„Grüntangente statt Westtangente“ lautet die Parole der Bürgerinitiativen im Kampf gegen die Autobahn Westtangente in den 70er und 80er Jahren. Heute sind alle froh, dass die Ökospinner und Querulanten von damals sich durchgesetzt haben. Und die selben Verwaltungen, die früher die Autobahn auf ihrer Agenda hatten, planen heute Fahrrad- und Fußwege. Vom Gleisdreieck-Park ausgehend führen die Wege über den Graben der Yorckstraße hinweg entlang der Wannsee- und der Anhalter Bahn nach Süden und werden über die Kurve an der Cherusker Straße miteinander verbunden. „Schöneberger Schleife“ wird dieses neue Wegesystem genannt.
Auf einem „Werkstattgespräch zum Nord-Süd-Grünzug und zum Flaschenhals“ im Rathaus Schöneberg am 22. 04. 10 berichteten die Verwaltungen über den aktuellen Stand der Planung. 12,3 Mio. € aus Mitteln des Stadtumbau West und sogenannte GA-Mittel (was heißt eigentlich GA?) sollen in den nächsten drei Jahren dafür ausgegeben werden. Für Ankauf von Flächen, für den Umbau von Kabelkanälen der Deutschen Bahn AG, für den Bau der Wege, der Eingänge und für die Gestaltung der Flächen. Hört sich gut an. Trotzdem war die Atmosphäre gespannt. Ca. 50 Leute waren gekommen und viele waren unzufrieden mit der Umsetzung der grünen Wege.
Erstes Thema:
Vom Gleisdreieck kommend führt der überregionale Fahrradweg auf der Ostseite der neuen Fernbahn entlang bis zur Monumentenbrücke. Südlich der Brücke werden große Rampen gebaut, um mit einer Spitzkehre dann auf die 5 bis 6 m höher liegende Brücke zu kommen. Auf der Westseite der Brücke geht es dann mit einer langen Rampe Richtung Kolonnenbrücke wieder hinunter auf das Bahngelände. Ein Kraftakt im mehrfachen Sinne. Für die Fahrradfahrer, weil’s bergauf geht und auf halber Höhe die Rampe ihnen auf engsten Raum eine Richtungsänderung um 18o Grad abverlangen wird. Für die Natur ist es ein schwerer Eingriff, weil auf beiden Seiten alte Bäume weichen müssten und natürlich ist der Bau der raumgreifenden Rampen auch ein finanzieller Kraftakt. Warum nicht den gesamten Fahrradweg auf der Westseite führen? Der Weg würde dann ohne Höhenversprung vom Gleisdreieck bis zum Südkreuz führen können. Positiver Nebeneffekt dieser Wegeführung: auf Höhe der Großgörschenstraße könnte der Bautzener Kiez einfach an das neue Wegesystem angeschlossen werden und hätte damit auch einen Zugang zum Gleisdreieck-Park nach Norden. So argumentierten viele der Anwohner. Das Geld aus dem Topf Stadtumbau-West könne auch für den Kauf der Brachfläche an der Bautzener Straße zwischen Großgörschen- und Yorckstraße ausgegeben werden. Baustadtrat Krömer reagierte etwas entnervt und sprach von „Partikularinteressen“ und dass der Grundstückseigentümer VIVICO „nicht verkaufen wolle“ und dass die Anwohner den Zugang ja bekommen hätten, wenn das Projekt „Selfstorage“ geklappt hätte. Denn im Gegenzug für den Bau des Lagerhauses hätte der Investor ein Wegerecht eingeräumt, um auch nach Norden über die alte Yorckbrücke „Nummer 5“ in den Gleisdreieck-Park zu kommen.
Zweites Thema:
Umgang mit den vorhandenen Grün. Anders als auf dem Gleisdreieck-Park, der mehr von Spiel und Sport geprägt werde, sei im Flaschenhals der Erhalt der Natur angesagt, betonte die Vertreterin des Atelier Loidl, Frau Mühlbauer. Sie unterschied drei Zonen auf der Fläche östlich der neuen Bahn zwischen Yorckstraße und Monumentenbrücke: den Stadtwald und den Vorwald, in denen keine Eingriffe geplant seien – ausser den mit eckigen Richtungswechseln verlaufenden Fahrradweg – sowie eine Fläche, die sie den „Offenen Bereich“ nannte. Hier sollen „einige Baumgruppen erhalten bleiben“. Nach den schlimmen Erfahrungen am Gleisdreieck läuten bei so einer Aussage natürlich die Alarmglocken. Auf die Frage, wieviele Bäume denn nicht erhalten bleiben, antwortete sie leider nicht mehr.
Drittes Thema:
Die Werkstattgespräche sind keine echten Werkstattgespräche. Vieles sei schon im Vorfeld entschieden. Vom Podium mit Baustadtrat Krömer kamen hierzu widerprüchliche Antworten. Einerseits wurde betont, dass Einzelheiten noch auf Folgeveranstaltungen diskutiert werden könnten. Andererseits hieß es, nun komme man in die Phase der „Objektplanung“, was bedeutet, dass die grundsätzlichen Entscheidungen schon gefallen seien. Ralf Kühne, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen in Tempelhof-Schöneberg, fragte, wer entscheidet? Und wie kommt es, dass Grün Berlin und Atelier Loidl ohne Ausschreibung den Auftrag für den Flaschenhals bekamen? Letztlich blieben die Fragen unbeantwortet.
Ausführlicher Bericht “Werkstatt oder Schaufenster” über die Veranstaltung auf dem Landwehrkanalblog und (Nachtrag am 3. 05. 10) “Werkstattgespräche im Praxistest” auf bi-gasometer.de
Weitere Artikel zum Thema auf gleisdreieck-blog.de:
- Bautzener Strasse, Bretter vorm Kopf
- Selfstorage an der Bautzener Straße: Irrtum, temporäres Gebäude oder Fake?
- Endet der Fahrradweg Berlin-Leipzig in einer Sackgasse?
Ergänzung am 25. 06. 2010: Offizielle Dokumentation der Veranstaltung vom 22. 04. 2010
Die Bilder (wurden auf der Veranstaltung am 22. 04. 10 gezeigt) können durch Mausklick vergrößert werden.