„Das da wird die neue Sykline am Gleisdreieck, Betonung auf WIRD . . .“ . . . der Widerstand sei ausgehebelt, so freute sich Sascha Hingst in der Anmoderation der RBB-Abendschau am 3. Juni zum Bericht, dass der Senat nun die Planungen für das ganze Baufeld der Urbane Mitte an sich ziehen will – so als sei das schon die endgültige Entscheidung für den Bau der Hochhäuser. Etwas vorsichtiger formulierten der Tagesspiegel mit „Streit um Bauprojekt am Berliner Gleisdreieck: Senat entzieht Bezirk Kreuzberg das Planungsrecht“ und die taz mit „Der Senat übernimmt für Hochhausdeal“.
Dass der Senat auch das nördliche Baufeld an sich ziehen würde, war seit langem zu vermuten. Darauf drängten die Investoren, wie bei Akteneinsichten in der Senatsverwaltung nachzulesen war. Letztes Jahr, am 4. Juni 2024 hatte der Senat schon den Bebauungsplan für das kleinere, südliche Baufeld an sich gezogen. Ein paar Tage später waren die Investoren zu Besuch bei Senator Gaebler und man sprach hauptsächlich über das nördliche Baufeld, dass der Senat ebenfalls an sich ziehen solle, was der Senator damals noch ablehnte. Nun hat er wohl dem Druck der Investoren doch nachgegeben.
Neu ist die Begründung. Jahrelang waren die Planungen durch die immer gleiche Drohung vorangetrieben worden: wenn das im städtebaulichen Rahmenvertrag verabredete Bauvolumen nicht entstünde, dann würde eben Schadensersatz fällig – bis zu 150 Mio. €. Bis die Gutachten von Dr. Philipp Schulte und Prof. Dr. Beckmann nachwiesen, dass der Entschädigungsmechanismus des Vertrags von 2005 nicht zulässig ist. Denn er verstößt gegen §1 Absatz 3 des Baugesetzbuches, in dem es heißt, dass ein Bebauungsplan nicht auf einen Vertrag begründet werden darf. Nun hat der Senat seine Argumentation geändert.
Nun ist von Vertrauensschutz und Vertrauensschaden die Rede, der abgewendet werden müsse. Und anstelle der Drohung mit Schadensersatz ist eine neue Drohung getreten. Auf der Pressekonferenz am 3.06.25 sagte Senator Gaebler:
. . . Ich habe keine Lust, mich auf rechtliche Auseinandersetzung einzulassen, ob ich den Gleisdreieckpark wieder räumen und an den Eigentümer zurückgeben muss . . .“
Bitte an welchen Eigentümer?
Der jetzige Eigentümer des Baufelds am U-Bhf. Gleisdreieck, die Urbane Mitte Besitz S.à.r.l. – zum DLE-Funds gehörend (DLE inzwischen in Periskop umbenannt) – , war nie Eigentümer der Parkflächen. Die VIVICO, die 2005 die Flächen für den Park an das Land Berlin und 2014 das Baufeld am U-Bhf. Gleisdreieck an die Investoren verkaufte, wird die Parkflächen wohl kaum zurücknehmen wollen. Denn die Flächen sind planungsrechtlich gesichert als Grün. Die ökologischen Ausgleichsflächen für die Bauten vom Potsdamer und Leipziger Platz sind hier verortet. Etwas anderes als Park ist hier nicht zulässig, egal wer der Eigentümer ist. Das weiß auch der Senator. Mit der neuen Drohung rechnet der Senator wohl mit der Unwissenheit des Publikums, hoffend, dass der Bluff nicht durchschaut wird.
Der Senator spricht vom Vertrauensschutz für die in Luxemburg registrierten Investoren. Aber wo ist der Vertrauensschutz für die Bürger ? Können wir einen Senator vertrauen, der ökologische Ausgleichsflächen einfach zur Disposition stellt, der in Zeiten von Klimakrise weiter versiegeln und betonieren möchte, der ein Stück Potsdamer Platz mitten im Gleisdreieck bauen lassen will?
Mit der Drohung, den Park räumen zu lassen, drückt der Senator seine Geringschätzung für den Ort aus. Möglicherweise hat es es noch nie erlebt, wie an schönen Wochenenden sich 10.000ende hier treffen. Die eigentliche Urbane Mitte ist der Park selbst, gerahmt von den historischen Stahlviadukten von U1 und U2 und dem U-Bhf. Gleisdreieck und mit der Rampe über der Fernbahn als Bühne. Es ist ein lebendiges Stück Berlin, dass er Senator wohl bereit wäre zu opfern . . .
Wie geht es weiter?
Am 30. Dezember 2024 hatte Senator Gaebler den Bezirk aufgefordert das Bebauungsplanverfahren für den Nordteil bis Ende 2026 zu Ende zu führen. Diesen Terminplan hat der Senator nun fallen lassen, wohl wissend, dass der Hinweis des Bezirks auf die notwendigerweise zuvor durchzuführende Planfeststellung der neuen S-Bahnlinie S2 richtig war.
Es wird mit der Senatsplanung also auch nicht schneller gehen. Allerdings will der Senat die aus der Zeit gefallene Hochhausplanung im Gegensatz zum Bezirk nicht mehr in Frage stellen. Über Wohnungen im nördlichen Baufeld wolle er mit den Investoren sprechen. Das Volumen jedoch sei durch den Vertrag vorgegeben, meinte der Senator. Da liegt der Senator falsch, denn die geplanten 119.000 m² Bruttogeschossfläche stehen nicht im Vertrag. Im Vertrag steht eine GFZ (Geschossflächenzahl erklärt von Wikipedia) von 3,5. Auf dem südlichen Baufeld soll jedoch eine GFZ von 5,1, auf dem nördlichen Baufeld eine GFZ von 4,4 realisiert werden. Ginge es wirklich um Einhaltung des städtebaulichen Vertrags von 2005, müssten die Bauvolumen erheblich reduziert werden.
Auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit neuer Büroflächen trotz millionenfachen Leerstandes antwortete der Senator:
. . . Wir haben ja bei den Büros das Problem oder die Herausforderung dass . . . viele aktuell bestehende Büroflächen nicht vermietet werden können, weil sie nicht den ESGs entsprechen, also den Environmental Social Governance Kriterien, an die börsennotierte Unternehmen gebunden sind. Und deswegen mieten diese börsennotierten Unternehmen lieber neue Büros, die diese Kriterien erfüllen und zahlen da auch mehr Geld . . . insofern ist jetzt rein wirtschaftlich im Moment der Umbau von Büro alten Büros auf diese Standards ist meistens nicht möglich . . .“
Bei „Environmental-Social-Governance-Kritierien“ zu deutsch Kriterien von “Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung” geht es um die Bewertung der Nachhaltigkeit und des ethischen Handelns von Unternehmen. Offensichtlich hat der Bausenator noch nicht verstanden, dass Instandsetzung, Umbau und Modernisierung von bestehenden Gebäuden um ein Vielfaches ressourcenschonender ist als der Neubau.
Auch in anderen Punkten glänzte der Senator auf der Pressekonferenz nicht mit Sachkenntnis. Angeblich würde nur auf versiegelten Fläche gebaut, wie viele 90-m-Türme da geplant werden, wusste er nicht. Ob er von den negativen Folgen für den Park, wie sie durch die Bebauungsplan-Gutachten zu Klima, Wind und Verschattung belegt werden, jemals gehört hat? Wurde er leider nicht gefragt.
Laut Gaebler könnte die Urbane Mitte Nord frühestens in den 2030er Jahren gebaut werden. Beim Bebauungsplan für die Urbane Mitte Süd soll es schneller gehen. Zur Zeit würde der Plan in den verschiedenen Senatsabteilungen gezeichnet. Noch vor der Sommerpause würde er im Senat beschlossen und dann nach der Sommerpause im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gebracht werden.
Die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. wird das Projekt Urbane Mitte weiter kritisch begleiten und versuchen den Park zu retten. Die AG Gleisdreieck sammelt weiter Spenden, um gegen die Bebauungspläne klagen zu können und um sich gegen Unterlassungsklagen der Investoren zu wehren. Die Petition „Stop Urbane Mitte am Gleisdreieck – für einen Neustart der Planungen“ hat inzwischen über 32.000 Unterstützerinnen und kann weiter gezeichnet werden.
Wer die Klage gegen einen möglichen Bebauungsplan Urbane Mitte unterstützen möchte, kann dies über betterplace. Diese Spenden sind steuerlich absetzbar:
https://www.betterplace.org/de/projects/111038-keine-hochhaeuser-im-berliner-gleisdreieck

Wer die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e. V. bei der Abwehr der Unterlassungsklagen unterstützen möchte, kann eine Spende auf das Konto des Vereins überweisen. Diese Spenden sind nicht steuerlich absetzbar. Konto der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V.: IBAN: DE15 1005 0000 6603 1693 45 bei der Berliner Sparkasse SWIFT (BIC) : BELADEBEXXX