Britney Spears kam hier nicht am Türsteher vorbei, ebenso wenig der Autor dieser Zeilen. Dafür haben viele andere, gut aussehende Menschen im 90 Grad gefeiert, u. a. Dr. h. c. Fischer, Dr. rer. nat. Merkel und Dr. Stoiber. Letzterer war 2002 hier, um in der Berliner Partyscene auf Stimmenfang zu gehen. Um ein Haar hätte er dabei einen Joint in die Hand bekommen. Dank des Einsatzes seines 1,98 m großen Wahlkampfhelfers blieb ihm wenigstens diese Erfahrung erspart.
Legendär sind die zahlreichen Schallmessungen durch das Kreuzberger Umweltamt. Die Anwohner führten einen vergeblichen Kampf um ihre nächtliche Ruhe.
„Da können wir nichts machen, da feiert der Herr Bundeskanzler“
hieß es einmal von Seiten der Polizei um 4 Uhr in der Nacht. Bei 90 Grad hatte sich die Gewaltenteilung längst aufgelöst.
Seit einigen Jahren steht das 90 Grad nun leer. Innen drin sieht es schlimmer aus als nach der polizeilichen Räumung in der Liebig 14. Umgestürzte Möbel, zerschlagene Toiletten, zerfetzte Klamotten, alles liegt kreuz und quer, dazwischen Schnapsflaschen, Schön-und-Reich-Flyer, alte Rechnungen, Steuerunterlagen und natürlich jede Menge Schallschutzprotokolle – aber kein Hinweis auf die historische Nachbarschaft: in der Dennewitzstraße 35 war bis Ende 1970er Jahre die Firma KORI beheimatet, die während des Faschismus von hier aus Verbrennungsöfen in zahlreiche Konzentrationslager geliefert hatte.
In den nächsten Wochen werden die leerstehenden Gebäude des 90 Grad abgerissen. Ein Teil der Fläche liegt auf dem zukünftigen Parkgelände des Gleisdreiecks, der größere Teil auf der zukünftigen Baufläche der VIVICO an der Dennewitzstraße.