Reaktionen auf die nächtlichen Partys

Mehr Polizei, mehr Ordnungsamt, mehr Reinigungszyklen und ein großer Kronkorken

In Hamburg wird in bestimmten Stadtteilen der Verkauf von Alkohol zum Mitnehmen verboten, in Frankfurt steht der Opernplatz unter nächtlicher Aufsicht der Polizei genauso wie der Königsplatz in Stuttgart. In Berlin sind es die Parks, die zu Brennpunkten, (manchmal im wörtlichen Sinne) der nächtlichen Partys wurden. Offensichtlich gibt es fundamentales, dringendes Bedürfnis der jungen Generation zusammenzukommen und zu feiern – trotz Corona nicht das Leben zu verpassen. Momentan nur möglich draußen, im öffentlichen Raum. Zu Partys gehört es oft auch über Strenge zu schlagen, Tabus zu brechen. Dies wiederum provoziert Gegenwehr.

Anwohner leiden unter den die nächtlichen Exzessen, dem Lärm, der Zerstörung und Verwüstung und haben angefangen sich zu organisieren. Auch die professionellen Zuständigen sind am Problem dran wie Auszüge aus dem Protokoll der vergangenen Sitzung des Nutzer*innen Gleisdreiecks zeigen. In dem Protokoll ist fast alles enthalten, was auch bei der Gründung der neuen Bürgerinitiative „ Gemeinsam im grünen Gleisdreieck“ besprochen wurde: Mehr Polizei, mehr Ordnungsamt, mehr Reinigungszyklen, Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Sensibilisierung der Besucher, Entwicklung einer Parkordnung.

Mehr Polizei, mehr Ordnungsamt, mehr Reinigung ist sicher kurzfristig das einzig machbare. Langfristig braucht es jedoch eine Strategie, die den jungen Leuten das Partymachen nicht vermiest, aber gleichwohl die Interessen der anderen Parknutzer und Anwohner schützt. Dieser Interessenausgleich kann nur in einer öffentlichen Debatte gefunden werden, einer Debatte, die auch die jungen Partymacher erreicht und mit einbezieht.

Auszüge aus dem (noch nicht abgestimmten) Protokoll der Sitzung des Nutzer*innenbeirat Park am Gleisdreieck / Flaschenhalspark am 27.07.2020

Aktuelle Lage im Park am Gleisdreieck
Situation

Seit einigen Wochen finden große Partys und Zusammenkünfte von Feiernden in der Anlage statt. Die mediale Aufmerksamkeit ist hoch und die Effekte auf den Park und die Anwohnenden sind negativ: Lärm und Ruhestörungen, Vandalismus, erhöhtes Abfallaufkommen und Glasbruch. Diese Situation ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kommt auch in anderen öffentlichen Räumen in Deutschland vor.

Maßnahmen

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Klima und Verkehr, das Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg, die Ordnungsbehörden und die Grün Berlin GmbH stehen in engem Austausch und haben eine erste gemeinsame Begehung im Park am Gleisdreieck durchgeführt. Weitere Treffen sind geplant. Folgende Maßnahmen wurden bereits umgesetzt:

  • Die Polizei ist verstärkt im Park präsent. Genaue Einsatzpläne, Zeiten, Zyklen oder Gruppengrößen sind der Grün Berlin GmbH nicht bekannt.
  • Das Ordnungsamt ist bis zu zweimal wöchentlich zu verschiedenen Zeiten im Park unterwegs.
  • Die Einsatzschichten der Parkaufsicht wurden jetzt auch an Donnerstagen verlängert, eine personelle Verstärkung der Nachtschichten ist beauftragt.
  • Zusätzliche Reinigungszyklen an Hotspots werden bereits umgesetzt.
  • Im Westpark wurde die Beleuchtung auf Anregung der Anwohnenden an den Sportflächen reduziert um die Aufenthaltsqualität in der Nacht zu senken. Aus städtebaulich-kriminalpräventiver Sicht muss jedoch die Wegeverbindung beleuchtet bleiben.
  • Um auf das Müllproblem aufmerksam zu machen, wird der Aufbau eines überdimensionierten Kronkorkens als temporäre Installation in Erwägung gezogen. Das Projekt befindet sich im Genehmigungsprozess. Es soll aufklären, sensibilisieren und die Achtsamkeit der Parkbesucher*innen gegenüber dem Thema Vermüllung erhöhen.

Ideen/ Anregungen

Grün Berlin schlägt einen öffentlichen Termin mit Vertreter*innen aus dem Beirat und den Landesbehörden vor. Konzept, Format, Rahmenbedingungen, Gestaltung und Ziel sind noch zu klären. Die Senatsverwaltung, das Bezirksamt und die Grün Berlin tauschen sich hierzu im Nachgang nochmals aus.

In der anschließenden Diskussion wurden folgende Argumente, Ideen und Lösungsansätze hinsichtlich der aktuellen Lage im Park am Gleisdreieck vorgetragen und diskutiert:

  • Mehrheitlich Lob für das positive Erscheinungsbild des Parks trotz der nächtlichen Partys
  • Die Intensität, Dauer, Lautstärke und Aggressivität der Besucher*innen haben sich nach Ansicht einiger Beiräte erhöht
  • Andere signalisieren Verständnis: Junge Menschen brauchen einen Aufenthaltsort, zum Beispiel einen Park (öffentliche Grünfläche). Dieser Sommer (Corona) sei eine Ausnahmesituation, daher solle man das Problem „Aussitzen“.
    • Kritik: das Problem ist gravierend und darf nicht verharmlost werden.
  • Es wird der Wunsch geäußert, die Präsenz der Polizei analog zur Admiralsbrücke in Kreuzberg zu organisieren. Dort ist die Polizei täglich um 21:30 Uhr vor Ort und räumt die Brücke, falls erforderlich. Die Feiernden wissen, dass die Polizei kommt und verhalten sich freundlich, verständnisvoll und kooperativ. Die Brücke wird sauber hinterlassen.
    • Hohe Zustimmung
  • Oder: Telefonketten zwischen Parkaufsicht, Ordnungsamt und Polizei
    • Antwort GB: Aktuell sprechen Parkaufsicht und Polizeibeamte nahezu täglich. Abläufe sind (nicht erst seit Corona) definiert, die Parkaufsicht zieht bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten die Polizei hinzu. Die vermehrte Präsenz der Polizei zurzeit ist auffällig
  • Gefordert wird der Einsatz von zusätzlichen Polizeibeamten
    • OA: Befähigung der Parkaufsicht bei kleinen Delikten denkbar, das Erteilen von Platzverweisen möglich
    • GB: das ist keine schnell umzusetzende Maßnahme, Personal müsste hierfür geschult, Bereiche müssen klar definiert und juristische Graubereiche geklärt werden
  • SGA: Dieses Jahr verläuft anders als andere Jahre (weil „Pandemie-Jahr“).
    Die Menschen möchten feiern, haben aber keine Clubs und gehen in die Parks – u.a. Park am Gleisdreieck. Im Görlitzer Park wurde mit Parkläufern und Polizei versucht, hier lenkend einzugreifen. Aber Sperrungen/ Schließungen führen nur zur Problemverlagerung.
    In Planung: in Kooperation mit GB Erstellung einer Parkordnung mit den Zielen „Wer etwas kaputt macht, fliegt raus“
    Der öffentliche Raum muss offenbleiben, darf aber nicht zerstört werden.
    Abstimmungstermin mit SenUVK, BA und GB wird geplant zu Möglichkeiten der Übertragung von Hausrechtbefugnissen auf GB

    • Hohe Zustimmung zum Thema Parkordnung – Räume funktionieren durch Regeln, SGA, Sen-UVK und GB werden mit Einbeziehung des Beirats nach dem Sommer eine vorläufige erweiterte Parkordnung erstellen
    • Widerspruch beim Thema Parkaufsicht als Ordnungskraft: „dem schwächsten Glied darf nicht alles übergestülpt werden“
    • GB: bilaterales Gespräch zwischen SGA und GB bzgl. möglicher Kompetenzen der Parkaufsicht, Einbindung des Beirats – Terminierung im September 2020 folgt
  • Wunsch: Abschließen der Parkanlage in der Nacht, analog zum Tempelhofer Feld
    • SGA: das Gleisdreieck ist mit seinen vielen Zugängen durchlässig konzipiert: Fernradweg, viele U- Bahnstationen. Die Wegeverbindungen sind wichtig. Die Parkanlagen können nicht verglichen werden. Das Tempelhofer Feld ist keine öffentliche, gewidmete Grünanlage.
    • Tagsüber funktioniert der Park über soziale Kontrolle, nachts ist es ein gesellschaftliches Problem. Polizei ist in der Verantwortung. Tenor: gegen Abschließen – für Polizeipräsenz.
    • Eine öffentliche Grünanlage muss geöffnet sein. Öffentliche Räume in Städten sind schützend- und erhaltenswert
  • Wunsch: öffentliche Sitzung/ Veranstaltung/ Treffen für alle Interessierten zur aktuellen Lage im Gleisdreieck, Beirat und Politik sollte anwesend sein
    • GB: bereits angedacht, Planungs-, Konzept-, Ziel- und Inhaltsfragen sind zu klären
    • Zusammenbringen aller/ vieler Interessensgruppen –Werbung
  • SenUVK: informiert über den Start einer „Wertschätzungskampagne“ in den kommenden Wochen/ Monaten in ganz Berlin

Verwendete Abkürzungen

GB Grün Berlin

OA Ordnungsamt

BA Bezirksamt

SGA ???

SenUVK Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Der im Protokoll erwähnte überdimensionierte Kronkorken ist inzwischen auf dem Tunnelmund platziert. Ob es was nützt? Ehrlich gesagt sind die Kronkorken noch das geringste Übel innerhalb des produzierten Müllaufkommens.

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Video von Dieter Wettig

Kein Kunst, kann weg, taz vom 30.07.20
Keine Kunst, kann weg, taz vom 30.07.20

 

2 Kommentare zu “Mehr Polizei, mehr Ordnungsamt, mehr Reinigungszyklen und ein großer Kronkorken

  1. Falls noch nicht geschehen oder bedacht, wäre es sicherlich auch zielführend in die Lösungsfindung/-Entwicklung die Jungendlichen/Feierenden (oder Vertreter dieser) irgendwie miteinzubinden und an der Diskussion zu beteiligen. Schon allein, um vor einer Umsetzung sich Feedback einzuholen, wie erfolgsversprechend diese überhaupt sein könnte, oder idealerweise sie Teil der Lösung werden zu lassen.

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