Im September gab es zwei öffentliche Veranstaltungen, auf denen die Planungen für den Westpark des Gleisdreiecks vorgestellt wurden, am 6. September eine Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung des Berliner Abgeordnetenhauses und am 27. September das Planungsforum im Gemeindesaal der 12-Apostel-Kirchengemeinde an der Kurfürstenstraße.
Das gleiche Thema, doch zwei völlig unterschiedliche Veranstaltungen. Im Abgeordnetenhaus stand nicht der Parkentwurf selbst im Vordergrund, sondern die Frage des Vereinssportes. Die in den Ausschuss eingeladenen Experten waren Frau Schöttler, Stadträtin im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Herr Hammer vom Landessportbund, Herr Uffelmann von der Arge Friedrichshainer-Kreuzberger Sportvereine, Herr Schmidt, Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH und Matthias Bauer für die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck.
Zum eigentlichen Parkentwurf sagten die Sportvertreter nichts. Stattdessen inszenierten sie sich als Verlierer der jahrelangen Auseinandersetzung um den Vereinsport am Gleisdreieck. Sie unterstellten, andere Lösungen am Gleisdreieck wären möglich gewesen, wenn sie politisch erwünscht gewesen wären. Aber sie waren nicht in der Lage zu skizzieren, wie diese Lösungen hätten aussehen können. Stattdessen versuchten sie, die alte Neiddebatte gegen die Kleingärtner wieder zu entfachen. So behauptete Herr Hammer (LSB), „dass das Land Berlin Kleingärten im Wert von 1,3 Millionen Euro erworben hat“. Genau diese Frage wurde jedoch am Runden Tisch zum Gleisdreieck ausführlich behandelt und Herr Hammer war dabei. Die Feststellungen am Runden Tisch waren eindeutig: Für den Grundstückstausch (20.000 m² im Yorckdreieck gegen 4,1 ha auf dem Potsdamer Güterbahnhof südlich der U2) ist kein Geld geflossen, es handelte sich um einen wertgleichen Tausch. Und von den 4,1 ha, die das Land Berlin bei dem Tausch bekommen hat, sind nur etwa die Hälfte Kleingärten. Herr Hammer weiss dass alles und behauptete trotzdem etwas anderes.
Das unsportliche Nachtreten könnte man verschmerzen, wenn die Sportvertreter damit nicht auch ihre eigenen Interessen beschädigen würden. Zur Zeit scheinen sie unfähig, die Chancen zu ergreifen, die sich aus der Arbeit des Runden Tisches Gleisdreieck ergeben. Die Zusicherung der Senatsverwaltung, auf dem Tempelhofer Feld 6 Felder für Sport einzurichten, ist ein Erfolg des Runden Tisches Gleisdreieck. Statt diese Sportfelder mitzugestalten, betonten die Sportvertreter, dass sie das „nicht mehr erleben“ würden. Gleiches gilt für den Vorschlag, ein Sportfeld in unmittelbarer Näche des Gleisdreieckparkes auf dem Dach des Baumarktes von Hellweg im Yorckdreieck einzurichten. Frau Schöttler stellte fest, dass dieses Sportfeld nicht für Vereine aus ihrem Bezirk zugänglich wäre, Herr Uffelmann behauptete, dass dort zu wenig Umkleidekabinen wären und keine Punktspiele ausgetragen werden könnten, weil der Baumarkt an Wochenenden nicht geöffnet sei. Wird spannend sein zu sehen, ob die Sportvertreter bei ihrer Verweigerungshaltung bleiben oder ob sie im anstehenden Bebauungsplanverfahren zum Yorckdreieck ihre Interessen einbringen und mithelfen, vernünftige Lösungen für diese Fragen zu finden.
Dank der großen Präsenz der Sportvertreter in der Anhörung ergab sich aber auch die Chance, den gesamten Diskussionsverlauf des Runden Tisches darzustellen. Von der Erkenntnis, dass der ursprünglich vorgesehene Ort für die Sportfelder anstelle der Kleingärten keine Lösung gewesen wäre, selbst wenn schon alle Kleingärten abgeräumt worden wären, über den Vorschlag, den Sport in die Mitte des Geländes zu legen, was ein wichtiger Schritt war, um den Sport zu einem Thema für alle an der Parkplanung Beteiligten zu machen. Dieser Vorschlag hat dann schließlich die Lösungen Tempelhofer Feld und Yorckdreieck möglich gemacht. Und die Arbeit des Runden Tisches unter der Leitung von Bürgermeister Schulz war auch Voraussetzung dafür, dass in der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe der Entwurf für den Westpark so positiv verändert werden konnte. In den Wortmeldungen aller Abgeordneten wurde deutlich, dass die Lösungen des Runden Tisch Gleisdreieck akzeptiert werden (trotz parteipolitisch motivierter Vorbehalte) und dass für alle der aktuelle Parkentwurf akzeptabel ist. „Im Bereich Westpark ist es nun gelungen einen Konsens zu erzielen, und dieser Konsens, glaube ich, ist schon ein Wert für sich.“ sagte Staatssekretärin Krauzberger zum Abschluß.
Wortprotokoll :
http://www.parlament-berlin.de/ados/16/StadtVerk/protokoll/sv16-070-wp.pdf
Nun zum 27. 09. 2010 im Saal der 12-Apostel-Gemeinde. Hier war der neue Parkentwurf ausschließliches Thema, die Vorgeschichte mit dem Runden Tisch und dem Vereinssport spielte keine Rolle mehr. Rund 120 Besucher saßen sich gegenüber, inspiriert von der Sitzordnung des englischen Parlamentes. Gemeinsam stellten die Mitglieder der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe den neuen Parkentwurf dar. Herr Schwarz vom Atelier Loidl machte den Anfang, zeigte die große Wiese als verbindendes Element, das unter den beiden Brücken der Hochbahnen U1 und U2 durchläuft und so alles zusammenhält vom Landwehrkanal bis zur Yorckstraße. Der westliche Hauptweg verläuft nicht mehr durch die Kleingartenanlage, sondern auf dem vorhandenen Fahrweg der Baulogistik, also östlich der Kleingärten. Die Wiese wird dadurch im mittleren Teil zwischen U1 und U2 etwas schlanker als im früheren Plänen, aber dafür läuft sie unter der U2 hindurch ca. 160 m nach Süden. Allein mit diesen Planänderungen sind schon die wichtigsten Kritikpunkte an dem dem alten Plan erledigt: die Integration der Gärten ist geschafft, mehr Respekt vor der vorhandenen Vegetation durch Nutzung der vorhandenen Trassen als Wege und die Anbindung nach Süden zur Yorckstraße.
Auch im Detail hat sich einiges verändert: der Multifunktionale Platz unter der U1 ist nicht mehr voll asphaltiert. Die vielen sich hier kreuzenden Wege führen nicht mehr frei über den Platz, sondern werden gebündelt. Zwischen den Wegen befinden sich Spielfelder auf einem Belag aus Tartan, hier wurden Ideen (Labyrinth, Zahlenspiel, Basketball) aus dem Workshop des Kinder- und Jugendrats Tiergarten Süd aufgenommen. Der daran angrenzende Eventplatz (heißt jetzt Kiezfestplatz) ist ebenfalls nicht mehr aus Asphalt, sondern aus Schotter, auf dem Königskerzen wachsen werden. Die Wiese auf dem angrenzenden Tunnelmund bleibt einfach eine Wiese, die Wege links und rechts der Wiese werden befestigt. Westlich an die Betonkonstruktion des Tunnelmundes wird eine Anlage aus Holzterrassen mit Beach gebaut werden, zum Chillen in der Nachmittagsonne, könnte einer der Treffpunkte im zukünftigem Park werden. An dieser Stelle ist ein Eingriff in die vorhandene Vegetation notwendig. Vorgelagert vor die Betonkonstruktion des Tunnels befindet sich ein Wall, der zur Wiese hin ca. 1 m abfällt und zur Tunnelkonstruktion bis zu 2 m. Auf diesem Wall waren die Schienen für eine Kranbahn verlegt, die bis zum Jahr 2000 die Tunnelbaustelle versorgte. Durch das Abbauen der Schienen wurde der Damm aufgerissen, in dem lockeren Material haben sich Bäume angesiedelt. Birken, Pappeln, ein Apfelbäumchen. Von diesen Bäumen wurden sieben Bäume in das Gutachten von Fechner aufgenommen, der alle Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 30 cm in 1 m Höhe aufgelistet hat. Für den Bau der Terrassenanlage muss der Damm jedoch weg, eine solche Barriere zwischen zwischen Wiese und dem Sonnendeck wäre Quatsch, zudem sind die Bäume teilweise nicht standfest. Das ist im übrigen die einzige Stelle, an der Bäume, die im Fechner-Gutachten aufgenommen sind, gefällt werden müssen. Nach früheren Plänen waren wesentlich mehr Baumfällungen vorgesehen, nämlich rund 50.
Den Bereich südlich der Kurfürstenstraße stellte Klaus Trappmann, Vorsitzender der POG und gewählter Anwohnervertreter vor. Hier weitet sich der Parkrahmen und nimmt die Kleingärten, ein Birkenwäldchen, den Marktplatz, den Naturspielplatz, den konventionellen Spielplatz und den Standort für ein Café auf. Während der nördliche Teil des Parks sehr urbanen Charakter habe, sei hier der dörfliche, langsame, entschleunigte Teil des Parkes, mit unbefestigten Wegen. Die weitere Gestaltung – wie wird der Marktplatz als Ort der Begegnung aussehen, wie werden die öffentliche Flächen innerhalb der Kleingarten genutzt, ob es eine direkte Verbindung zum Nelly-Sachs-Park gibt – dass wird noch in der Arbeitsgruppe „Gärten in den Gärten“ entwickelt werden.
Den Teil südlich der U2 stellte Gabriele Hulitschke vom Quartiersrat Magedeburger Platz vor. Durch die große Wiese wird der Beachvolleyballplatz etwas schmaler, südlich der Wiese ist ein Bolzplatz (35 x 22 m) vorgesehen. Die südliche Spitze des Geländes bis zur Yorckstraße soll vom Eisenbahnwildwuchs geprägt bleiben. Am östlichen Rand befindet befindet sich ein Areal für den Hundeauslauf, den Gabriele Hulitschke als Hundespielplatz vorstellte und der hoffentlich dazu führt, dass die Hundebesitzer im Rest des Parkes ihre Tiere an der Leine führen. Die Wegeverbindung Richtung Yorckstraße/Bautzener Straße führt hier vorbei. Neben der Integration der Kleingärten in den Park wird dies ein zweiter Schwerpunkt der zukünftigen Parkplanungen sein.
Viele der Besucher, die bisher nicht mit den Diskussionen und den Parkplanungen vertraut waren, waren geplättet von der Menge an Information und reagierten mit zahlreichen Fragen. Gibt es eine Verbindung Pohlstraße – U-Bhf. Gleisdreieck ? – natürlich über den Platz unter der U1. Was ist mit den Bauflächen Flottwellpromenade? Bürgermeister Schulz, der an der Versammlung teilnahm, meldet sich hier zu Wort und berichtete, dass es zur Zeit keinen Investor gibt. Die Frage, wie mit diesen Flächen umgegangen wird, ob sie beispielsweise als Zwischennutzung in den Park integriert werden können, konnte leider nicht weiter vertieft werden, zu eng war der Zeitplan des Abends. Die Skater fragten nach Flächen und berichteten über die von Tauben vollgeschissene Skateanlage unter der U2 am Bülowbogen. Fr. Krokowski von Grün Berlin zeigte ihnen auf dem Plan das Areal für Skater, das zur Zeit im Ostpark gebaut wird zwischen Fernbahn und Wäldchen. Wichtiges Thema war für viele der Umgang mit Prostitution und Drogen. (Zum Thema Prostitution gibt es einen netten Bericht bei hechelgelbling.blogspot.com.) Im Park wird es nicht mehr möglich sein, mit dem Auto hineinzufahren. Die die Autoprostitution wird sich also andere Orte suchen müssen. Am Eingang Kurfürstenstraße werden viele öffentliche Nutzungen verortet, Café, Spielplätze. Je mehr Menschen diese Orte nutzen, umso mehr soziale Kontrolle wird entstehen und damit gegen Drogen und Prostitution wirken. Michael Klinnert (QM Magdeburger Platz) schlug vor, das Café an dieser Stelle so auszuschreiben, dass „Existenzgründer“ aus dem Stadtteil bevorzugt werden. Die Lage des Hundeauslaufs wurde kritisch gesehen, weil die Hundebesitzer soweit durch den Park laufen müssten, bevor sie dort ankommen. Aber wäre der Hundeauslauf direkt an einem Eingang eine Lösung? Müssten dann nicht alle, die den Park nicht genau an diesem Eingang betreten noch weiter laufen? Kritik gab es an den asphaltieren und betonierten Wegen, die zum Joggen nicht so angenehm sind. Fr. Renker, Senatsverwaltung beantwortete die Frage mit dem Hinweis auf Kosten (pflegeleicht) und mit der Nutzung: zum Fahrradfahren und Skaten ist Asphalt das richtige. Jogger könnten sich auch ihre eigen Wege finden auf unbefestigten Flächen im Parkrahmen und auf der Wiese.
Kritik kam von Seiten der Naturschützer, gegen den Marktplatz, weil dort jetzt eine Wildwiese ist, gegen die Abholzungen im Bereich der großen Wiese, überhaupt dagegen, dass die Wiese unter der U2 weiter nach Süden geht und insbesondere gegen den Bolzplatz am südlichen Ende der Wiese. Diese Kritik kam auch teilweise von einzelnen Mitgliedern der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe, die als Anwohnervertreterinnen selbst an der Entwicklung des jetzt vorgestellten Plans mitgewirkt hatten. Es wäre besser gewesen, sie hätten in der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe in den vergangenen Monaten rechtzeitig Vorschläge eingebracht, z. B. für einen alternativen Standort Hundeauslauf, für einen besseren Marktplatz, für eine praktische Lösung für den Erhalt der sieben Bäume am Tunnelmund. Es gab jedoch keine praktischen Vorschläge, auch am Abend des 27. 09. nicht. Der Bolzplatz solle nicht anstelle der Ruderalvegetation sondern auf der Fläche des Beachvolleyballplatzes platziert werden. Das war der einzige, scheinbar konkrete Vorschlag an diesem Abend. Easy, einfach mal so ein Problem auf Kosten von Dritten lösen zu wollen. Der Vertreter von Beach 61 antwortete prompt und wies daraufhin, dass der Beachvolleyball durch den neuen Plan sowie schon erheblich Fläche einbüßen würde.
Fazit: durch die Bürgerbeteiligung wurde der Plan für den Westpark sehr positiv verändert. Bürgerbeteiligung bedeutet aber nicht nur, Interessen zu formulieren und Forderungen aufzustellen. Wer etwas erreichen möchte, sollte sich auch selbst konstruktiv Gedanken machen. Wie kann etwas aussehen, wo passt es hin? Bürgerbeteiligung heißt meiner Meinung auch, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Dies bedeutet im konkreten Fall, dass wir zu dem in der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe gefundenen Kompromiss stehen und gemeinsam nach Lösungen für die noch offene Fragen suchen.
Materialen und Links
- Bericht auf dem Landwehrkanalblog: Planer und BürgervertreterInnen präsentieren modifizierten Entwurf
- Danke, POG darf bleiben!
- Ergebnisprotokoll Projektbegleitende Arbeitsgruppe, Stand 18. 08. 2010
- Link zu gemeinsamen Presserklärung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe vom 18. 08. 2010
- Stellungnahme des Quartiersrat Schönberger Norden vom 01. 09. 2010
- der neue Plan als hochauflösendes PDF-Dokument auf den Seiten des Schöneberger Norden