„Entwurf Westpark Stand 24.06.2009“. Unter diesem Titel liegen seit einigen Wochen die Planungen für den Potsdamer Güterbahnhof vor. Zugegeben: immer „Potsdamer Güterbahnhof“, „Anhalter Güterbahnhof“ zusagen ist etwas anstrengend, deswegen hatte sich ja „Gleisdreieck“ als Synonym für das Ganze eingebürgert. Nun aber planen Atelier Loidl und Grün Berlin isoliert für einen Teilbereich des Potsdamer Güterbahnhofs. Mal sehen, ob sich der Name Westpark durchsetzt, und welcher Name dann für den südlichen Bereich gewählt wird. Denn das, was hier vorgelegt wurde, ist ein amputierter Plan, nur für einen Teilbereich, der wichtige Zusammenhänge und Verbindungen einfach ausblendet.
Der ganze Teil südlich der U2, der spitz zulaufende Bereich bis zur Yorckstraße mit dem Beachvolleyball und dem größeren Teil der Kleingärten fehlt. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Wege enden unvermittelt südlich der U2. Damit bleiben auch die Verbindungen nach Süden zur Yorckstraße und Bautzener Straße unklar, der wichtigste Eingang auf der Westseite, am Bülowbogen, wird nur unvollständig gezeigt. Der an diesen Eingang anschließende Weg in der Achse des Generalzuges, liegt schon außerhalb der Zeichnung, so dass nicht sichtbar wird, dass der Weg an der Fernbahn wie eine Sackgasse enden wird, weil die ursprünglich dort vorgesehene Brücke fehlt.
Die Eingänge von der Westseite sind immer da, wo Straßen im rechten Winkel auf das Gelände treffen: Lützow, Pohl, Kurfürsten, Bülowbogen. Zusätzlich ist noch ein Eingang vom Nelly-Sachs-Park aus durch die Lücke zwischen den Gebäuden der Dennwitzstraße 27 bis 34 eingezeichnet. Für diese Verbindung zwischen Nelly-Sachs-Park und dem Park auf dem Gleisdreieck hat sich laut Protokoll der 35. Sitzung der projektbegleitende AG besonders das Stadtplanungsamt Schöneberg stark gemacht. Doch fraglich ist, ob man den Bewohnern der weißen Gebäude zwischen den beiden Parks damit einen Gefallen tut. Mit diesem Eingang gäbe aus auf der ca. 200 m langen Strecke zwischen Kurfürsten- und Bülowstraße gleich drei Eingänge. Bewegt man sich jedoch von dort weiter nach Süden, muss man fast 800 m laufen, bis man zum nächsten Eingang an der Yorckstraße neben der Araltankstelle kommt.
Die Südlichen Eingänge am westlichen Ende der Yorckbrücken (immerhin noch ca. 450 m vom Bülowbogen entfernt) sowie von der Bautzener Strasse sind noch nicht gesichert. Die ungleiche Verteilung der Eingänge wird durch den unvollständigen Plan für Ortsunkundige jedoch erstmal nicht sichtbar.
Eingang an der Schöneberger/Luckenwalder Straße bleibt ungestaltet?
Völlig ungestaltet soll nach Auffassung des Atelier Loidl der Eingang an der Luckenwalder- und Schöneberger Straße bleiben. Dabei ist dies – nachdem die Brücke in der Achse Horn-Bülow über die Fernbahn gestrichen wurde – der einzige Eingang zum Potsdamer Güterbahnhof aus Richtung Kreuzberg. Viele Fahrradfahrer werden diesen Weg nutzen, um von hier in die Stadtteile Tiergarten Süd und Schöneberg zu kommen. Bevor sie auf den multifunktionalen Platz unter Hochbahn kommen, sollen sie sich jedoch über eine eigenartig gekrümmte Feurwehrzufahrt quälen. Auch historisch ist der Eingang bedeutsam. Er liegt in der von Lennée gedachten Achse Askanischer Platz – Lutherkirche Dennewitzplatz. Warum er nicht entsprechend gestaltet wird, ist rätselhaft.
Der multifunktionale Platz unter der Hochbahn U1 ist eine gute Idee. Denn von hier verteilen sich die Verkehre Richtung Kurfürsten-, Pohl- und Lützwostrasse sowie in den Park selbst. Allerdings müsste der Platz noch etwas nach Norden verschoben werden, um auch die Diagonale Richtung Lützowstraße aufnehmen zu können. Gleichzeitig soll die 6000 m² große Platzfläche für Spiel und Sport da sein. Die fetten Pfeiler der Hochbahn, das Transformatorhäuschen der BVG und die Nottreppen zum Eisenbahntunnel liegen auch noch in der Fläche. Ein spannendes Experiment. Ob 6000 m² aus Kunstrasen und Asphalt eine ökologische Ausgleichsfläche sein können, ist jedoch sehr fraglich. Auch das Argument, dass unter der Hochbahn sowie nichts wächst, stellt sich vor Ort als falsch heraus. Hier sollten Alternativen entwickelt werden.
Wenn die Fläche Abends auch noch das Freiluftkino aufnehmen könnte, wäre sie wirklich multifunktional. Aber werden hier nur Stummfilme gezeigt, oder kriegt jeder Besucher einen Kopfhörer? Die Geräuschkulisse ist schon enorm. Sinnvoll wäre es auch, das Freiluftkino auf die wettergeschützte Fläche unter der Hochbahn, bzw. auf die Platzfläche zu beschränken, um die wilde Wiese auf der benachbarten Tunnelrampe zu schützen.
Im Unterschied zum Anhalter Güterbahnhof, der vor allem am östlichen Rand durch historische Spuren und Wildwuchs geprägt war – bis Atelier Loidl und Grün Berlin tätig wurden – ist der Potsdamer Güterbahnhof ja in den 90er Jahren fast komplett abgeräumt worden durch die Baulogistik und die Tunnelbaustelle.
Lediglich am Rand blieben die Kleingärten und einige Gehölzstreifen erhalten. Silbrigblättrige Bäume wie Ölweiden und Silberpappeln, hat die von Grün Berlin beauftrage Gutachterin, Frau Dr. Markstein dort festgestellt. Die auf trockene Standorte spezialisierten Pflanzen sollen nun zu Leitbäumen des „Westparks“ werden. Was macht Atelier Loidl daraus?
Die den Rahmen bildenden Hauptwege in Nordsüdrichtung mit kleineren Querverbindungen teilen den Raum in diverse Kammern auf. Auf den ersten Blick scheint die Geometrie der Loidl-Wege beliebig zu sein, man könnte mit kleinen Verschiebungen und Verschwenkungen sehr ähnliche Bilder erzeugen. Eine Überlagerung des Wegenetzes mit dem Luftbild zeigt jedoch, dass die Wege völlig den Bestand ignorierend platziert wurden.
Ein Beispiel ist der knapp 300 m lange Gehölzstreifen zwischen U2 und U1, der sich entlang eines alten Schienenstranges am westlichen Rand der Baulogistik entwickelt hat. Genau hier befinden sich die ältesten Exemplare der silbrigblättrigen Bäume. Einer von Loidls neuen Wegen schneidet diesen Gehölzstreifen im spitzen Wickel, also mit maximaler Destruktionskraft. Nichts soll davon übrig bleiben. Auf den Plänen von Loidl ist dieser Gehölzstreifen vollständig verschwunden.
Mit einer kleinen Verschwenkung hätte man den neuen Parkweg auch parallel zum vorhandenen Gehölzstreifen laufen lassen können, einen vorhandenen Weg nutzend. Das gleiche Phänomen tritt auf im Bereich der Kleingärten. Auch hier könnte man mit einer kleinen Verschwenkung des Weges eine vorhandene Trasse nutzen und damit den Bestand schonen und viel Geld sparen. Das ist offensichtlich nicht die Absicht der Planer.
Man hat den Eindruck, die Landschaftsarchitekten sitzen vor ihren Rechnern, und schieben die über 10 m breiten Asphalt- und Betonwege durchs Gelände wie in einem Ballerspiel. Bäume, Gärten, Spuren der Eisenbahnzeit sind die Gegner, wer am meisten platt macht, gewinnt. Planen wie im Spiel: Command & Conquer.
- Plan Westpark als PDF-Dokument
- Protokoll 35. Sitzung Projektbegleitende AG mit Plan Westpark als PDF-Dokument
- “Obst auf den Tisch”, Bericht von der zweiten Sitzung des Runden Tisches Kleingärten und Sport auf dem Postdamer Güterbahnhof