Am vergangenen Dienstag hat nun der Senat der Bebauungsplan für das südliche Baufeld der Urbanen Mitte beschlossen. Nach dem Sommerferien soll der Plan dann zur Abstimmung im Abgeordnetenhaus kommen. Es lohnt sich, die Argumente des Senators genauer anzuschauen, um zu verstehen, was da beschlossen werden soll. Auf der Pressekonferenz am 3. Juni 2025 hatte der Senator ausführlich seine Positionen erklärt, mit denen wir uns hier auseinandersetzen.
Argument Versiegelung
Alles sei versiegelt und verkehrlich gut erschlossen, da mache es Sinn in die Höhe zu bauen, meint der Senator:
. . . . dass sie auf versiegelten Flächen – sind ja alle versiegelt und verkehrlich gut erschlossenen – Flächen mehr und höher Bauen ist einfach konsequent, wenn ich sage, ich will nachhaltig sein, ich will keine neuen Flächen versiegeln und ich möchte die Flächen, die ich versiegel gut ausnutzen. Und das ist das Konzept, das hinter dem Gesamtkonzept hier steht. Es gibt einen großen Park und es gibt daneben auf versiegelter Fläche höhere Häuser, die dann eben auch die entsprechenden Flächen zur Verfügung stellen um die kostenlose Überlassung der Grundstücke des Parks auszugleichen . . . .“
Der Senator und seine Berater haben offensichtlich keine Ortskenntnis. Dass die beiden Baufelder überwiegend nicht versiegelt sind, das sieht jeder, der dort spazieren geht. Richtig ist zudem, dass die Parkflächen dem Land Berlin nicht kostenlos überlassen wurden. Das Land Berlin hat sie gekauft für 40,- € /m².
Link zu Google Earth (Juli 2023) zeigt, dass das nördliche Baufeld keinesweg versiegelt ist.
Und richtig ist, es ist nachhaltig und im öffentlichen Interesse – im Sinne des Stadtklimas – die Flächen in der Frischluftschneise zwischen Tiergarten und südlichem Stadtrand möglichst nicht zu versiegeln und nicht durch Hochhaustürme weiter zu verengen. Mehr noch – es ist erklärtes Ziel der Senatsverwaltung, aufgrund der drohenden Klimakatastrophe Flächen in Berlin zu entsiegeln, so zumindest kommuniziert im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm.
Argument Büroflächen
Warum wir trotz Leerstand von Millionen m² Büroflächen angeblich noch mehr Büros brauchen, begründet der Senator so:
. . . erst mal ist das Sache des Eigentümers, ob er da, wie er seine Büros vermarktet . . . oder nicht. Wir haben ja bei den Büros aber das Problem oder die Herausforderung, dass wir viele aktuell bestehende Büroflächen . . ., die nicht vermietet werden können, weil sie nicht den ESGs entsprechen, also den Environmental Social Governance Kriterien, an die börsennotierte Unternehmen gebunden sind. Und deswegen mieten diese börsennotierten Unternehmen lieber neue Büros, die diese Kriterien erfüllen und zahlen da auch mehr Geld für. Insofern ist jetzt rein wirtschaftlich im Moment also der Umbau von alten Büros auf diese Standards, ist meistens nicht möglich. Deshalb lohnt sich neuer Bürobau schon. Das ist jetzt volkswirtschaftlich vielleicht schon was, was man hinterfragen kann . . .“
Was der Senator aber leider nicht weiter hinterfragt. Instandsetzung und Modernisierung sowie Ergänzung des Bestands ist fast immer möglich und muss Vorrang haben vor Neubau, wenn wir CO2 sparen wollen. Das sagen nicht nur die Architects for Future. Inzwischen sieht das die große Mehrheit aller Planer so. Die DAX-Konzerne sollten sich gut überlegen, ob es mit ihren ESG-Standards vereinbar ist, durch Neubau unnötigerweise CO2 in die Luft zu blasen und gleichzeitig das Stadtklima zu beschädigen.
Argument Wohnen
Der Senator will mit den Investoren darüber sprechen:
. . . für den Nordbereich auch mit dem Investor ins Gespräch gehen, ob dort auch entgegen den bisherigen Planung auch Wohnbebauung mit eingebaut werden kann. Das ist aufgrund der Lärmsituation nicht ganz einfach, aber aus unserer Sicht etwas, was wir da auf jeden Fall noch mal mit einbringen werden. Im Moment geht’s aber erst mal darum die außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung festzustellen . . .“
Wenn Wohnen, dann ist es am ehesten auf dem südlichen Baufeld möglich. Denn hier gibt es eine lärmabgewandte Seite, nach Osten hin zum Wäldchen auf dem Gelände des Technikmuseums. Meinte der Senator es ernst mit Wohnen, dann müsste er also für das südliche Baufeld dazu ins Gespräch mit den Investoren gehen. Er will das aber nur für den Nordbereich ansprechen, wo es erst in ein paar Jahren konkret wird. Zu bedenken ist auch, rund ums Gleisdreieck sind schon mehrere tausend hochpreisige Wohnungen entstanden. Wie realistisch ist es, in den geplanten Hochhäusern bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und nicht Boardinghouses, möbliertes Kurzzeitwohnen und ähnliches?
Argument Geschossflächenzahl
Auf die Frage nach den Festlegungen der Baumassen durch den städtebaulichen Vertrag von 2005 antwortete der Senator:
Türme – ja, in dem Vertrag geht’s aber glaube ich am Ende auch um die Nutzfläche. So und das war glaube ich das, was Sie jetzt vortragen, ist glaube ich, aus dem städtebaulichen Konzept von Ortner und Ortner, die das mal dargestellt haben. Und ich glaube für die Urbane Mitte Süd sind tatsächlich vier und für die urbane Mitte Nord ist das noch nicht endgültig festgelegt, weil ja da auch die weiteren Arbeiten noch folgen. Ist in dem Vertrag eine Maximalhöhe vorgegeben? da bin ich jetzt offen gesagt überfragt. Meines Wissens steht da vor allen eine Geschossflächenzahl insgesamt drin und diese Höhen ergeben sich, glaube ich, mehr aus dem städtebaulichen Wettbewerb, aber das müssen wir noch mal recherchieren . . .“
Offensichtlich kennt der Senator das Projekt sehr schlecht. Er spricht von vier Türmen auf dem südlichen Baufeld, wo bisher nur zwei vorgesehen sind. Aber er ist überzeugt, dass das Bauvolumen, die Nutzfläche im städtebaulichen Vertrag festgeschrieben ist und unbedingt erfüllt werden muss. Dabei ist es genau diese Vorfestlegung des Bauvolumens im städtebaulichen Vertrag, die gegen das Baugesetzbuch verstößt.
Der städtebauliche Vertrag von 2005 sieht eine GFZ (Geschossflächenzahl erklärt) von 3,5 vor, die multipliziert mit der Fläche des Nettobaulands von 3,4 ha eine Geschossfläche von 119.000 m² ergeben sollte, ca. 1/5 Potsdamer Platz. Diese Vorfestlegung des Bauvolumens verstößt gegen den §1, Absatz 3 des Baugesetzbuches, in dem es heißt.
. . . Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.“
Nun hat sich aber herausgestellt, dass das Nettobauland viel kleiner ist als vor 20 Jahren angenommen. Es sind nur 2,6 ha statt 3,4 ha. Die Investoren bestehen dennoch auf den 119.000 m².
Auf dem südlichen Baufeld sollen nun 23.000 m² Bruttogeschossfläche entstehen. Das entspricht einer GFZ von 5,1. Das sind fast 50% mehr Bauvolumen als im Vertrag von 2005 vorgesehen. Senator Gaebler will den Vertrag also nicht nur erfüllen, sondern übererfüllen, und zwar genau in dem Punkt, in dem der Vertrag null und nichtig ist, wie die Gutachten von Dr. Philipp Schulte [Link] und Prof. Dr. Beckmann [Link] belegen.
Frage: muss der Park geräumt werden, wenn die Hochhäuser nicht kommen?
Ja, meint der Senator:
. . . es ist ein Vertrag und ich habe keine Lust mich auf rechtliche Auseinandersetzungen darüber einzulassen, ob ich den Gleisdreieckpark wieder räumen muss und an den Eigentümer zurückgeben muss, weil das ist Bestandteil des Vertrags gewesen, eine kostenlose Übertragung dieser Flächen ans Land Berlin in einem Gesamtkonzept. Wenn ich jetzt einfach sage, das Gesamtkonzept und zwar genau der Teil, der für den Investor der entscheidende ist, den realisiere ich nicht mehr. Dann wüsste ich sehr genau, was ich als Eigentümer machen würde. Und dieses Diskussion, die will ich mir nicht antun . . .“
In seiner Hilflosigkeit droht der Senator, den Berlinern den Park wegzunehmen, wenn sie seine Hochhäuser nicht wollen! Hier drückt der Senator seine Missachtung für den Park aus, der zum Treffpunkt für tausende Menschen unterschiedlichster Herkunft und aller Generationen geworden ist. Anstatt den Park, der die eigentliche Urbane Mitte ist, zu schützen, setzt der Senator sich lieber ein für die Anti-Urbane Mitte, wie Nikolaus Bernau im Tagesspiegel die Planungen für die sieben Hochhäuser genannt hat.
Eine Rückübertragung Parkflächen geht gar nicht. Schon allein deswegen, weil die Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. nie Eigentümer der Parkflächen war. Was früher der Deutschen Bahn, bzw. der VIVICO gehörte, gehört nun unterschiedlichen Eigentümern. Die Flächen des Parks, die das Land Berlin von der VIVICO gekauft hat, sind planungsrechtlich als Grün festgelegt. Die ökologischen Ausgleichsflächen für Potsdamer/Leipziger Platz sind hier verortet. Auch ein anderer Eigentümer als das Land Berlin müsste die planungsrechtliche Widmung als Grün respektieren.
Alle Zitate stammen aus dem Video der Pressekonferenz von Senator Gaebler am 3. Juni 2025,
Link zum Video https://www.youtube.com/watch?v=AhN-0WmbXjQ