Dahingleiten, aufrecht stehend, ohne Kraftanstrengung den Fahrtwind genießen und in die Landschaft schauen, – ein wunderbares Gefühl. Wenn dann die nötige Energie auch noch aus „Erneuerbaren“ statt aus der Braunkohle stammt, scheint alles gut. Seit ein paar Tagen stehen Anbieter von Escootern an Eingängen zum Gleisdreieck-Park, um die die neuen Geräte zu verleihen. Aber ist der Park der geeignete Ort für die ersten Fahrten mit dem Escooter?
Die Grün Berlin GmbH ist der Meinung, dass Escooter und Fahrräder gleichgestellt seien. Somit wäre das Fahren mit Escootern im Park zulässig. Man könnte die Rechtslage jedoch auch anders sehen. Das neue Gesetz für Escooter besagt, dass Escooter auf Fahrradwegen fahren dürfen. Die Wege im Park sind jedoch keine Fahrradwege. Es sind Gehwege, an denen überall steht:
„Fahrradfahren erlaubt – Fußgänger haben Vorrang“.
Die überwiegende Anzahl der Parknutzer, egal ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, verhalten sich rücksichtsvoll. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen sich Fußgänger bedrängt, bzw. Fahrradfahrer ausgebremst fühlen. Durch die Nutzung der Escooter im Park ist zu befürchten, dass es vermehrt zu komplizierten und gefährlichen Situationen kommt. So zumindest lassen die Erfahrungen vermuten, die andere Städte in den letzten Monaten mit Escootern gemacht haben.
Unter dem Titel „Fluch oder Segen“ berichtet die jüdischen Allgemeine über die 10.000 Escooter die in Tel Aviv seit Anfang des Jahres unterwegs sind. Obwohl die Polizei sich kaum dafür interessiere, gab es in der gleichen Zeit weit über 10.000 Anzeigen, weil gegen alle Regeln verstoßen wird – rücksichtsloses Fahren, ohne Helm, Abstellen an ungeeigneten Orten u.a.
Könnten die Probleme gelöst werden, wenn den unterschiedlichen Verkehren jeweils eigene Wege angeboten werden? Gäbe es reine Fahrradwege, dann könnten die auch die Escooter ruhigen Gewissens fahren.
Die Landschaftsarchitekten vom Atelier Loidl haben in der Planungsphase für den Park mit verschiedenen Farben für die Wege experimentiert. Die rot gefärbten Betonplatten im Ostpark waren für Fußgänger gedacht, der graue Ortbeton und der schwarze Asphalt für die Fahrradfahrer. Parallel dazu war für die Jogger noch eine dritte Spur aus Tartan vorgesehen gewesen, die dann nicht realisiert wurde. Und niemand hat je ernsthaft versucht, den Parkbesuchern das Wegekonzept kommunizieren – und wenn, es wäre erfolglos gewesen, weil Berliner sich in der Regel nicht an solche Hinweise halten.
Nur auf der langen Strecke zwischen Südkreuz und Monumentenbrücke sind die Fahrradfahrer fast allein und können die Geschwindigkeit genießen. Hier besteht de facto ein Fahrradschnellweg.
Aber nur selten lassen sich die unterschiedlichen Verkehre so dauerhaft und harmonisch – ohne gefährliche Kreuzungssituationen – trennen wie in Venedig. Im Flaschenhals und Gleisdreieckpark angekommen, werden die Kreuzungssituationen immer häufiger. Und immer wenn getrennte Verkehre sich kreuzen, entstehen besondere Gefahrensituationen. Je größer die Geschwindigkeitsunterschiede, um so gefährlicher. Das spricht gegen reine Fahrradwege, bzw. Fahrradschnellwege im Park.
Was tun?
„Fahrradfahren erlaubt – Fußgänger haben Vorrang“
Der Satz muss noch besser kommuniziert werden, das ist das wichtigste.
Dazu könnten bauliche Maßnahmen helfen:
- die Verbindung zwischen West und Ost-Park, Verbreiterung auf 6 m ist geplant
- der Weg über die Yorckbrücke Nr. 5 würde die bisherige Nord-Süd-Strecke entlasten
- die Brücke über den Landwehrkanal, siehe www.mittendran.de
- Poller und Drängelgitter an geeigneten Stellen
Update, 18.07.2019
Dass Fahrräder und Escooter im Gleisdreieck-Park gleichgestellt sein sollen, ist nicht nur eine „Meinung“ der Grün Berlin GmbH, wie ich oben im Artikel schrieb, sondern das offizielle mit der Senatsverwaltung Umwelt, Verkehr und Klimaschutz abgestimmte „Wording“. Dies wurde mir heute von der Grün Berlin GmbH mitgeteilt. Matthias Bauer