In den letzten Tagen wurde bekannt, dass der Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain beim Senat einen Antrag auf 5,5 Million Euro Fördermittel aus dem Konjunkturprogramm (überbezirkliche Dringlichkeitsliste) gestellt hat, um auf der Fläche der Kleingärten ein Sportareal mit zwei Fussballplätzen zu bauen. Damit würde der Park auf der Westseite des Gleisdreiecks starten mit dem Plattmachen von 50 der 75 Gärten, mit dem Abholzen von mehreren hundert Obst- und Laubbäumen und mit dem Vertreiben einer multikulturellen Gemeinschaft mit vielen Familien und Kindern.
Dass die Politik für diese Schandtat ausgerechnet den ebenso multikulturellen und für seine Integrationsarbeit ausgezeichneten Sportverein Türkyemspor benutzt ist, fatal. Dafür verdient der Bezirk den Desintegrationspreis schreiben die Kleingärtner von POG in ihrem Flugblatt. (Pdf-Dokument).
Musste es soweit kommen? Gab es keine andere Lösung?
Noch im März 2008 hatte die BVV Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, gemeinsam mit den Kleingärtnern nach Lösungen zu suchen. Noch bis vor kurzem lief im Rahmen der projektbegleitenden AG Gleisdreieck ein sogenanntes Pilotprojekt, das sich mit der Öffnung und der Integration der Kleingärten in den kommenden Park beschäftigte. Es gab die Äußerungen von Bürgermeister Schulz, vor 2014 gäbe es sowie so keine Finanzierungen und die Zeit würde genutzt , um nach Lösungen zu suchen.
Nun scheint es, als seien alle diese Aktivitäten nichts als Beruhigungspillen gewesen. Hinter den Kulissen wurde eine ganz andere Planung vorangetrieben, nämlich die fast komplette und kompromisslose Schleifung der Kleingärten, bis auf einen kleinen Rest von wenigen Parzellen im südlichen Zipfel nähe der Yorckbrücken, der aufgrund seines spitzwinkligen Zuschnittes für Sportanlagen unbrauchbar ist.
Gab es Alternativen?
Seit dem Planungsworkshop im Herbst 1997 (neunzehnhundertsiebenundneunzig! damals veranstaltet vom Stadtteilausschuss Kreuzberg und vom Stadtteilverein Tiergarten Süd) sehen die verschiedenen Verwaltungen auf Bezirks.- und Senatsebene ein Sportareal anstelle der Gärten vor. Seit dieser Zeit haben sich alle Generationen von Aktivisten in den Bürgerinitiativen gegen diese Zerstörung gewandt, Alternativen eingefordert und Vorschläge gemacht. Die Argumente wurden nicht gehört. Bei den Unterlagen für den landschaftsplanerischen Wettbewerb 2006 waren die Gärten schon ausradiert, ein weißer Fleck auf dem Papier. Ebenso in den Unterlagen für den Bebauungsplan im Jahr 2006. Im Text für die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange wurden die Gärten mit keinem Wort erwähnt. Es wurde so getan, als gäbe es die Gärten schon nicht mehr. Die eigentliche Aufgabe eines Bebauungsplanverfahrens, nämlich Lösungen zu finden, die möglichst allen Interessen gerecht werden, wurde – leichtfertig oder mit Absicht? – nicht wahrgenommen – auch eine Art öffentliche Gelder zu verschleudern.
Lösungen sind möglich. Es gibt auf dem Gleisdreieck Platz für beides: für Sport und für die Gärten.
Doch Politik und Verwaltung wollen keine Lösung. Durch formale Festlegungen wurden Sachzwänge geschaffen, mit denen Lösungen verhindert werden sollen. Eine dieser Festlegungen lautet, der Sport könne nur südlich der Hochbahn U2 stattfinden, weil nördlich der U2 „ökologische Ausgleichsfläche“ sei und dies sei nicht änderbar, weil dies im städtebaulichen Rahmenvertrag festgelegt sei. Wer dies zu Ende denkt, muss zu dem Schluss kommen, die Gärten werden plattgemacht und durch Kunstrasen ersetzt, um ökologische Ausgleichsfläche an anderer Stelle zu sichern. Ein perverser Missbrauch des Naturschutzes!
Dabei geht es auch anders. Wenn politisch gewollt, werden ökologische Ausgleichsflächen ruckzuck verlegt. Wir haben das in den letzten Jahren mehrfach erlebt. z. B. für die Ausweisung der Baufläche „Flottwellpromenade“ etwas nördlich der Kleingärten entlang der östlichen Seite der Flottwellstrasse. Die dort ursprünglich vorgesehene Ausgleichsfläche wurde 2004 durch den Städtbaulichen Rahmenvertrag nach Süden verschoben und verkleinert seitdem den Spielraum für alle Planungen auf dem Gelände. Und jetzt ein Beispiel aus dem Jahr 2009: die Anlage von 15.000 m² Trendsport (Beachvolleyball), die zur Zeit gebaut wird, findet statt auf einer Fläche, die im städtebaulichen Vertrag von 2004 als ökologische Ausgleichsfläche festgesetzt wurde. ( Link zum Vertragstext). Wohin nun diese Ausgleichsfläche geschoben wurde, ist noch nicht bekannt, denn die Planungen für den Beachvolleyball fanden statt ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Aber es zeigt, dass Politik und Verwaltung plötzlich erfinderisch werden, wenn sie etwas durchsetzten wollen.
Es gibt eine Lösung für Sport und für Kleingärten.
Die Lösung könnte so aussehen: Der Sport wird in den Park integriert und dazu nach Norden verschoben in den Bereich zwischen den beiden Hochbahnen U1 und U2. Die dort vorgesehene Ausgleichsfläche wird nach Süden verschoben, bzw. dazu genutzt, das Wäldchen südlich der Yorckbrücken im Flaschenhals zu erhalten.
Wenn Politik und Verwaltung sich weiter sperren, ernsthaft nach Lösungen zu suchen, läuft alles auf eine juristische Auseinandersetzung hinaus. Für die Kündigung der Kleingärten ist laut Bundeskleingartengesetz ein rechtsgültiger Bebauungsplan notwendig. Im Bebauungsplanverfahren, das seit 1998 läuft, wurden schon zahlreiche Fehler produziert, sodass Klagen gegen diesen Plan nicht ganz aussichtslos erscheinen.
[mb 27. 03. 2009]