Wozu drei Veranstaltungen zum Ponte Rosa, lamentieren Mitglieder der Grünen. Was für eine Zumutung, wie überflüssig, sich zweimal im Ausschuss für Stadtentwicklung und nun noch einmal einen Freitagabend im BVV-Saal bei der Einwohnerversammlung mit dem Thema herumschlagen zu müssen.
Update 27. 09. 2017:
Bertram von Boxberg von den Grünen hat mich persönlich angesprochen und mich überzeugt, dass der erste, jetzt durchgetrichene Absatz dieses Artikel die Haltung der Grünen nicht richtig wiedergibt. Denn auch die Grünen haben für den Antrag auf Einwohnerversammlung gestimmt und engagiert an der Veranstaltung teilgenommen. Dass es solche Stimmen bei den Grünen gab, war mir zugetragen worden, ich hätte es nachprüfen müssen. Sorry, wenn ich könnte, würde ich den Satz zurückholen.
War die Einwohnerversammlung tatsächlich überflüssig?
Ich werde versuchen, hier einen kleinen Bericht abzugeben im Bewusstsein, dass dies problematisch ist, wenn man selbst mehr als nur Beobachter ist. Aber der Bericht in der Berliner Woche geht zuwenig ins Detail und die Veröffentlichung der Audiodateien und der Präsentationen auf den Seiten des Bezirksamts wird noch auf sich warten lassen, vermutlich solange bis das Thema nicht mehr aktuell ist.
Also, genießen Sie meinen Bericht mit Vorsicht, er ist alles andere als objektiv.
Nach der Begrüßung durch den BVV-Vorsteher, Herrn Böltes und einleitenden Worten des Baustadtrates, Herrn Oltmann, begründete Regine Wosnitza für die Antragsteller den Antrag auf Einwohnerversammlung. Sie erinnerte daran, dass wichtige Weichenstellungen für den Gleisdreieckpark nicht durch Politik und Verwaltung vorgenommen wurden. „Grüntangente statt Westtangente“ hieß der Slogan der BI Westtangente in den 70er Jahren gegen den Bau der Autobahn. Ohne diesen Einsatz gäbe es keinen Gleisdreieck-Park – soviel zum Thema, was Bürgerbeteiligung bewirken kann.
Im Anschluss sprachen Herr W. für die Eigentümergemeinschaft des Grundstücks und der Architekt G. stellte den Entwurf für die 30 Wohnungen vor. Vor ca. 20 Jahren habe man das Gelände mit einem großen Garten von der Bahn erworben. Damals sei eine Bebauung des Gartens keine Option gewesen. Aber man habe nicht allein vom Grün profitieren wollen. Deswegen habe eine Bewohnerin 2002 mit dem Floriansgarten angefangen. Obwohl man dem Projekt mehrmals finanziell unter die Arme gegriffen habe, sei der Biergarten auch dem dem Umbau zum „Ponte Rosa“ nie rentabel geworden. Deswegen habe die Betreiberin des Biergarten 2015 gekündigt.
Auch der Architekt betonte nochmal die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Biergartens. Möglicherweise hätte sich das anders dargestellt, wenn es eine direkte Verbindung zum Flaschenhalspark gegeben hätte. Ohne diesen Zugang jedoch sei der Beschluss gereift, die Fläche zu bebauen. Die Bebauung soll etwa so aussehen:
Ein ca. 100 m langer, ca. 20 m tiefer, zweigeschossiger Sockel bedeckt fast das ganze Grundstück und füllt so den Höhenunterschied zwischen Straße und Bahngelände aus. Frei bleibt eine kleine Ecke am Auflager der Monumentenbrücke. Das alte Bahngebäude aus Klinkern, das jetzt der Eigentümergemeinschaft als Wohnhaus dient, soll abgerissen werden. Auf dem Sockel sind drei viergeschossige Blöcke gedacht, zwischen denen Blicke von der Straße aus ins Bahngelände möglich sind. In jedem Block befinden sich 8 Wohnungen, zusätzlich befinden sich Wohnungen im oberen Geschoss des Sockels. Ganz unten ist die Tiefgarage, die Autos sollen mit Aufzügen hinuntergefahren werden. Die Ansicht von der Parkseite zeigt eine durch Betonbauteile gegliederte Fassade mit großen Glasflächen. Das Bild erinnert etwas an die Villa im Tessin, die Klaus Staeck einst auf seinem berühmten Plakat verwendet hat. Nur eben mehrere davon übereinander gestapelt.
Im Anschluss bekam ich die Möglichkeit, die Kritik der Antragsteller an der Genehmigung des Bauvorhaben vorzustellen. Der kompletten Inhalt meines Beitrags mit allen Folien finden Sie im PDF-Dokument. Hier die Inhalte im Telegrammstil:
- Ponte Rosa ist vom Park durch die Fläche der Museumsbahn getrennt. Der Anschluss des Biergartens an den Park wäre (und ist es heute noch) möglich gewesen, wenn die Museumsbahn in den Park integriert wird. Genau dies haben die Parkplanungen des Atelier Loidl ursprünglich vorgesehen. Die BIM (Berliner Immobilienmanagement) wollte 2014 die Fläche mit der Museumsbahn für den Park abgeben. Der Bezirk war jedoch damals nicht bereit die Fläche anzunehmen.
Ich bitte den Bezirk, das Gespräch aufnehmen mit der BIM, mit dem Ziel, die Fläche in den Park zu integrieren und ich bitte den Grundstückseigentümer, das Bauvorhaben nochmal zu überdenken, wenn der Anschluss des „Ponte Rosa“ an den Park möglich wird. - Die Baugenehmigung für das Vorhaben nach Paragraph 34, Innenbereich? Den in diesem Paragraphen formulierten Anforderungen – keine Beeinträchtigung des Ortsbilds, nach Art und Maß der baulichen Nutzung . . . sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügend. Ist das so? Davon kann wahrlich keine Rede sein.
- Oder handelt es sich hier um Außenbereich nach §35 Baugesetzbuch? Dann wäre das Vorhaben nicht genehmigungsfähig, es sei denn der Bezirk führt ein Bebauungsplanverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit durch. Für die Einstufung als Außenbereich sprechen die Topografie des Bahngeländes, die klare Trennung des bebauten Bereichs vom Freiraum des Bahngeländes durch Straße und Höhensprung, die klaren raumbildenden Kanten der gründerzeitlichen Blöcke auf beiden Seiten des Bahngeländes, das hier die beiden Stadtteil Kreuzberg und Schöneberg trennt. Auf der Westseite stufte der Bezirk das Bahngelände als Außenbereich ein bis zur Oberkante der Böschung. Warum nicht genauso auf der Ostseite?
Ich bitte den Bezirk, die Einstufung des Grundstücks als Innenbereich nochmal zu überprüfen. - Rückblick in die Planungsgeschichte:
- 2014 Lokdepot, nur das erste Gebäude wurde als Brandwandanbau nach §34 Innenbereich genehmigt, der Rest nicht. Warum wird die Fläche „Ponte Rosa“ anders behandelt?
- 2007 Aufstellung des ersten Bebauungsplans 7-21. Planungsziel: „Die . . . bestandsorientierte Sicherung des privaten Grundstücks Kreuzbergstraße ohne Nummer (Flurstücke 21 und 22) als Mischgebiet mit entsprechend geringer Nutzungsdichte . . .“
Ich bitte den Bezirk zu erklären, warum diese Planungsziel aufgegeben wurde?
Anschließend sprach Tilmann Heuser für den BUND, auch er sah die Einstufung des Geländes als Innenbereich nach §34 problematisch. Nicht nur die Bürgerbeteiligung würde so ausgehebelt, auch die Mitsprachemöglichkeiten und die Klagebefugnisse der Naturschutzverbände. Behauptungen, wie die des Architekten, dass durch das Bauvorhaben der Biotopflächenfaktor des Grundstücks verbessert würde, seien nicht überprüfbar, solange es keine Beteiligung gäbe. Mit dem §34 würde zu großzügig umgegangen. Als Ausweg sah er nur ein ordentliches Bebauungsplanverfahren.
Für die Abteilung Stadtentwicklung des Bezirks antwortete Herr B. und verteidigte die Einstufung der Fläche nach §34 Innenbereich. Das Vorhaben würde sich einpassen in die vorhandene Siedlungsstruktur, die den Eindruck von Geschlossenheit vermitteln würde!
Herr K., der Leiter des Stadtentwicklungsamtes, sprach von der perforierten Stadtkante, die hier entstehen solle, was natürlich etwas anderes ist als das Einpassen in etwas Vorhandenes. Seine Nachfolgerin Fr. C. sprach sehr allgemein vom aus dem Grundgesetz abgeleiteten Baurecht, wobei sie vermutlich nicht den Passus „Eigentum verpflichtet“ des Artikels 14 meinte. Sie führte aus, dass die Grenze zwischen §34 Innenbereich und §35 Außenbereich festgelegt sei durch eine rote Linie am Fuße der Böschung. Nach Intervention der Senatsverwaltung sei diese Grenze noch etwas nach Westen verschoben worden und läge nun – welch ein Zufall – genau auf der Grundstücksgrenze zwischen Ponte Rosa und Bahngelände.
Diese „rote Linie“ – platziert von der übergeordneten Behörde – war im übrigen das einzige Argument, das von der Verwaltung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich vorgetragen wurde. Topografie, Höhensprung, Straße, bauliche und landschaftliche Strukturen – kurz gesagt die physische Realität des Ortes – spielt alles keine Rolle, wenn die die übergeordnete Behörde sagt, wie die Sache zu sehen ist. Man fragt sich, ob die Anweisung von oben bestellt wurde oder ob die Senatsverwaltung von selbst auf die Idee gekommen ist. Wie bequem, wenn einem das Argumentieren abgenommen wird, so könnte auch die Erde wieder zu einer Scheibe umdefiniert werden.
In der Diskussion beteiligten sich zahlreiche Anwohner_innen. Keine einzige, kein einziger äußerte sich positiv zum Bauvorhaben. Bedauert wurde der Verlust des Ortes. Bedauert wurde der Abriss des historischen Bahngebäudes. Herr W. antwortete darauf für die Eigentümer, dass hier ein Kriegsschaden noch nachwirke, der damals nur notdürftig repariert worden sei und nun sei das Haus baufällig.
Bedauert wurde die Versiegelung, der Verlust von Bäumen. Mehrfach wurde die Höhe der neuen Gebäude, die Höhe der Traufkante kritisch hinterfragt. Hier antwortet der Architekt, dass nicht die Traufhöhe, sondern die Firsthöhe (des Flachbaus!) entscheidend sei, diese läge bei ca. 13,5 m.
Bedauert wurde, dass wie schon bei vielen Bauvorhaben am Gleisdreieck wieder nur hochpreisige Wohnungen entstehen würden. Regine Wosnitza schlug vor, statt der 3300 m² Geschossfläche doch auf 5000 m² hochzugehen, damit die kooperative Baulandentwicklung und damit die Verpflichtung auch ein Teil Sozialwohnungen anzubieten, zum Zuge kommt.
Bedauert wurde das Fehlen einer übergreifenden Planung. Es gab den Vorschlag, ein Bebauungsplanverfahren für die Ostseite des Flaschenhalses durchzuführen. Da geht es um das ganze Gebiet von der Yorckstraße bis zur Monumentenbrücke. Denn auch auf den Flächen von Auto-Atu, Aldi und Lidl soll demnächst Wohnungsbau stattfinden – vermutlich auch ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Gäbe es ein Bebauungsplanverfahren für diesen Raum, eröffnete sich die Möglichkeit innerhalb des Gesamtplans den Streifen an der Monumentenbrücke mit dem Ponte Rosa als Grün zu erhalten. Auch die Frage der kooperativen Baulandentwicklung und der Sozialwohnungen würde sich dann ganz anders stellen.
Und die Parteien?
Axel Seltz von der SPD, Vorsitzender des Ausschuss für Stadtentwicklung bemängelte, dass zu viel über Gesetze gesprochen würde, man müsse doch politisch diskutieren. Dabei war genau das das Politische an der Debatte, die Kritik an der undemokratischen Planungspraxis mithilfe der Paragraphen, an dem Missbrauch des §34 Innenbereich durch die Verwaltung. Politik wäre, dies zu unterbinden zugunsten einer demokratischen Planungskultur.
Einen anderen Weg versuchte der Bezirksverordnete Bertram von Boxberg von den Grünen: Charity statt Politik. Bertram schlug vor, doch zwei der 30 Wohnungen für Behinderte zur Verfügung zu stellen. Die Antwort kam postwendend. Das Füllhorn sei nicht gefüllt, bemerkte Herr W. für die Eigentümergemeinschaft.
War die Einwohnerversammlung also überflüssig?
Die Diskussion zeigt, dass die Bürger Interesse haben an der Gestaltung, dass sie mitreden wollen und können, dass sie sich wehren, wenn ein beliebter, öffentlich genutzter Raum, verschwinden soll.
Auch wenn sich Verwaltung hier über alle Argumente hinwegsetzen wird, war es wichtig, die Kritik am Bauvorhaben und an der Genehmigungspraxis zu formulieren.
Aus meiner Sicht war die Einwohnerversammlung nicht überflüssig, sie hat sichtbar gemacht, wie im Bezirk Tempelhof-Schöneberg Stadtentwicklung betrieben wird, sie beleuchtet einen Tiefpunkt der Planungskultur.
Matthias Bauer