Planungen für den Flaschenhals

Letzte Debatte vor Beginn der neuen Baumfällsaison

Zum letzten Mal vor den Wahlen des 18. September 2011 und wahrscheinlich zum letzten Mal, bevor ab dem 1. Oktober die neue Baumfällsaison beginnt, diskutiert der Stadtplanungsausschuss des Bezirks Tempelhof-Schöneberg am kommenden Mittwoch, ab 17 Uhr über die Planungen für den Nord-Süd-Grünzug im Flaschenhals. Anlass ist ein Antrag der CDU, der sich gegen den Eingang am Bautzener Stadtbalkon wendet und für die Rampen zwischen Monumenten- und Kolonnenstraße eine gewendelte, etwas naturschonendere Lösung vorschlägt.

Beschränkt sich der Stadtplanungsausschuss in der Diskussion auf diesen Antrag, würden nur Teilaspekte der Gesamtplanung des Flaschenhalses thematisiert. Dabei ist die Planung als ganzes noch nicht ausgereift. Nicht nur an der Westseite sind vermeidbare Eingriffe ins Grün vorgesehen, auch an der Ostseite sind zahlreiche Baumfällungen geplant. Die Wegeführung des überregionalen Fahrradwegs gleicht einem Hindernisparcours, eine Erschließung des S-Bahnhofs Yorckstraße am seinem südlichen Ende und die Erschließung des Parks in der Höhe der Großgörschenstraße wurden nicht mitgedacht.

Auch auf der letzten öffentlichen Veranstaltung, am 24. Juni in der Aula der Robert-Blum-Oberschule hatte sich die Diskussion zu sehr auf den kleinen Eingang in Höhe des Bautzener Platzes fokussiert, den die einen aus Naturschutzgründen ablehnen, die anderen aber als wohnungsnahen Zugang befürworten, der mit vergleichsweise geringen Eingriffen realisiert werden könnte. Aufgrund  dieser Debatte wurde das Gesamtkonzept für den Flaschenhals nicht mehr thematisiert. Obwohl es vorher eine Zusage des Stadtplanungsamt gab, dass die  Kritik an der offiziellen Planung und ein Alternativkonzept präsentiert werden können, war die Veranstaltung plötzlich zu ende, ohne dass diese  Zusage eingelöst wurde. Baustadtrat Krömer hatte keine Zeit mehr und verpasste so die Präsentation des Alternativkonzepts mit freistehenden Rampen, die dann erst nach dem Ende der offiziellen Veranstaltung stattfinden durfte – etwa die Hälfte der Teilnehmer war noch da.

Die offiziellen Planungen auf einen Blick

An dieser Stelle soll die Ausseinandersetzung mit der offiziellen Planung und das Alternativkonzept nochmal vorgestellt werden. Das erste Plan zeigt die beiden offiziellen Planungen, die des Atelier Loidl für die Ostseite, die des Büros TDB für die Westseite des Flaschenhalses.

Die Planungen des Atelier Loidl und des Büros TDB im Zusammenhang gesehen
Die Planungen des Atelier Loidl und des Büros TDB im Zusammenhang gesehen

Es ist bezeichnend, dass bisher die beiden zusammengehörenden Planungen nie im Zusammenhang gezeigt wurden. Auf einen Blick wird deutlich, dass auf der Westseite der nördliche Bereich der Bautzener Straße einfach ein weißer Fleck ist. Der Zugang von der Großgörschenstraße, der wichtigste auf der Westseite, weil hier Stadt und Bahngelände sich auf gleicher Höhe befinden, wird einfach ausgeblendet. Weiter südlich liegt die Stadt höher als das Bahngelände, weiter nördlich ist es umgekehrt. Nur an dieser Stelle, wo die  Großgörschen- in die Bautzener Straße einmündet,  ist ein ebenerdiger, behindertengerechter Zugang zum Gelände ohne den Bau von Rampen und Treppen möglich. Auch wenn der Bezirk hier noch keinen planungsrechtlichen Zugriff hat, darf die Planung diesen wichtigen Punkt nicht einfach ausblenden, sondern müsste den Zugang als unverzichtbares Planungsziel darstellen. Von hier aus könnte es barrierefrei nach Norden über die Yorckbrücke Nr. 5 in den Gleisdreieck-Park gehen, nach Süden in die Schöneberger Schleife.  Das Gleiche gilt für die mögliche Erschließung des S-Bahnhofs Yorckstraße am südlichen Ende des Bahnsteigs. Dieser Zugang könnte als Unterführung unter den Gleisen auch nach Osten in den Flaschenhals-Park reichen und so den Bahnhof für große Teile der angrenzenden Kreuzberger und Schöneberger Quartiere besser erreichbar machen.

Vermeidbare Eingriffe ins Grün

Das zweite Plan zeigt eine Überlagerung der Planungen des Atelier Loidl und DTB mit dem Luftbild von Google.

Überlagerung der Planungen von Loidl und TDB mit dem Luftbild
Überlagerung der Planungen von Loidl und TDB mit dem Luftbild

Es wird deutlich, dass die Wegeführung im Wäldchen östlich der Bahn noch verbessert werden könnte, wenn die Wege tatsächlich auf den durchgehenden, ehemaligen Bahntrassen geführt würden. Auch ob es  vier Wege sein müssen, die hier in Nord-Süd-Richtung verlaufen, ist fraglich. Drei Wege wären genug! Und der parallel zur Yorckstraße verlaufende Weg könnte zum Schutz der Vegetation etwas weniger gradlinig verlaufen – etwa so wie der heute dort schon existierende Trampelfad. Insgesamt macht die Überlagerung mit dem Bestand jedoch deutlich, dass die größten, vermeidbaren Eingriffe an zwei Stellen erfolgen sollen:

  • Die grüne Böschung im Rücken der Eylauer Straße
    Die grüne Böschung im Rücken der Eylauer Straße

    An erster Stelle ist hier der Bereich südlich der Monumentenstraße auf der Ostseite zu nennen. Für den Bau der hier geplanten Rampe müsste der gesamte Baumbestand auf der Böschung und entlang der alten, das Museumsdepot erschließenden Straße abgeräumt werden. Anschließend wäre die Fläche dann zum großen Teil versiegelt. Das Bild von der Monumentenbrücke aus aufegnommen zeigt diesen alten, den Ort prägenden Bäume.

  • Der zweite große Eingriff  ist geplant für die Rampen zwischen Monumenten- und Kolonnenbrücke auf der Westseite des Geländes. Von der Monumentenstraße aus führt der Weg erstmal oben an der Böschungskante auf dem BSR-Gelände nach Süden.
    Die grüne Böschung auf der Westseite zwischen Monumenten- und Kolonnenbrücke
    Die grüne Böschung auf der Westseite zwischen Monumenten- und Kolonnenbrücke

    Nach knapp 100 Meter führt er in der Böschung nach unten, trifft sich auf halber Höhe mit dem südlich von der Kolonnenbrücke kommenden Weg auf einem Zwischenpodest, von wo es dann weitergeht nach unten geht auf das insgesamt 6 Meter tiefer liegende Bahngelände. Anders gesagt, vom Zwischenpodest der Rampenanlage reichen jeweils zwei Arme nach Süden und nach Norden. Die spitz zulaufenden Zwischenräumen zwischen diesen Rampen  könnten natürlich wieder bepflanzt werden. Es wird jedoch Jahrzehnte dauern, bis die Vegetation annähernd den heutigen Stand erreicht haben wird.

Im Vergleich mit diesem beiden Rampenbauwerken, sind die Eingriffe für die anderen Eingänge, die als Treppen gestaltet sind, sehr gering. Das gleiche gilt für die Kosten. Für die Rampe südöstlich der Monumentenbrücke ist die Zahl von 840.000,- € bekannt geworden. Dazu müsste noch gerechnet werden die Wegeführung  mit Bahnübergang unter der Monumentenbrücke, sowie die Kosten des Grundstücks, das der  Bezirk in einem Tauschgeschäft vom Eigentümer erworben hat. Für die Kosten der  Rampe auf der Westseite ist keine Zahl bekannt. Diese Rampe ist ungefähr doppelt so raumgreifend wie die Rampe auf der Ostseite, in der steilen Böschung wird großer bautechnischer Aufwand getrieben werden müssen. Wahrscheinlich werden die Baukosten ungefähr das Doppelte der Rampe auf der Ostseite betragen. Ist dieser Preis – der Verlust an alter, wertvoller Vegetation –  und der finanzielle Aufwand angemessen? Und was bekommen wir dafür?

Verwirrende Wegeführung

Der dritte Plan  zeigt die Wege für die großen, „barrierefreien“ Verbindungen im Google-Luftbild.

Verwirrende Wegeführung
Verwirrende Wegeführung am Übergang Monumentenbrücke

Einfach mal auf dieser Zeichnung ein paar Wegeverbindungen austesten. Z. b. vom Gleisdreieckpark kommend durch das Wäldchen im Flaschenhals bis zur Monumentenbrücke. Dort unter der Brücke knickt der Weg im 90 Grad Winkel nach Osten ab, muss dort die Gleise der Museumsbahn überqueren, kurz vor dem östlichen Brückenauflager knickt er wieder ab nach Süden, mit einem einem weiteren Richtungswechsel führt er auf die Rampe. Dort auf halber Höhe ist einen 180-Grad-Wendung angesagt,  nach dem zweiten Teil der Rampe gibt’s noch mal eine kleine Richtungsänderung, um schließlich die Monumentenstraße zu erreichen. Wie geht’s nun weiter? Wer weiter nach Süden will, überquert die Monumentenbrücke auf dem nördlichen Bürgersteig, dann auf der Westseite des Flaschehalses führt ein Weg im BSR-Gelände ca. 100 Meter nach Süden, dann geht es auf die westliche Rampe, die aufs Bahngelände hinunter führt.

Wer nach Norden in den Gleisdreieck-Park will, muss nicht nur die Brücke sondern auch die Fahrbahn der Monumentenstraße überqueren, dann geht es weiter in der Bautzener Straße bis fast hinunter zur Großgörschenstraße. Erst hier geht es wieder ins grüne Bahngelände. Wie der weitere  Weg nach Norden zur Brücke Nr. 5 über die Yorckstraße aussehen wird, ist noch nicht geplant.

Dieser verwickelten Wegeführung liegt ein strategischer Planungsfehler zugrunde, nämlich den   Fahrradweg von Norden kommend erst auf der Ostseite der Bahn zu führen, dann 6 m hoch auf die Monumentenbrücke und auf der Westseite wieder 6 m runter. Fast hat man den Eindruck, die die  geplanten, verwirrenden Richtungswechsel seien ein Protest gegen diesen Planungsfehler. Sieht so ein überregionaler Fahrradweg (Kopenhagen – Leipzig) aus, der aus EU-Mitteln gefördert wird? Ein Wunder, dass die Fahrradverbände dies so still hingenommen habe.

Freistehende Rampen als Alternative

Wie könnte eine Alternative aussehen? Durch die schon beschlossene Instandsetzung der Brücke Nr. 5 über die Yorcktraße aus Mitteln des Stadtumbau West könnte der östlich geführte Fahrradweg trotz der hohen Investition zu einer Nebenroute werden. Wer bequem – ohne kompliziertes Auf und Ab Fahrradfahren will – wird die westliche Route vorziehen. Doch es gibt auch eine Alternative zu den Rampen in den Böschungen, die ohne die großen Eingriffe in das vorhandene Grün auskommt. Freistehende Rampen docken an die Monumentenbrücke an. Die knapp 160 m langen Rampen führen vom Bahngelände direkt auf die ca. 7,5 m hohe Monumentenbrücke.

Freistehende Rampen docken an die Monumentenbrücke an: keine Verlust an Vegeation, eindeutioge Wegeführung und eine städtebauliche Geste, die der Öffnung des Geländes angemessen ist.
Freistehende Rampen docken an die Monumentenbrücke an: kein Verlust an Vegetation, eindeutige Wegeführung und eine städtebauliche Geste, die der Öffnung des Geländes angemessen ist.

Die östliche Rampe liegt direkt auf dem vom Norden kommenden Weg. Durch sie werden nur Flächen besetzt, die sonst auch als Weg versiegelt würden. Und ein Teil der notwendigen Wege würde komplett entfallen, so der unter die  Monumentenbrücke westlich der Museumsbahn führende Weg, ebenso der problematische Bahnübergang über die Museumsgleise. Nach Süden bleibt der Weg, den das Atelier Loidl östlich der Museumsbahn vorgesehen hat. Südlich der Monumentenbrücke könnte er auf die vorhandene, von hohen Bäumen gesäumte  Erschließungstraße führen.

Die freistehenden Rampen in die Planungen des Atelier Loidl und TDB eingepasst
Die freistehenden Rampen in die Planungen des Atelier Loidl und TDB eingepasst

Die westliche Rampe passt sich in die Planung mit dem Spielplatz und den Bolzplatz ein, die  nur geringfügig verändert werden müssten. Die Rampe kann beide Richtungen bedienen. Auf halber Höhe, auf einem großen Zwischenpodest ermöglicht sie einen Richtungswechsel. Von diesem Zwischenpodest kann man sowohl nach Norden als auch nach Süden weiterfahren, bzw. gehen. Die Vegetation in den Böschungen mit den großen Bäumen bleibt durch diese Rampen vollkommen verschont. In den Böschungen könnten jedoch zusätzlich kleine Zugänge mit Treppen gebaut werden, für eine wohnungsnahe, aber nicht behindertengerechte Erschließung.

Radikal vereinfachte Wegeführung

Vereinfachte Wegeführung durch die Rampen
Vereinfachte Wegeführung durch die Rampen

Die beiden Rampen vereinfachen die Wegeführung radikal. Auf der östlichen Seite von Norden kommend führt die Rampe ohne Richtungswechsel auf die Monumentenbrücke. Auf dem nördlichen Bürgersteig der Brücke gelangt man ohne Überqueren der Fahrbahn zur westlichen  Rampe. Dort geht’s direkt wieder aufs Bahngelände runter. Wer nach Süden will, braucht nur einmal auf dem Zwischenpodest die Richtung wechseln.

Städtbauliche Geste

Diese klare Wegeführung ist gleichzeitig auch eine städtebauliche Geste, die der Öffnung des Geländes entspricht. Die Zugänge wären nicht mehr in den Böschungen, wo sich früher die illegalen Schlupflöcher zum Gelände befanden. Wer die Brücke kennt, weiß, dass sie auch ein Treffpunkt ist, nicht nur an  Silvester. Vom nördlichen Bürgersteig der Brücke hat man einen wunderbaren Blick auf das grüne Bahngelände. Und am Horizont sieht man alles, was in der Berliner Skyline von der Stabi im Westen bis zum Alex in Osten über die Traufhöhe hinausragt. Leute bleiben stehen, schauen sich um, reden miteinander. Mit den Rampen wird  der Ort auf der Brücke noch interessanter, noch mehr Treffpunkt. Mit den Rampen werden die neuen Zugänge zum Bahngelände  städtebaulich inszeniert.

Gegenargumente

Was spricht gegen diese Rampen? Erstmal die Finanzierung. Laut Berechnung der Senatsverwaltung würde eine freistehende Rampe ca. 2 Mio. Euro kosten. Ein Kostenvergleich zur jetzigen Planung ist aber schwierig, da hier zu wenig Zahlen vorliegen. Diese Kosten liegen aber sicher auch im mehrzahligen Millionenbereich. Die Frage nach den Kosten wäre eine, die am kommenden Mittwoch im Stadtplanunsgsausschuss gestellt werden könnte. Denn dem Für und Wider zwischen den Alternativen sollten solide, nachvollziehbare Berechnungen zugrunde liegen.

Angeblich würde das Andocken der Rampen an die Brücke dem Denkmalschutz widersprechen, hört man aus dem Stadtplanungsamt, obwohl die Brücke bis auf zwei Öffnungen im Geländer nicht angetastet würde. Wäre dieses Argument ernst gemeinst, müßte am Gasometer sofort die Leuchtreklame abgebaut werden und Norman Foster die Kuppel auf dem Reichtag im Stile des 19. Jahrhunderts umgestalten. Wer die kugeligen Betonpoller (die glücklicherweise von aktiven Anwohnern schön bunt gestaltet wurden)  auf der Brücke kennt, weiss, dass der Denkmalschutz dort bisher kein Thema war – jetzt aber vorgeschoben wird.

„Wir machen Bürgerbeteilung“ hört man vom CDU-Kandidaten Henkel in einem Youtube-Werbe-Filmchen. „Genug gequatscht, wir müssen das Geld jetzt verballern“ müßte der entsprechende Slogan für den Tempelhof-Schöneberger CDU-Kandidaten Krömer lauten. Kritik an der bisherigen, unbefriedigenden  Bürgerbeteilung zum Nord-Süd-Grünzug hat der Baustadtrat mit dem Argument, Gelder würden sonst verfallen, auf der Veranstaltung in Juni zurückgewiesen. Es ist zu hoffen, dass der Stadtplanungsausschus am kommenden Mittwoch diese Politik nicht mitmacht und die Entscheidung auf die Zeit nach den Wahlen vertagt. Sonst hören wir ab 1. Oktober die Motorsägen im Flaschenhals.

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