Architects For Future im Rathaus Kreuzberg und im Rathaus Schöneberg

Warum wir eine Bauwende benötigen

Am 24. Mai waren die Urbane Mitte und das Bauvorhaben “Am Hafenplatz”  Themen im Stadtentwicklungsausschuss im Rathaus Kreuzberg . Aus dem Anlass fand vor dem Rathaus eine Kundgebung statt mit vielen Bewohnern des Hafenplatzes und einigen Gleisdreieck-Aktivisten. Wir dokumentieren hier die Rede von Ida Duge von den Architects For Future, die sie am 24. Mai vor dem Rathaus Kreuzberg und dann am 25. Mai im Rathaus Schöneberg bei der Veranstaltung „Quo Vadis“ der Tempelhof-Schöneberger Grünen gehalten hat.

Ich bin Ida Duge, seit drei Jahren bin ich Aktivistin bei Architects For Future im Raum Berlin. Die Architects For Future sind eine deutschlandweite Bewegung von Akteur*innen aus der Baubranche und stehen solidarisch zu Fridays For Future. Der Bausektor ist einer der größten globalen CO2-Emittenten, weshalb dieser grundlegend reformiert werden muss und wir eine Bauwende dringend benötigen – dafür setzen wir uns als Architects for Future jeden Tag ein.
Ich möchte gerne noch einmal aus klimapolitischen Gründen darauf eingehen, warum die BVV Neuplanungen einleiten sollte: 

Berlin hat sich zum Ziel gemacht, Schwammstadt zu werden. Das heißt, Regenwasser soll dort gespeichert oder verbraucht werden, wo es anfällt.  Dies verbessert das Mikroklima vor Ort, schützt uns vor Hitzeinseln im Sommer und bei Starkregenereignissen vor Überschwemmungen. (siehe https://www.bwb.de/de/schwammstadt-berlin.php)

Eine hundertprozentig versiegelte Fläche, wie die beim Baufeld Urbane Mitte Süd, kann das Wasser nicht mehr in den Boden einleiten. Das Wasser kann damit vor Ort auch nicht zur Grundwasserneubildung beitragen. Die Klimakrise lässt Starkregenereignisse und Hitzewellen deutlich häufiger auftreten. Erst am vergangenen Wochenende sahen wir die besorgniserregenden Bilder aus dem Saarland. Warum man wider besseren Wissens so plant, ist mir unverständlich. 

Neben der Klimakrise beschäftigt uns die Biodiversitätskrise. Wir von Architects for Future sagen: Alle Baubeteiligten: Übernehmt Verantwortung dafür, dass die lebenswichtige Artenvielfalt nicht weiter zerstört wird –  und plant regenerativ. (Architects For Future, Forderung Nr. 8)

Das Gutachten zur Artenvielfalt wurde erstellt, –  da waren die Flächen allerdings bereits gerodet. 

Auf dem 3.400 m² großen Gelände sollen nun DREI Bäume neu gepflanzt werden. (Begründung zum Bebauungsplan VI-140cab “Urbane Mitte Süd”, VI. Textliche Festsetzung, TF 9.1, Seite 623 von 629 Fassung vom 01.06.2023)

Bedenkt man, dass die Fläche 100 Prozent versiegelt werden soll, reicht dieses Vorhaben definitiv nicht aus! So lässt sich der Verantwortung nicht nachkommen.

Das Windgutachten zeigt eindeutig, dass mit dem Bau der Urbane Mitte Hochhäuser die Aufenthaltsqualität des Parks stark beeinträchtigt wird. Der Westpark ist davon besonders heftig betroffen, im überwiegenden Bereich sind so starke Windmassen prognostiziert worden, dass  “das normale Gehen” als nicht mehr geeignet eingestuft worden ist. (GEO-NET Umweltconsulting GmbH:  Windkomfortanalyse für die Bebauungspläne VI-140caa “Urbane Mitte Nord” und VI-140cab “Urbane Mitte Süd” in Berlin, September 2021, Seite 25) Also da, wo Kinder auf Rollschuhen fangen spielen. Haben Sie schon mal bei Windsturm Tischtennis gespielt? 

In der Begründung zum Bebauungsplan habe ich auch Begriffe wie “klimaneutral” gefunden. Aber die Begriffe klimaneutral und klimapositiv sind wissenschaftlich bisher nicht definiert. Das bedeutet, sie sind bestens geeignet, Projekte grün zu waschen. 

Ein Argument in der Begründung zum Bebauungsplan ist, dass dieses Projekt mit einem DGNB Siegel Platin, aber mindestens Gold ausgeführt werden soll. DGNB bedeutet Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. Es werden ökonomische, ökologische und soziale Kriterien auf Nachhaltigkeit geprüft. Zertifizierungen erleichtern die Vergleichbarkeit verschiedener Bauprojekte und schaffen eine Art Transparenz. Diese Bauweise mitsamt ihrer Tiefgaragen erfordert jedoch sehr viel Beton. 

Beton braucht man, weil dieser Baustoff hohe Tragfähigkeiten besitzt, sich im Vergleich zu anderen Baustoffen gut im Tiefbau einsetzen lässt und sehr feuerwiderstandsfähig ist. Beton kostet außerdem auch kaum etwas im Vergleich zu anderen Baustoffen. Aber Beton ist ein fossiler Baustoff. Sand wird immer knapper und beim Brennen von Zement werden unglaubliche Mengen an CO2 Äquivalenten ausgestoßen. 1 m³ Beton (C30/37) erzeugt eine ausgestoßene Menge von ca. 300 kg CO2. Wenn der Beton mit Stahl bewehrt wird (Bewehrungsgrad 10% des Volumens), werden pro Kubikmeter ca. 800 kg CO2 emittiert. Beton kostet so wenig, weil die auftretenden klimaschädlichen Folgekosten nicht von den Verursacher*innen selbst getragen werden. Auch sogenannter Klimaneutraler Beton löst die Probleme nicht und sollte – als eben nur vermeintlich klimaneutrale Alternativeebenfalls möglichst sparsam und nur wo wirklich benötigt beim Bau verwendet werden.  Kompensationsmaßnahmen holen nicht die bereits ausgestoßenen Gase wieder zurück. Diese Kosten werden von den nachkommenden Generationen gezahlt. 

Ich möchte abschließend auf unsere erste Forderung von Architects for Future zurückkommen:  “überdenkt Bedarfe”.  Denn nur indem wir nicht bauen, was wir nicht brauchen, können wir wirklich maßgeblich das Klima schützen. Auch das Nonplusultra- Haus aus ökologischen Materialien ist zu viel, wenn niemand es braucht. 1,2 Millionen Quadratmeter Büroflächen stehen leer in Berlin. (https://www.jll.de/de/trends-and-insights/research/bueromarktueberblick)

Das sind 5,4 Prozent Büroleerstand!!! Mit der derzeitigen Entwicklung zu flexibleren Arbeitszeiten und Home Office ist die Tendenz nur steigend. 

Die Förderung von Büroflächen großer Investoren in Berlin erfolgt derzeit nicht, um einen Bedarf an Arbeitsplätzen zu decken, sondern es geht darum, Büroflächen mit noch mehr Komfort herzustellen. Das heißt Unternehmen, die jetzt auf Luxusflächen mieten, ziehen in die neuen Flächen um, weil es hier noch “schicker” ist, zu arbeiten. 

Statt, dass neben dem Park ein weiteres Bürogebäude entsteht, sollte das Land Berlin viel eher versuchen, den Umbau von den bereits bestehenden leeren Büroflächen zu Wohnungen zu fördern. 

Nur 60 Prozent von den 1,2 Mio leerstehenden Büroflächen ergäben damit 10.300 neue Wohnungen. ( bei einer Durchschnittsgröße von 70 m² pro Wohneinheit)

Weiterhin ist der Wert des Grundstücks “Urbane Mitte” in den vergangenen Jahren maßlos gestiegen. Zuletzt wurde es 2020 in einem Share Deal für 162 Millionen nach Luxemburg verkauft. (siehe https://www.mittendran.de/von-berlin-nach-luxemburg-ueber-den-tauentzien-wie-das-gleisdreieck-zum-spekulationsobjekt-wurde/)  Aber was macht ein Grundstück wertvoll? Die Lage. 

Aber Urbanität ist nicht einfach etwas, das passiert. Sie wird von uns, den Bewohnenden, geschaffen: von den Anwohner*innen, von den Fußgängern im Park, von den Kindern, die Rollschuhfahren, von denen, die sich beteiligen und von denen, die einfach nur den Park genießen, von den kleinen Theaterstücken oder den Yoga Runden. Wir alle gestalten diese Umwelt. Die Öffentlichkeit bezahlt die Straßen, die Verkehrsanbindung und die Straßenlaternen, wenn es dunkel wird. 

Die Klimakrise ist nicht nur eine Frage der ökologischen Gerechtigkeit, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit. 

Wir von Architects For Future würden Neuplanungen sehr begrüßen, und zwar jene, die die Nutzung des Parks nicht nur – nicht beeinträchtigen – sondern die Qualitäten des Parks sogar erweitern. 

Veröffentlicht in Urbane Mitte Gleisdreieck

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