Vor kurzem ging der Baubeginn für die S-Bahnlinie S21 durch die Presse. In den nächsten Jahren soll der Abschnitt zwischen Hauptbahnhof und Nordring gebaut werden. Ab 2019 soll dann der Abschnitt vom Hauptbahnhof bis Potsdamer Platz folgen. Einzelne Abschnitte der neuen S-Bahnlinie wurden schon vor Jahren erstellt und warten darauf, in Betrieb genommen zu werden. Wer vom U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Platz nach Norden schaut, sieht nicht nur die U-Bahn im Tunnel unter dem Scandic Hotel verschwinden. Westlich des U-Bahntunnels sieht man noch eine weitere, mit Platten verschlossene Tunneleinfahrt, die für die S21, deren Anlagen im Bereich des Potsdamer Platzes schon in den 90er Jahren gebaut wurden. Wenn die S21 dann bis zum Potsdamer Platz geht, muss es natürlich weitergehen nach Süden. Denn ohne den Anschluss an die Ringbahn beim Bhf. Südkreuz und beim Bhf. Schöneberg wäre der verkehrspolitische Sinn der neuen Linie dahin.
Im Westpark des Gleisdreiecks stehen deswegen weite Flächen unter Planungsvorbehalt, z. B. die Fläche, die zur Zeit vom Beachvolleyball genutzt wird.
Gleiches gilt für die Flächen auf den Bahngeländen südlich der Yorckstraße. Alle Flächen?
Wer sich das von der Bezirksverwaltung favorisierte Bauprojekt von Collignon/Schröder/Hellweg auf der Bautzener Brache genauer anschaut, muss daran zweifeln, obwohl auf den ersten Blick alles passend aussieht.
Die Bilder vom Projekt können in der Broschüre des Architekturbüros Collignon auf den Seiten des Bezirks Tempelhof-Schöneberg geladen werden: Wohnquartier Bautzener Straße, 36 Seiten, PDF-Dokument.
Die projektierten Gebäude reichen östlich bis fast an die vorhandene S-Bahnlinie 2 heran. Zwischen den Gebäuden und der S-Bahn ist noch ein schmaler Streifen übrig, der den öffentlichen Weg aufnimmt, der von Norden über die Brücke 5 über die Yorckstraße ankommt.
Nun soll jedoch die vorhandene S-Bahn umgebaut werden. Der alte Bahnsteig ist viel zu schmal, die an den Bahnsteig anschließende Fußgängerbrücke, über die die Umsteiger zur U7 gehen, ist ein übles Provisorium. Am 02. 12. 2011 berichtete der Tagesspiegel über die geplante Sanierung des S-Bahnhofs Yorckstraße. Zitat:
1985 war als Provisorium eine Holzbrücke gebaut worden war, um den Fahrgästen beim Umsteigen den Weg über die Yorckstraße zu ersparen. Die Treppe ist dabei auf dem nördlichen Gehweg gebaut worden, wo es jetzt kaum noch Platz für Fußgänger gibt. Beim Umbau soll später eine der alten Bahnbrücken als Fußweg hergerichtet werden. Pläne, den Bahnsteig über die Yorckstraße zu legen, so dass es von beiden Straßenseiten kurze Wege zur S-Bahn gäbe, werden nicht weiterverfolgt. Auch die BVG will den Zugang zum S-Bahnhof durch einen Umbau des U-Bahnhofs durch einen neuen Zugang mit Aufzug erleichtern.
Link zum Tagesspiegelartikel vom 02. 12. 2011
Das westliche Gleis der S2 soll also um ein Gleis nach Westen verlegt werden, von der Brücke Nr. 7 auf die Brücke Nr. 6. Der Bahnsteig wird dadurch verbreitert und die Brücke Nr. 7 wird dann zum Fußgängersteig über die Yorckstraße.
Gleichzeitig sind westlich der S2, also westlich der Brücke Nr. 6 die neuen Anlagen für die S-Bahnlinie S21 geplant. So sehen es verschiedene Planungen aus den 90er Jahren vor, so ist es im Flächennutzungsplan festgehalten. Wie breit ist die neue S-Bahn S21 mit einem neuen Bahnsteig und zwei Gleisen? 15 m? 20 m? Ein Überlagerung der Bahnlinien mit den Planungen von Collignon/Schröder/Hellweg zeigt schnell, das es hier Probleme gibt.
Nicht nur der über die Brücke Nr. 5 kommende Fußweg würde entfallen, das Projekt von Collignon/Schröder/Hellweg ist so angelegt, dass die Gebäude bis an die Gleise der S 21 heranreichen würden. Der Bau der S21 würde durch diese Gebäude in Frage gestellt.
Unklar ist, warum der Bezirk die Bebauung in dieser Form zulassen will. Mit der Einstufung des Grundstücks als Außenbereich nach §35 Baugesetzbuch und dem Argument der Trassenfreihaltung für die S21 hätte der Bezirk gute Argumente gegen das Bauvorhaben.
Unklar ist auch, warum der Bezirk, als die VIVICO 2008 oder 2009 das Gelände verkaufte, nicht sein Vorkaufsrecht wahrgenommen hat? Und warum hat der Bezirk nicht wenigstens auf die Trassenfreihaltung für die S21 hingewiesen? Fragen, auf die es bisher keine Antwort gibt. Wenn die Bauten erstmal stehen, wäre damit faktisch der Bau der S21 verhindert. Warum ist der Bezirk Tempelhof-Schöneberg bereit, das zu riskieren?
Zu fragen ist auch, warum die Fläche überhaupt von der VIVICO verkauft werden konnte. Eigentlich sah das Eisenbahnneuordnungsgesetz von 1993 vor, dass nur die Flächen, die Bahn nicht mehr für ihren Betrieb braucht, an die Eisenbahnimmobilien Management GmbH (EIM) übertragen werden und von dieser „verwertet”, also verkauft werden sollten. Damals wurde der Wert dieser Flächen in allen Teilen Deutschlands auf ca. 5 Milliarden DM geschätzt. Im Jahr 2000 hieß es dann,
Die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG betreut ein Portfolio im Gesamtwert von über 13 Milliarden Mark.
Link zur Fundstelle auf den Seiten von CA Immo/Vivico
2001 wurde die Eisenbahnimmobilien Management GmbH (EIM) dann umbenannt in „VIVICO”. Mit der Umbenennung war ein Strategiewechsel verbunden. Grundstücke sollten nicht mehr nur einfach verkauft werden, sondern durch Projektentwicklung in ihrem Wert gesteigert werden. 2007 schließlich verkaufte die Bundesrepublik Deutschland die wertgesteigerte VIVICO mit allen ihren Grundstücken für 1,03 Milliarden Euro an die österreichische CA Immo. Der Preis hat damals niemanden irritiert und offensichtlich hat damals auch keiner gemerkt, dass ein paar klitzekleine Flächen dabei waren, die eigentlich noch für den Bahnbetrieb gebraucht werden, z. B. der östliche Rand der Bautzener Brache. Wenn die S21 kommt, müssten diese Flächen von der öffentlichen Hand teuer zurückgekauft werden, ein super Geschäft.