Auf Einladung der Architektenkammer, der Urania und des Tagesspiegels fand am Montag, den 26. 10. 15 eine Diskussion zur Zukunft der ZLB, der Zentral- und Landesbibliothek Berlin statt. Auf dem Podium: Birgitt von dem Knesebeck (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung), Volker Heller (Vorstand der ZLB), Boryano Rickum (Leiter der Kreuzberger Stadteilbibliothek), Gerd Nowakowski vom Tagesspiegel als Moderator und Matthias Bauer, der Autor dieses Beitrags, als Vertreter der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck, die das Gleisdreieck als Standort für die ZLB in die Diskussion gebracht hatte. Zwei Fragen überlagerten sich: wie zentral soll so eine ZLB sein und welches sind die richtigen Standorte?
Zur Frage der Zentralität waren sich die Bibliotheksexperten auf dem Podium einig. ZLB-Vorstand Volker Heller und Boryano Rickum sprachen sich für eine zentrale Bibliothek aus, am liebsten am Blücherplatz als Erweiterung der Amerika-Gedenkbibliothek. Nur eine solch zentrale Bibliothek sei logistisch machbar und wirtschaftlich zu betreiben, nur eine solch zentrale Bibliothek würde das umfassende Angebot bereitstellen können, das für interdisziplinäres Arbeiten notwendig sei.
Als Nicht-Bibliotheks-Experte sprach ich mich dagegen für mehrere Schwerpunktbibliotheken aus, mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten. Eine dieser Schwerpunktbibliotheken könnte am Gleisdreieck auf dem Baufeld „Urbane Mitte“ entstehen. Für diesen Standort findet zur Zeit ein städtebaulich-architektonischer Wettbewerb statt, in dem die Fläche mit Bürohochhäusern mit ca. 110.000 m² Bruttogeschossfläche beplant wird. Wünschenswert wäre dort jedoch eine öffentliche Nutzung, die für jeden offen ist und die sich dem Park zuwendet. Am Gleisdreieck könnte eine Bibliothek mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften und Technik entstehen, die dort mit dem Deutschen Technikmuseum kooperieren könnte.
Die AGB am Blücherplatz plus Erweiterungsbau könnte dann zu einer Bibliothek mit dem Schwerpunkt Kunst-Bühne-Medien werden, der Standort Breite Straße in Mitte zu einer Schwerpunktbibliothek für die Berliner Historie.
Der Vorteil des Konzepts mit den Schwerpunktbibliotheken ist zudem, dass alle vorhandenen Standorte erhalten bleiben und weiterarbeiten könnten. Kein Standort müsste aufgegeben werden. Siehe dazu die Masterarbeit der beiden Architektinnen Judith Frankenberg und Jessica Bittrich „Strategien für die Berliner Bibliotheken“.
Überhaupt ist aus meiner Sicht eine neue Balance zwischen dezentralen und zentralen Angeboten notwendig. Am Beispiel der kleinen Stadtteilbibliothek in der Pallasstraße im Schöneberger Norden wird das Problem deutlich. Einst hatte der Quartiersrat arabische und türkische Kinderbücher für die Bibliothek finanziert, nun ist die Bibliothek jedoch oft geschlossen, wegen Personalmangel.
Die Frage von Moderator Gerd Nowakowski, „Bedeuten mehr Mittel für die ZLB weniger Geld für die Stadtteilbibliotheken?“ wurde jedoch vereint. Die Finanzierungen kämen aus ganz unterschiedlichen Töpfen. Wenn Bezirke nicht genügend Geld für Bibliotheken ausgeben, könne das auch daran liegen, dass die Bezirke die vom Land für Bibliotheken zugewiesenen Gelder für andere, dringendere Zwecke ausgeben.
Welches ist nun der richtige Standort für die ZLB, bzw. welches sind die richtigen Standorte bei einer Lösung mit Schwerpunktbibliotheken?
Laut Frau von dem Knesebeck, die in der Senatsverwaltung für die Baulichkeiten der ZLB zuständig ist, werden zur Zeit 13 Standorte untersucht:
- Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz
- das Bestandsgebäude des Flughafen Tempelhof
- in der Nähe des neuen Stadtschlosses (Humboldt-Forum)
- Marx-Engels-Forum in Mitte
- Gleisdreieck, Baufeld Urbane Mitte
- Internationales Congress Centrum (ICC)
- die neue „Europacity“ nahe dem Hauptbahnhof
- Teile der Stasi-Zentrale an der Lichtenberger Normannenstraße
Fünf fehlen also noch in dieser Aufzählung!
Auch am Raumprogramm für die neue Bibliothek wird gearbeitet. Dank neuer Techniken (automatisierte Hochregale) könnte das Bauvolumen etwas geringer ausfallen, als noch 2013 beim Wettbewerb für den Neubau auf dem Tempelhofer Feld [das Wettbewerbsergebnis in der Bauwelt] vorgesehen war. Nun seien ca. 38.000 m² geplant, davon werden 23.000 m² als Besucherfläche zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: in der AGB gibt es heute nur 7000 m² Publikumsfläche, so dass manche Besucher eben auf dem Boden sitzen müssen.
Viele Politiker, allen voran der Regierende Bürgermeister Müller, auch die meisten Bibliotheksexperten haben sich schon für den Standort AGB, Blücherplatz ausgesprochen. Ob das jedoch auf dem Parkplatz westlich des Bestandgebäudes der AGB funktioniert, darf bezweifelt werden. 38.000 m² Nutzfläche ergeben rund 60.000 m² Bruttogeschossfläche. Wenn der 3000 m² große Parkplatz vollflächig bebaut würde, müsste dort ein 60 m hohes Gebäude mit 20 Geschossen entstehen. Es wird also kaum gehen, ohne die Grünfläche in Anspruch zu nehmen.
In den nächsten Monaten sollen die verschiedenen Standorte untersucht werden, auch auf ihre Wirtschaftlichkeit. Dann sollen Senat und Abgeordnetenhaus entscheiden.
Das wäre doch mal eine Aufgabe für den Tagesspiegel: alle 13 Standorte vorstellen und damit die öffentliche Diskussion und Meinungsbildung befördern. Je ausführlicher diese Debatte geführt wird, umso qualifizierter kann die Politik am Ende entscheiden.
Materialien:
- Artikel auf gleisdreieck-blog.de: Argumente für die ZLB am Blücher Platz als Erweiterung der AGB und Argumente für die ZLB am Gleisdreieck
- Link zum Bericht des Tagesspiegels vom 28. 10. 15 über die Podiumsdiskussion am 26. 10. 15
Interessant, dass der Tagespiegel in der gleichen Augabe am 28. 10. 15 ein paar Seiten weiter einen Artikel zur Logistik des LKW-Verkehrs mit einem Luftbild vom Gleisdreieck illustriert hat, auf dem hauptsächlich Schienenverkehr zu sehen ist. Im Zentrum des Bildes der U-Bahnhof Gleisdreieck mit der westlich davor liegenden Baufläche „Urbane Mitte“.