Es gibt kaum ein Projekt, das so knallhart den Gleisdreieck-Park für sich instrumentalisiert wie das „Wohnpanorama“ an der Dennewitzstraße. „In erster Reihe „“dein Park“ „urbanes Wohnen und Arbeiten mit Weitblick“ – all das natürlich ohne ein Wort des Danks an diejenigen, die sich jahrzehntelang für den Park eingesetzt haben. Illustriert wird das Angebot der „lichtdurchfluteten“ Wohnungen mit einem Bild, auf dem der Park per Photoshop noch ein bisschen größer und grüner gemacht wurde, als er tatsächlich ist.
Auch wenn das Projekt Urbane Mitte sehr umstritten ist, dass an der Stelle eine Grünfläche entsteht, ist äußerst unwahrscheinlich. Ebenso sicher ist, dass die S21 und die Stammbahn kommen. Nur wann, ist noch nicht richtig klar. Während der Bauzeit wird der Park natürlich zu einer gigantischen Baustelle werden. Darüber fällt kein Wort in der Präsentation des Wohnpanoramas.
Vergangene Woche fand nun die Grundsteinlegung für die knapp 170 Wohnungen statt. 19 davon oder 10 % der Fläche sind Sozialwohnungen. Die anderen werden für Preise zwischen 5.500 und und 7.500 €/m² angeboten.
Ein paar Eindrücke von der Grundsteinlegung letzte Woche
In der Baugrube schwere Limousinen, ein Imbisswagen von Curry 36, viele schwarze und graue Anzüge, ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen, der als sehr profitorientierter Vermieter durch die Berliner Presse gegangen ist, ein Soziologe bekannt durch seine Studien zur Gentrification, Nachbarn aus den Neubauten an der Flottwellstraße. Die Bauherren sind offensichtlich gut vernetzt
Für die Politik durften Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU und Ülker Radziwill, SPD sprechen. Beide sind Mitglieder im Ausschuss für Stadtentwicklung des Berliner Abgeordnetenhauses und beglückwünschten die Bauherren dazu, dass es endlich losgeht. Herr Evers sorgte sich um die hohen Mieten für die „Leistungsträger“, da würde die CDU etwas unternehmen, wenn sie beim nächsten mal wieder dran käme. Implizit sagt Herr Evers damit, dass alle, die nicht wohlhabend genug sind, um sich um sich an der Dennewitz eine Wohnung zu kaufen, nichts leisten würden im Leben.
Genau um die sorgte sich Frau Ülker Radziwill, die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, in ihrer Ansprache. Sie wünsche sich bei solchen Projekten nicht 10%, sondern einen 50%igen Anteil an Sozialwohnungen. Doch davon sind wir leider weit entfernt. Herr Ziegert sprach anschließend als als Vermarkter der Wohnungen, ließ stolz seine Vita Revue passieren, vom Blumenverkäufer zum Immobilienmillionär, weil er so gut quatschen kann. Er sei schon auf so vielen Grundsteinlegungen gewesen, dass er sich an die genaue Zahl nicht erinnern kann. Nun, das oben erwähnte mit Photoshop geschönte Panorama ist wohl eines der Mittel, die beim Verkaufen zum Einsatz kommen.
Herr Dr. Cihan Arin, Architekt und Projektentwickler sprach für die Klarbau GmbH als Bauherrn. In seiner Rede betonte er, dass die Sozialwohnungen über die Luxuswohnungen querfinanziert werden müssten – die hohen Preise dienten also einem guten Zweck.
Besonders betont Herr Arin in seiner Rede jedoch die lange Planungszeit, die seit 2012 gedauert habe. Immer noch seien nicht alle Probleme gelöst. Mit der BVG werde weiter über die Fundamente der Stützen des Viadukts verhandelt, die sich im nördlichen Teil des Grundstücks befinden. Die Unterlagen zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan VI-140g VE sind hier zu finden: Seite umwelt-beteiligung-berlin.de
Herr Arin blickte zurück auf seine Beschäftigung mit dem Ort. Wichtige Etappen der Planungsgeschichte nach Aufgabe der Bahnnutzung reichen jedoch wesentlich weiter zurück, bis in die 1990er Jahre.
Rückblick bis in die 1990er Jahre
Nach der Absage der Bundesgartenschau 1992 verhandelten das Land Berlin und die Deutsche Bahn über die ökologischen Ausgleichsflächen für den Potsdamer und Leipziger Platz. Mit dem Notenwechsel 1994 legten sie fest: 8 bis 10 ha Grün sollen auf dem Potsdamer Güterbahnhof entstehen, der Rest bis 16 ha auf dem Anhalter Güterbahnhof. Im städtebaulichen Vertrag mit Debis und den anderen Investoren vom Potsdamer/Leipziger Platz im Jahr 1994 wurde davon ausgegangen, dass der gesamte Potsdamer Güterbahnhof bis an die Dennwitz- und Flottwellstraße zum Park werden wird.
Die damalige Bürgerinitiative, die Interessengemeinschaft Gleisdreieck misstraut der Regelung und strengte 1995 eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan Potsdamer/Leipziger Platz an. Begründung: die ökologische Ausgleichsfläche ist weder planungsrechtlich noch eigentumsrechtlich gesichert. 1998 legt das Land Berlin dem Verwaltungsricht den Entwurf einer Flächennutzungsplanänderung vor, auf der der Potsdamer Güterbahnhof bis zur westlichen Bezirksgrenze Kreuzbergs, also bis an die Flottwell- und Dennewitzstraße als grün vorgesehen ist. Mit dem Hinweis auf diese bevorstehende planungsrechtliche Sicherung der ökologischen Ausgleichsflächen weist das Gericht die Normenkontrollklage der Interessengemeinschaft Gleisdreieck zurück.
Der Flächennutzungsplan wurde damals beschlossen und gilt bis heute. Das hinderte Senatsbaudirektor Stimman nicht daran, kurze Zeit später Stadtvillen entlang der westlichen Kante des Bahngeländes zeichnen zu lassen, die im Verlauf der Jahre immer dichter und höher wurden. Schließlich wurde im Städtebaulichen Vertrag mit der Vivico im Jahr 2005 die gesamte westliche Kante des Bahngeländes zur Baufläche mit einer hohen Geschossflächenzahl von 3,5.
Statt der im Notenwechsel vereinbarten 8-10 ha Ausgleichsfläche, konnten dann nur noch 4 ha auf dem Potsdamer Güterbahnhof (Westpark) ausgewiesen werden, der Rest wurde auf den Anhalter Güterbahnhof (heute Ostpark genannt) geschoben.
2006 wurde der Generalbebauungsplan für das Gleisdreieck aufgestellt. Der Widerspruch zwischen den Aussagen des Flächennutzungsplans und den Inhalten des Städtebaulichen Vertrages sollte mit der sogenannten 3-ha-Regelung gelöst werden. Angeblich müssten Flächen unter 3 ha nicht im Plan dargestellt werden, hieß es. Und die im städtebaulichen Vertrag vorgesehenen Bauflächen waren zufälligerweise alle knapp unter 3 ha. Die Argumentation scheiterte, weil die Bürgerinitiativen in ihren Stellungnahmen auf den Gesetzestext zu 3 ha-Regelung verwiesen, der explizit die Ausweisung von Bauflächen auf diese Tour ausschloss.
Danach wurde der Generalbebauungsplan in Einzelbebauungspläne aufgeteilt. Bei diesen argumentierte das Amt dann, die Bauflächen könnten aus der Unschärfe des Flächenutzungsplan abgeleitet werden. Und natürlich bestimmt immer das Amt, wo der Plan unscharf ist und was aus der Unschärfe abzuleiten sei. Ein unfaires Spiel. Zugegeben: die Flächennutzungspläne sind schlampig gezeichnet – vielleicht sogar mit Absicht. Nur im Text zur FNP-Änderung 1998 hätte eine neu zu schaffende Baufläche erwähnt werden müssen, wurde sie aber nicht. Dennoch kam diese Argumentation bei den Bebauungsplänen Flottwellstraße und Dennewitzstraße zum Einsatz. Ein klare Rechtsbeugung, um die Umsetzung des Städtebaulichen Vertrages zwischen Land Berlin und Vivico ohne Änderung des Flächennutzungsplans zu ermöglichen.
Später kamen noch weitere Gefälligkeiten dazu. Die Bebauungspläne Flottwell- und Dennwitzstraße basieren auf einem zweifelhaften Baumgutachten. Kurz vor der Beauftragung des Baumgutachters im Januar 2011 ließ die Vivico zahlreiche Bäume auf der Fläche fällen. Der Baumgutachter kam eine Woche nach den Fällungen vor Ort und erwähnte die frischen Baumstümpfe nicht in seinem Gutachten. In den Stellungnahmen zu den Bebauungsplänen wurde auf diese Unterschlagung im Gutachten hingewiesen. Die Hinweise wurden jedoch vom Amt ignoriert.
Natürlich geht es beim Baumgutachten nur um Peanuts. Ein paar Bäume mehr, vielleicht ein paar Euro mehr an Kosten für den ökologischen Ausgleich. Geschenkt. Das Beispiel zeigt jedoch, wie da gearbeitet wird. Insofern steht das Fake-Panorama in der Tradition des Fake-Baumgutachtens.
Noch ein Wort zum Denkmalschutz. Als im Jahr 2103 die Architekten Loidl am Eingang Bülowbogen eine gradlinig verlaufende Rampe für Fahrradfahrer neben dem Hochbahnviadukt der U2 planten, protestierte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Das Hochbahnviadukt der U2 stehe unter Denkmalsschutz. Auch eine Rampe, die nur einen Höhenunterschied von 1,80 m überwinde, dürfe nicht 5 m neben dem Viadukt platziert werden. Dies ist der Grund, warum die Rampe vom Viadukt abgerückt wurde und nun zickzackförmig verläuft.
Auch das Viadukt der U1 steht unter Denkmalschutz. Die neuen Gebäudes sollen im Abstand von 5 Meter zum Hochbahnviadukt stehen und werden es um einiges überragen. Die Sicht auf das ortsbildprägende Viadukt wird durch das „Wohnpanorama“ stark eingeschränkt. Die ersten 90 Meter des Viadukts von der Hausdurchfahrt an der Dennewitzstraße Richtung Osten werden von Park aus nicht mehr sichtbar sein. Weder vom Süden noch vom Norden. In der schriftlichen Begründung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan VI-140g VE auf Seite 29 heißt es dazu:
Das Viadukt der U-Bahnlinie 1 steht unter Denkmalschutz (vgl. Kap. I.2.7). Das Denkmal wird erhalten und durch die Neubebauung in seiner Eigenart und seinem Erscheinungsbild nicht wesentlich beeinträchtigt.