Mit dem Fahrrad zum Potsdamer Platz

Improvisationstheater am Theaterufer

Noch sind alle Theater geschlossen. Was einige jedoch nicht abhält Theater zu spielen, genauer gesagt Improvisationstheater unter freiem Himmel unter Einhaltung der notwendigen Abstandsgebote. Ort der Aufführung: das Theaterufer. Wie bitte? Laut Google-Maps liegt es am Potsdamer Platz. Es handelt sich um den Streifen westlich des Debis-Hochhauses, der erst an den Autotunnel, dann an die über dem Autotunnel liegende Wasserfläche grenzt, die laut Google-Maps „Piano-See“ heißt.

Alle Darsteller werden mehr oder weniger zufällig ausgewählt. Die einen sind mit dem Fahrrad unterwegs, kommen von Süden, queren den Landwehrkanal mittels der George-C.-Marshall-Brücke. Die Überquerung der Kanalufer Straßen erfordert immer relativ lange Wartezeiten an den beiden Ampeln, so dass die Radler dann ausgeruht am Theaterufer eintreffen.

Dort warten dann die weiteren Darsteller. Sind sind meist als Gruppe und zu Fuß unterwegs sowie in Uniformen des Ordnungsamtes gekleidet. Bis die Radler auftauchen, verstecken sie sich hinter den Säulen der Promenade, um dann unvermittelt in den Weg zu treten und so die Radler zum Anhalten zu zwingen. Nun fordern die Uniformierten ein Bußgeld in Höhe von 55.- € – wegen Fahrradfahren auf dem Bürgersteig. Es folgen kurze, heftige Debatten, an deren Ende die Uniformierten kleinlaut zugeben, dass es sich um ein schlechtes Stück handelt. „Ich weiß, es ist Unsinn, aber Sie müssen darüber mit meinem Chef reden.“

Genau dies versucht nun eine Gruppe von Rechtsanwälten, die in in einer angesehenen Kanzlei am Potsdamer Platz arbeiten und zu unfreiwilligen Darstellern in dem Schauspiel wurden. In einem Schreiben an den Bezirksbürgermeister von Mitte, Herrn von Dassel bezeichnen sie das Vorgehen des Ordnungsamtes als skandalös. In Zeiten von Corona gäbe es Wichtigeres tun. Die Benutzung des Theaterufers durch Fahrradfahrer sei aus ihrer Sicht völlig ungefährlich, der Streifen des Theaterufers breit genug für alle Benutzer. Andererseits gibt es keine Alternative zu diesem Weg – solange die Brücke fehlt, die den Gleisdreieck-Park mit dem Tilla-Durieux-Park verbinden soll. Solange diese Brücke fehlt, sollte als Sofortmaßnahme das Radfahren am Theaterufer erlaubt werden und dort ab sofort auf das Eintreiben von Bußgeldern verzichtet werden. Die Planungen für die neue Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer zwischen Gleisdreieck und Tilla-Durieux-Park sollten mit hoher Priorität vorangetrieben werden.

Links hinter den überdimensionierten Stützen verborgen lauern die Uniformierten auf ahnungslose Radfahrer, um diese zur Kasse zu bitten.

Link: Schikanöse Kontrollen am Theaterufer, das Schreiben an Bezirksbürgermeister von Dassel im Wortlaut, PDF-Dokument

Wie könnten die Planungen für die Brücke vorangetrieben werden?

Zur Zeit finden – soweit mir bekannt ist – für diese Brücke überhaupt keine Planungen statt. Aus Kreisen der Senatsverwaltung war zu hören, dass die Gründung der Brücke im nördlichen Teil des Gleisdreieck-Parks schwierig sei, weil unter der freien Fläche der Eisenbahntunnel liegt. Die Deutsche Bahn sei not amused, wenn dort noch die Lasten der neuen Brücke in den Boden geleitet werden müssten. Nun ist das ein Problem, das an vielen Stellen in Berlin vorkommt, z. B. steht die „Mall of Berlin“ über dem Tunnel der U2, projektierte Hochhäuser am Alex ebenso. Für diese Fälle wurden bautechnische Lösungen gesucht und gefunden. Am Gleisdreieck scheint das Problem einstweilen als Ausrede zu dienen, gar nichts zu tun. Ohne politische Beschlüsse wird es bei diesem Stillstand bleiben. Die beteiligten Bezirke, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg sowie das Land Berlin müssten entsprechende Beschlüsse fassen. Und die Finanzierung müsste sichergestellt werden.

Nach wie vor liegen ca. 2,5 Mio. € bei der Stiftung Naturschutz bereit zu Finanzierung der Brücke. Dieses Geld stammt von den Investoren des Potsdamer/Leipziger Platzes, denn die Brücke war als Teil der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Für die von der Senatsverwaltung im Jahr 2006 vorgesehene Brücke [Link zum Wettbewerbsergebnis] hatte die Stiftung Naturschutz sich geweigert, die Gelder zur Verfügung zu stellen, weil aus ihrer Sicht die damals geplante Brücke keine Verbindung im Sinne des städtebaulichen Vertrages [Link zum stätebaulichen Vertrag] dargestellt und gleichzeitig auch keine wesentliche Verbesserung gegenüber den Wegen über die benachbarten Brücken (Köthener- und Marschallbrücke) geschaffen hätte. Auch wenn mit dem Jahr 2020 die Bindung der Gelder abgelaufen ist, wird die Stiftung Naturschutz sicher bereit sein, die 2,5 Mio. € für die Planungskosten der großen Lösung – kreuzungsfrei über den Kanal und die Kanaluferstraßen – zur Verfügung zu stellen.

Früherer Artikel zur Brücke

Eine neue Brücke über den Landwehrkanal zwischen Gleisdreieckpark und Potsdamer Platz

Veröffentlicht in Potsdamer Güterbahnhof - Westpark

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2 Kommentare zu “Improvisationstheater am Theaterufer

  1. Das ist meine tägliche Strecke zur Arbeit und letztes Jahr habe ich auch 10 € gelöhnt. 55 € finde ich übertrieben. Muss aber sagen, dass zu Stoßzeiten der Fahrradverkehr dort eine Katastrophe ist für Fußgänger und das Restaurant. Es gibt eine Alternative, die 30 Sekunden längere Fahrzeit bedeutet, nämlich nach der kleinen Brücke rechts und dann links auf die Schellingstraße, die dann auch zum MD-Platz führt.
    Aber der Ausgang aus dem Gleidreieckpark ist eine Katastrophe für Fahrradfahrer:innen. Nach rechts aufs Schöneberger Ufer ist ok, aber sehr gefährlich, wenn man gleich wieder links abbiegen will. Wenn Du nach links fährst, musst Du den Gehweg entgegengesetzt der Fahrbahn benutzen, der für Fahrräder nicht freigegeben wurde. Dann hast Du das Theaterufer und dann fahre ich über den MD-Platz am Hyatt vorbei zum Tiergarten. Auf dem Rückweg fährt man entgegengesetzt zur Einbahnstraße am Hyatt (gegenüber Spielbank, Straße ist knapp 50 m lang und nicht für Fahrräder freigegeben), dann übers Theaterufer (verboten) auf den linken Gehweg auf die Mashallbrücke (falsche Seite, Gehweg nicht freigegeben) und dann ganz legal auf das Schöneberger Ufer, wo es jetzt einen ganz breiten Fahrradweg gibt, der hoffentlich nach Corona nicht verschwindet. Man begeht dort an einem Tag mindestens 4 Verkehrssünden als Fahrradfahrer:in. Ich hätte Lust, solche und andere Stellen, die für Fahrradfahrer schwierig sind, abzufahren und Alternativen zu entwickeln, die man mit oder ohne ADFC an den Senat (für die Verkehrswende verantwortlich) heranträgt. Hat schon mal jemand vom Beirat versucht, sich darum zu kümmern?

    1. Danke für den Hinweis auf die legale Alternative. Für den Rückweg bietet sich vom Potsdamer Platz 1 folgendes an: vom Potsdamer Platz die Köthener Str. entlang über die Brücke, dann links aufs Schöneberger Ufer und rechts über die Schöneberger Str. in den Park. Dauert auch nur unwesentlich länger (30 s?) und ist sehr viel stressfreier für die Fußgänger und für mich. Ich bin hauptsächlich Radfahrer (Rest Öffis und Fußgänger) in Berlin und finde das Anspruchsdenken der Rechtsanwälte überzogen. Haben sie denn vor den Kontrollen versucht, sich für eine sinnvolle Anbindung des Radverkehrs an ihren Arbeitsplatz einzusetzen, z. B. für den Brückenneubau? Als Rechtsanwälten sollten ihnen doch ihre Beteiligungsmöglichkeiten bekannt und geltende Verordnungen nicht völlig egal sein. Die Formulierung einer Bürgeranfrage an die entsprechenden Stellen sollte ihnen dohc leicht fallen. Probiert doch mal einen Perspektivwechsel und ersetzen im Brief “Gehweg” durch “Radweg” und “Radfahrer” durch “Autofahrer”. Der entsprechende Brief würde völlig zu Recht zu einem shitstorm führen. Einfach zu fordern, wenn zu Punkt x nur ein Gehweg führt, muss man dort auch einen Radweg eröffnen, funktioniert eben nicht immer. Die Anbindung vom Park an den Potsdamer Platz ist zwar nicht existent. Das heißt aber nicht, dass man dann automatisch einen moralischen Anspruch hat, einfach die Gehwege für sich zu reklamieren. Ja, zur Not könnte man halt auch wirklich mal ein paar Meter schieben, wenn einem bei einem Umweg die 30 s mehr Zeit auf dem Rad zu viel sind.

      Und sachlich zum Vorschlag der Herren: Eine Freigabe als Fuß- und Radweg an dieser Stelle ist aus zwei Gründen nicht unproblematisch. Durch die Säulen an dieser Stelle sind Fußgänger, die aus diesem Bereich heraustreten, erst spät zu erkennen (deswegen konnte sich ja das Ordnungsamt dort auch so gut verstecken). Zum Anderen wäre die Freigabe an dieser Stelle ein falsches Signal, weil sie vom Park aus auch nur durch die genauso verbotene Benutzung der noch engeren Gehwege am Schöneberger bzw. am Nordende des Gleisdreieckparks zu erreichen ist. Es würde dadurch also ein Anreiz geschaffen, weiterhin dort die engen Gehwege inkl. Bushaltestelle zu befahren, statt sich gleich eine legale Alternative zu suchen.

      Bitte haltet doch die Gehwege frei, verschont die Fußgänger und sucht legale Alternativen. Das dauert wirklich gerade mal ein paar Sekunden länger und schont den Geldbeutel :).

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