Ohne große Feierlichkeiten, als sei es das normalste der Welt, wurde vor ein paar Tagen ein neuer Eingang in den Westpark des Gleisdreiecks eröffnet. Er führt von der Yorckstraße über das Grundstück des Baumarktes Hellweg und ist nicht so schick wie die vom Atelier Loidl gestalteten Eingänge. Diesmal waren Leute am Werk, denen die Gestaltung völlig egal war. Insofern passt der Eingang zum Baumarkt. Und er funktioniert, er ist sogar „barrierefrei“, wenn man mal von den ästhetischen Barrieren absieht. Eine alte Dame aus Schöneberg konnte den Weg schon meistern – mit Rollator!
An der Yorckstraße weist ein Schild der Grün Berlin GmbH den Weg. Offensichtlich hatte man Bedenken, der Eingang könne übersehen werden. Ein kurzes Stücken führt der Weg übers historische Pflaster, dann ist für Fußgänger ein schmaler Streifen am östlichen Rand des Parkplatzes markiert, eine reine Pflichtübung. Die meisten Parkbesucher werden diese Markierungen gar nicht wahrnehmen.
Am nördlichen Ende des Parkplatzes sorgt eine Schranke dafür, dass Autofahrer nicht weiterkommen. Zu Fuß gehts den mit Betonsteinen gepflasterten Weg hoch. Sieht aus, als hätte der Baumarkt hier sein eigenes Material verbaut.
Rechter Hand liegt auf dem erhobenen Niveau eine leere Fläche. Irgendwann soll hier der über die Yorckbrücke Nr. 5 kommende Weg für Fußgänger und Radfahrer ankommen. Und – nach jetzigen Kenntnisstand – soll hier ab 2025 die neue S-Bahnlinie S21 gebaut werden. Dann läge die Fläche eingeschlossen zwischen Bahntrassen – eine Gleisinsel.
An dieser kleinen Fläche wird die ganze Absurdität der Grundstücksdealerei am Gleisdreieck deutlich. Die Gleisinseln zwischen der Trassen der S21 und der Regionalbahn Potsdam, (beide Bahnlinien existieren noch nicht) sind laut städtebaulichen Vertrag zwischen VIVICO und Land Berlin von 2005 als ökologische Ausgleichsflächen vorgesehen für die vier Baufelder. Flottwellstraße und Möckern/Yorckstraße sind gerade im Bau, der Baumarkt im Yorckdreieck ist schon fertig. Das vierte Baufeld „Urbane Mitte“ am U-Bhf- Gleisdreieck wird noch etwas auf sich warten lassen. Die Fläche der Gleisinseln mit den ökologischen Ausgleichsflächen sollen laut Vertrag für zweimal 10 Jahre beginnend mit dem Jahr 2005 vom Land Berlin verwaltet werden. Sollte bis zum Ende der 20-Jahre-Frist keine Planfeststellung für die hier vorgesehenen Bahnen erfolgt sein, dann sollen die Flächen ins Eigentum des Landes Berlin übergehen. Soweit der städtebauliche Vertrag von 2005, Link zum Vertragstext.
Diese Vertragskonstruktion hat die VIVICO allerdings nicht daran gehindert, die gesamte Fläche mit den Gleisinseln, darunter auch die Fläche, auf der sich der Beachvolleyball befindet, an die Firma Hellweg zu verkaufen. Für die VIVICO wahrscheinlich eine zusätzliche Einnahme, für die Firma Hellweg war es im wesentlichen nur unnötiger Beifang, denn das Sagen hat hier laut städtebaulichen Vertrag das Land Berlin.
Allerdings deutet der Sachverhalt auf ein noch weitergehendes Problem hin, das wahrscheinlich nicht nur nur am Gleisdreieck existiert. Laut Eisenbahnneuordnungsgesetz von 1993 (Eisenbahnneuordnungsgesetz bei Wikipedia) sollte die Deutsche Bahn nur Flächen an die Eisenbahnimmobilienmanagement GmbH übertragen, die die Bahn nicht mehr für ihren Betrieb braucht. Die Eisenbahnimmobilienmanagement GmbH wurde im Jahr 2001 in VIVICO umbenannt, die dann 2007 von der Bundesrepublik Deutschland an die österreichische CA Immo verkauft wurde. Und im Portfolio der Ca. Immo/VIVICO sind offensichtlich auch Flächen gelandet, die laut Gesetz dort nicht hätten landen dürfen, da sie noch für Bahnbetrieb gebraucht werden.
Zurück zur der kleinen Brachfläche oberhalb des Weges, den Ausgangspunkt für diesen Exkurs zu den Grundstückdeals. Hinter den Kulissen wird zur Zeit hart gerungen um Zwischennutzungen für die Fläche. Erst sollten die zu sanierenden Yorckbrücken hierhin transportiert werden. Benötigt wird ein Ort, an dem die ausgebauten Brückenstege repariert, gesandstrahlt und neu beschichtet werden können. Nun soll das irgendwo anders geschehen, aber wo? Auf der Bautzener Brache? Im Ostpark?
Auf der letzten Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe Gleisdreieck (PAG) berichteten Senatsverwaltung und Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dass sie hier den Kinderzirkus Cabuwazi unterbringen möchten, der seinen Standort am Ostbahnhof verliert.
Für die Senats- und Bezirksverwaltung ist es eine Fläche, auf der sie endlich mal ohne bürokratische Genehmigungsverfahren und ohne störende Bürgerbeteiligung frei handeln kann. Die vertragliche Festlegung als ökologische Ausgleichsfläche interessiert dabei offensichtlich gar nicht. Und der Kinderzirkus Cabuwazi ist ein sehr sympathisches Projekt, dagegen ist schwer etwas einzuwenden.
Mit den beiden Zelten Cabuwazi und Shake-Berlin wäre jedoch eine der letzten zu gestaltenden Flächen im Bereich des Gleisdreieck-Parks auf Jahre verplant. Die wahrscheinlich letzte Chance noch ein Gartenprojekt im Gleisdreieck-Park zu starten, wäre vertan. Die Leute, die immer wieder nach Möglichkeiten für solche Projekte fragen, müssten sich woanders umsehen.
Weiter die Böschung hoch. Oben angekommen läuft der Weg ein Stück lang auf einem mit Betonplatten belegten Damm. Westlich fährt die S1 ein paar Meter tiefer in den Tunnel, östlich befindet sich ein noch tieferer, zugewucherter Graben, Ausgang aus einem weiteren, im spitzen Winkel die S-Bahn unterquerenden Tunnel. Gesäumt wird der Damm beidseitig von sogenannten Schrammborden. Das sind schwere Betonfertigteile, die verhindern sollen, dass ein Fahrzeug von hier in einen der beiden Gräben fallen kann. Und auf den Schrammborden ist ein solider Zaun montiert. Das Zeichen ist eindeutig: Bitte nicht Drüberklettern, Gefahr!
Früher war jeder, der sich hier herumtrieb, im klaren, dass er illegal auf dem Gelände ist und hat entsprechend aufgepasst. Heute haben wir eine andere Situation. Das Gleisdreieck ist eine öffentliche Parkanlage und jede Gefahrenstelle muss entschärft oder gesichert werden. Das tragische Unglück im Frühjahr diesen Jahres, als ein 13jähriger Junge hier in den S-Bahntunnel kletterte und ums Leben kam, hat dies sehr deutlich gemacht.
Die Sicherungsmaßnahmen sehen zwar martialisch aus, sind aber nicht übertrieben, sondern angemessen. Und in wenigen Wochen werden sie so bunt sein, wie es sich für Berliner Mauern gehört.