Aufschlussreiche Nicht-Debatte

SPD und CDU verweigern im Ausschuss für Stadtentwicklung Debatte zur Urbanen Mitte

Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir hier eine Pressemitteilung der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus zu Berlin.

Pressedienst der Fraktion Die Linke im Abgeordnetenhaus von Berlin

Nr. 495
| 20.01.2025

Senat droht Planungsrecht für Urbane Mitte Nord an sich zu ziehen – Koalition verweigert Besprechung im Parlament

Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen stand die Besprechung eines gemeinsamen Antrags der Linksfraktion und der Grünen-Fraktion, in dem der Senat aufgefordert wird, das Planungsrecht für die Urbane Mitte beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu belassen. Entgegen den üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten hat die Koalition aus CDU und SPD aber in die vorliegende Tagesordnung eingegriffen und die Besprechung des Vorgehens des Senats verhindert.

Dazu erklären Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, und die Kreuzberger Abgeordnete Elif Eralp:

„Immer unverhohlener kämpft schwarz-rot für die Interessen zwielichtiger Investoren und gegen die Interessen der Berliner*innen. Das Bauvorhaben Urbanen Mitte ist absolut widersinnig und außer dem Verwertungsinteresse des Investors gibt es überhaupt keinen Grund, warum sich Behörden und Parlamente überhaupt mit so einem Irrsinn beschäftigen sollten.
Der Senat springt dem Investor hier zur Seite für den Bau von sieben Hochhäusern inmitten einer innerstädtischen Grün- und Erholungsfläche als gäbe es keinen Klimawandel. Während die Berliner Hotels höchstens mittelmäßig ausgelastet sind, während 1,3 Mio. m² Büroflächen bereits leer stehen und alle Prognosen von einem weiteren Nachfragerückgang ausgehen, sollen hier 120.000 m² Büro- und Hotelflächen hingeklotzt werden, die niemand braucht und niemand möchte. Die Anwohner*innen kämpfen daher schon lange gegen das Bauvorhaben.

Als hätte es die Sperrung der U 2 durch die Investorenpläne am Alexanderplatz nie gegeben, sollen nicht nur neben, unter und über wichtigen Bahnflächen in Berlin riesige Türme gebaut werden. Um den Wünschen des Investors zu entsprechen, will der Senat jetzt offensichtlich auch noch das Be-bauungsplanverfahren gegenüber der Bahnplanung vorziehen.
Darüber hätten wir heute im Ausschuss debattieren müssen und sind fassungslos, dass die Koalition das verhindert hat und offensichtlich an den an den öffentlichen Interessen vorbeigehenden Plänen festhält.“

Gaby Gottwald, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in Friedrichshain-Kreuzberg, erklärt:

„Der Senat agiert völlig sachfremd und willkürlich. Er täuscht die Öffentlichkeit, denn es geht hier nicht um das Gesamtinteressen Berlins. Hier wird das Verwertungsinteresse eines Kapitalfonds in einer Steueroase bedient, dessen Hauptaktionär ein Tech-Milliardär ist. Der Park wird versaut mit völlig unnützen Bürohochhäusern, damit Anleger ihr Schnäppchen machen.“

8 Kommentare zu “SPD und CDU verweigern im Ausschuss für Stadtentwicklung Debatte zur Urbanen Mitte

  1. Noch einmal nachgelegt, weil es so schön ist und die SPD/CDU im Abgeordnetenhaus ja nicht über ein faktisch gescheitertes Projekt, bzw. den toten Berliner Büroimmobilienmarkt, debattieren kann:
    Der Tagesspiegel berichtete gestern vom Verkauf des Upper West am Breitscheidplatz- ehemals Signa/Benko, dann Insolvenzmasse und jetzt für 450 Millionen Euro an die Schoeller Gruppe verkauft. Letzte Bewertung bei Signa lag in 2023 bei über 700 Millionen Euro. Daraus ergab sich, bei Mieteinnahmen von 18 Mio. Euro in 2022, ein Kaufpreisfaktor von fast 40! Es fließen jetzt noch nicht einmal mehr 450 Millionen Euro in bar, sondern ein Kredit von 200 Millionen Euro, der kurz vor Insolvenz von Schoeller an Signa gewährt worden war, wird (teilweise) verrechnet. Geschossfläche Upper West sind 55000 Quadratmeter, davon 44000 Quadratmeter vermietbare Fläche- also die typischen 80% beim Hochhaus. Wenn man diese Eck-/Marktdaten auf das Projekt Urbane Mitte überträgt, kann man nirgendwo in der Nähe dafür aktuell ordentlich bauen. Insbesondere nicht bei einem Grundstückswert von 160 Mio. Euro. Beim Upper West werden de Mieteinnahmen auch noch verbessert durch die Einzelhandelsflächen an bester Lage in den Sockelgeschossen und die Hotelnutzung. Bei reiner Büronutzung und in verhältnismäßig schlechterer Lage am Gleisdreieck, liefe das noch weiter auseinander. Die Urbane Mitte ist ein Luftschloss- das völlig verzerrende Marketingrendering von O&O Baukunst aus der Vogelperspektive über den Yorckbrücken schwebend, welches der Tagesspiegel bemerkenswerterweise zu jedem Artikel abdruckt, symbolisiert es perfekt.

  2. Gibt es eigentlich niemanden in der Partei der Sozialen Gerechtigkeit, die diesem Irrsinn Einhalt gebieten will?

    Ist Herr Gaebler korrupt oder scheißt er bloß auf alles, was der Sozialdemokratie wichtig ist? Genosse der Immo-Bosse und steuerhinterziehenden Holdings.

    Wo gibts den Widerstand der Genossen? Als ob er bei den Reichen-Arschkriechern und Unterdrückern der FDP Mitglied wäre und kein Sozi. Unfassbar. Was los bei euch? Wie wäre es mit einem ordentlichen proletarischen Rauswurf dieses verräterrischen Schnösels.

    Ich verstehe das nicht. Wieso kann die SPD mal nicht ausnahmsweise wieder gescheite Leute in Führungspositionen bringen? Giffey hat die Hauptstadt Sozialdemokratie ruiniert. So leider voll unwählbar…

  3. Erneuter Bericht in der Immobilien Zeitung 5 vom 30.01.2025 Seite 024:

    “Periskop kauft im Wedding

    Der von Periskop Development (ehemals DLE) beratene Land Development Fund V will 120 Mikroapartments auf einem 1.409 qm großen Grundstück unweit des Humboldthains in Berlin-Wedding errichten. …

    „Gewerblich betriebene Mikroapartments sind zudem eine effektive und rechtssichere Alternative zu unzulässigen Ferienwohnungen und kurzfristigen Untervermietungen, die in städtischen Ballungsräumen zunehmend problematisch sind“, sagt Kempf.
    … ”

    [Meine Anmerkung: Ist das die Zukunft der Urbanen Mitte?]

  4. Der Park am Gleisdreieck ist wohl einer der best genutzten Parks in Berlin. Alle die gegen diese Bebauung sind, sollten dort regelmäßig Demonstationen organisieren, um die Bevölkerung noch besser zu sensibilisieren. Dann kann sich der Senat ein solches undemokratisches Verhalten nicht mehr erlauben.

  5. [Meine Anmerkung: Die Zukunft der Urbanen Mitte?]
    ————
    Aus der http://www.iz.de vom 22.01.2025
    Periskop kauft Areal für Mikroapartments in Berlin-Wedding

    Der von Periskop Development beratene Land Development Fund V hat ein Grundstück in Berlin-Wedding von Project Immobilien erworben, um darauf Mikroapartments zu bauen. Periskop Development hat ein 1.409 qm großes Areal in Berlin-Wedding gekauft. …
    Nach Gesprächen mit dem Bezirk Mitte bestehe die Möglichkeit, an dem Standort ein Aparthotel oder ein Boarding House statt des zuvor vorgesehenen Bürogebäudes zu realisieren,…

    Der Fonds ist auf die Schaffung von Wohnraum ausgerichtet …”

    1. Das ist der Nachfolgefonds V, der im 4.Quartal 2023 aufgelegt wurde und insgesamt 47 Millionen Euro einwerben konnte- Areal Hochstraße 46 am Humbolthain Club. Dieser Fonds V ist ein Witz im Vergleich zum “Gleisdreieck”-Fonds IV, der ja noch 1 Mrd. Euro einwerben konnte. Vormals gab die DLE noch großspurig an, nur Flächen ab 10 Mio. Euro ankaufen zu wollen… Der Abstieg zeigt aber sehr gut, wie kaputt der Kapitalmarkt für diese Anlagen tatsächlich ist. Für die studentischen Mikroappartements wird es auch schwierig- solche möblierten Geschichten für 30 Euro pro Quadratmeter sind ja schon im Parkhausneubeu, Schönegarten, usw. am Gleisdreieck zu Hauf versammelt, stehen dort leer und das ist nicht der S-Bahnhof Humboldthain im Wedding. Irgendwo ist der Deckel des Bezahlbaren eben erreicht. Die Leerstandskrise bei den Büroimmobilien bahnt sich jedenfalls gerade massiv an und wird die ganze Anlageklasse Betongold/Immobilienfonds in eine ultimative Krise stürzen. Das läuft mit gewisser zeitlicher Verzögerung, weil die Leases oftmals für 10 Jahre abgeschlossen werden, die Gelder für Neubauten in der Fertigstellung aus langjährig geschlossenen Fonds stammen, die öffentliche Hand in Berlin erst seit Kurzem zum Sparen angehalten ist usw., aber hier hat sich ein Strukturwandel vollzogen und die überschüssigen Flächen werden absehbar anhaltend leergezogen. Es wundert überhaupt nicht, dass der aktuelle Herr Bausenator- langjähriges Vorzimmerbürogewächs des legendären Spottsenators Geisel…- diese Themen überhaupt nicht wahrnehmen kann. Man steuert dann eben reflexartig gegen per Anruf beim Tagesspiegel und lässt den Strohhalm vollständiger Regierungsumzug nach Berlin wieder durch die Gazetten geistern.

  6. jetzt stellt sich nur die spannende Frage, wie kann man die Politik nachhaltig überzeugen von diesem, oben sehr anschaulich beschriebenen, “größtmöglichen Unsinn” abzulassen ?

  7. Wie gesagt, der Fonds DLE Funds SICAV_RAIF (B238100 im Handelsregister in Luxemburg kostenfrei und ohne Anmeldung online abrufbar), der das Kapital zum Ankauf der Anteile der DLE am Gleisdreieck stellt, läuft insgesamt überhaupt nicht gut, was der letzte Jahresbericht zum Stichtag 31.12.2023 schon beeindruckend illustriert. Das ist ja auch nicht verwunderlich, weil die per Fonds finanzierten Flächenankäufe größtenteils vor Corona und Invasion Ukraine unter völlig anderen Markterwartungen eingekauft worden sind. Der Büroimmobilienmarkt liegt seitdem nachfrageseitig dank Home-Office am Boden. Zudem sind zum aktuellen Zinsniveau, Baukosten, Bodenpreisen und Mieten so gut wie keine Neubauten rentabel finanzierbar. Das drückt selbstredend die einzige echte Variable, den Bodenpreis, ins Bodenlose, weil schlichtweg keine Nachfrage nach unrentablen Bauprojekten besteht. Ein Fonds, dessen Anlageziel es ist, Flächen baureif zu entwickeln und von den dabei entstehenden Bodenpreiszuwächsen zu leben, funktioniert in diesem Marktumfeld einfach nicht mehr, insbesondere nicht mit Flächen, die 2019 und 2020 aquiriert wurden. Vereinbart war bei Auflage, den Fonds bis Ende 2024 geschlossen zu halten, mit zwei einjährigen Optionen zur Verlängerung der Schließung. Diese sind gezogen worden und er bleibt bis Ende 2026 geschlossen. Bis dahin ist es m.a.W. den institutionellen Anlegern nicht möglich, ihre Anteile zu liquidieren, was ja das Fondsmanagement zwingen würde, Kapital zu deren Auszahlung aufzutreiben, d.h. in der Regel investierte Flächen zu beliebigem Preis abzuverkaufen, um Liquidität zu schaffen. Wird nun das Gleisdreieck, welches damals großspurigst als Filetstück des Fonds im Prospekt angepreist wurde und mit seinen etwa 15%-Wertanteil am Fonds, bis Ende 2026 ebenfalls nicht baureif entwickelt, kommt es zum großen Fiasko. Dass zur Entlastung des Fonds nun aber im Nordfeld die Bauplanung auf den Kopf gestellt werden soll, d.h. die Hochhäuser vor abgesegneter Trassierung der S21 geplant werden sollen, ist größtmöglicher Unsinn. Die Abhängigkeit der Bauplanung des Nordefelds von der Beschließung der Trassierung der S21 war immer schon bekannt. Die S21 sollte seit der Wende sinnvoll trassiert wiederhergestellt werden, was von größtem öffentlichen Interesse ist. Die Hochhausgarnitur im Umfeld, sollte sie jemals kommen, weil es hierfür ja nicht nur baureifes Land, sondern auch einen Investor braucht, der das Kapital aufbringen will, sind vollkommen nachrangig. Die ganz genaue Planung/Kostenschätzung der Hochhäuser ist ja nicht öffentlich bekannt, aber zu aktueller Marktsituation ist eine Ausschüttunsrendite von 4-5%, die die DLE großspurig für ihre Projekte in Aussicht gestellt hat, für diese Hochhausbürobauten sicher nicht erzielbar. Es macht folglich auch in Abwägung überhaupt keinen Sinn, den Weg für eine Wolkenburg von Hochhausgarnitur zu Lasten einer sinnvollen Planung der S21 frei zu machen. Dass man sich einer Debatte hierzu nicht stellen kann, ist ein neuerliches unfassbares Armutszeugnis der regierenden CDU/SPD-Koalition.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert