Seit Januar 2007 veröffentlichen wir sie auf berlin-gleisdreieck.de, seit April diesen Jahres auf https://gleisdreieck-blog.de/materialien/: die Protokolle aus der “Projektbegleitenden Arbeitsgruppe Gleisdreieck”. Die Veröffentlichung ist ein Versuch, den Planungs- und Realisierungsprozess transparent zu machen, auch wenn wahrscheinlich nur wenige sich die Mühe machen, die schwer verständlichen, eigentlich nur für Insider geschriebenen Texte zu lesen.
Für die gewählten Anwohnervertreter sind die Protokolle mehr Ärgernis als Unterstützung:
die Protokollführung wird immer verheerender. Teils deutlich falsche Aussagen, weder Personen noch unsere Aussagen richtig/präzise wiedergegeben; Aussagen, die nicht in der Runde getroffen wurden und die (inzwischen übliche) Verkündung zwischenzeitlich getroffener Entscheidungen… Tartan etc.
Zitat eines Teilnehmers
Eigentlich müsste man in jeder Sitzung das Protokoll der vorhergehenden Sitzung kritisieren, und dann auf der nächsten Sitzung wiederum anmahnen, dass die Kritik am Protokoll nicht richtig ins Protokoll aufgenommen wurde, usw. Das hält natürlich keiner durch.
Die Protokolle bilden also nicht den Diskussionsprozess ab, wie er in der Arbeitsgruppe abläuft, sie sind jedoch trotzdem Dokumente, die wichtige Aspekte der Planung beschreiben, insbesondere beschreiben sie auch die Arbeitsweise der Grün Berlin GmbH. Ein Beispiel aus dem 35. Protokoll der Sitzung am 09. 06. 09. Unter Top 3, Informationen zum Stand der Arbeiten verkündet die Grün Berlin GmbH:
Neue Erkenntnisse: Die geplante Erhaltung der alten Rampe südlich der westlichen Lagerschuppen lässt sich nicht verwirklichen. Die Hälfte des Bauwerks (nachträglich angelegt) war ursprünglich hohl und komplett mit rd. 20 t Müll verfüllt, der als Sondermüll abgefahren werden musste. Eine Erhaltung des restlichen Mauerwerkes macht keinen Sinn mehr. Am Bau einer multifunktionalen Bühne wird festgehalten . . .
Soweit gut, hört sich erstmal plausibel an. Auf Sondermüll möchte niemand sich aufhalten. Nicht erwähnen will Grün Berlin dabei, dass sie selbst (die ja sonst wenig mit historischen Spuren anfangen können) bei der Begehung zur Vorbereitung der Baumfällungen am 29. 11. 08 die Rampe als historisch besonders wertvolles Bauwerk bezeichnet hatten. Um die aus gemauerten Bögen bestehende Rampe zu rekonstruieren – so wurde damals argumentiert – , sei die Fällung der Bäume notwendig, die im Randbereich der Rampe wuchsen. Die Bäume in der Mitte der Rampe sollten eigentlich stehen bleiben, wurden aber in den Tagen nach der Novemberbegehung komplett abgeholzt.
Nun nachdem alle Bäume weg sind, hat das Bauwerk seine Schuldigkeit getan. Auf einmal wird es nicht mehr als historisch wertvoll bezeichnet, sondern man setzt einfach in Klammer dahinter : „nachträglich angelegt“, als sei es damit automatisch wertlos. Was mit „nachträglich” gemeint ist, bleibt natürlich offen, nach 1836, 1871, nach 1927? Und nebenbei erfährt man, dass hier eine multifunktional Bühne geplant sei: „daran wird festgehalten . . .“
Nun, ein Teil dieses Problems ist sicher die Betriebsblindheit der Beteiligten. Senatsverwaltung, Grün Berlin und Atelier Loidl arbeiten kontinuierlich zusammen und fallen dann aus allen Wolken, wenn die nervigen Anwohnervertreter, etwas nicht mitbekommen haben, was für sie, die Fachleute schon lange klar ist. Und es fehlt offensichtlich die Bereitschaft, den jeweiligen Planungsstand der Öffentlichkeit darzustellen. Die am Anfang zugesagten öffentlichen Planungsforen, die 2 bis 4 mal im Jahr stattfinden sollten, gab es dieses Jahr noch nicht. 2008 gab es eine eine Veranstaltung, 2007 ebenfalls eine Veranstaltung.
Der andere Teil des Problems ist der Vertrauensverlust. Mit der Zeit bekommt man das Gefühl, dass es gar nicht mehr um die Dinge selbst geht, sondern dass der Baum eben als krank bezeichnet wird, weil man ihn absägen möchte, das Bauwerk ist mit Schwamm befallen oder Sondermüll, weil man es abreißen möchte usw.
Gibt es eine Lösung? Wer den hohen Anspruch hat, mit Beteiligung von Bürgern einen Park zu planen und zu bauen, sollte die Bürger auch in die tatsächlichen Entscheidungsprozesse einbeziehen. Ein erster Schritt dazu wäre eine unabhängige Moderation und eine unabhängige Protokollführung der gemeinsamen Sitzungen.
Ach ja, warum eigentlich 35 minus X: ein paar Protokolle fehlen, z. B. das von der 16. Sitzung. Damals ging es um die Bäume, die für die interkulturellen Gärten auf dem Anhalter Güterbahnhof abgesägt wurden. Es standen zwei Aussagen gegenüber: ein (1) Baum war es laut Grün Berlin, über 20 Bäume waren es laut den Unterlagen (Fechnergutachten), die die Anwohnervertreter in der Sitzung vorlegten. Die Unterlagen für das Protokoll verschwanden und sind nie wieder aufgetaucht. Menschlich verständlich.