu dem alten Übergang über den Tunnel der S-Bahnlinie 1, der schon in der Vergangenheit genutzt wurde. Alles ist fertig und könnte eröffnet werden, aber noch ist der Weg mit einem Bauzaun abgesperrt.  Senatsverwaltung und Bahn verhandeln  über rechtliche Fragen, schließlich überquert der Fußgängerweg einen Bahntunnel. Ist die Statik des Brückenbauwerks ausreichend?  Früher sind da massenhaft  Autos darüber gefahren. Aber Fußgänger, die in den Park wollen? Das muss erst noch eine Weile geprüft werden.

Lohnt sich die Sinnfrage?

Beim Rundgang durch den Baumarkt landet man schließlich in der Zoo-Abteilung. Es gibt dort sogar kleine Reptilien, die aussehen wie Mini-Dinosaurier und es gibt Vogelspinnen, von denen man nicht möchte, dass sie einem über die Hand laufen. Nebendran ist das benötigte Lebendfutter zu sehen, Heuschrecken und Grillen, die in durchsichtigen Plastikschachteln leben. Ist das der richtige Ort, um über die Sinnfrage nachzudenken? Was sind das für verrückte Wesen, die ein 12.000 m² großes Gebäude herstellen, das seine Heizenergie zu 80% aus dem Abwasserkanal bezieht, um dann in diesem Gebäude  nicht essbare, teilweise giftige und gefährliche Lebewesen an andere verrückte Lebewesen zu verkaufen. „Es lohnt sich“ lautete die Antwort, die Tierkäufer seien die treuesten Kunden. Sie kommen immer wieder, schon allein wegen dem Tierfutter. Eindimensionaler kann eine Antwort kaum sein!

No Way to Hell, an der Ecke Bautzener/Yorckstraße
No Way to Hell, an der Ecke Bautzener/Yorckstraße

 No Way to Hell

Während der Eröffnung des Baumarktes gab es draußen an der Ecke Bautzener Straße/Yorckstraße eine Kunst-Aktion. Ein Anwohnergruppe hat dort eine Plakatwand gemietet und am Freitag Nachmittag fing man an, die weiße Fläche zu gestalten – mit Spraydosen. Bisher steht da „No Way to Hell“. Mal sehen, wie es weiter geht, auf dem Plakat ist noch viel Platz. Weitere Infos zur Aktion sind hier zu finden: http://stadtplanung-von-unten.de/

Sprayen = illegal, dieser unbedingte Reflex (und nicht das Verkehrschaos auf der Yorckstraße)  führte am Freitag Nachmittag zu einem Polizeieinsatz mit Baulicht. Die Beamten mussten jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen. Denn nicht alles, was illegal aussieht, ist illegal, sowie nicht alles, was legal aussieht, legal ist.

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2 Kommentare zu “Ordentliches Chaos auf der Yorckstraße

  1. Danke für die ausführliche Analyse zum Baumarkt!

    Das Baukollegium mal wieder. Schon beim Viktoriakiez hatte es entscheidenden Einfluss – und das nicht nur ohne jegliche demokratische Legitimation, sondern auch noch weitgehend ohne Sachverstand, wie es scheint. Wer den inzwischen weitgehend fertiggestellten leuchtend-rot-braunen Neubau an der Monumentenbrücke sieht, wird kaum noch ernsthaft davon reden können, dass sich das Gebäude wie vom Baukollegium höchstamtlich bestätigt in die Umgebung einfügt.

  2. also habe gestern abend hinter der Baumarktausfahrt Richtung West ein zusammengefahrenen Laternenmast gesehen.
    genau in dem Bereich in dem die elegante Straßenschleife dem Linksabbbieger
    zum Markt Richtung Ost Platz schaffen muß.
    Die unerträglichen Fahrradzombis die sich gnadenlos auf dem,wenns sein muß, Fußgängersteig Rennen liefern nutzen auch diese Schleife um ihrer Angst Ausdruck zu verleihen die Straßen für diese Hetzjagden nicht zu nutzen.
    Die Rückstau´s welche jetzt die Abgase im Bereich verdichten sollen wohl nach den vollmundigen Sachverständigen sich von selbst in Luft auflösen.
    Richtung Ost wird ja eingeschnürt auf eine Spur was die Jäger motiviert den Linksabbieger
    als Startrampe für die brutale Einfädelung zu nutzen.
    Seit Jahren habe ich behauptet,daß gerade in diesem Bereich ein Blitzer helfen könnte
    Unheil zu vermeiden.Dieses wird nämlich hauptsächlich Fußgänger treffen.

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