Planungen für den Westpark des Gleisdreiecks

Bebauungsplanentwurf für die Flottwellstraße: Geschichtsfälschung, Verharmlosung, Gefälligkeitsgutachten, Verschweigen

Mehr als 10.000 Menschen haben im vergangenen Herbst an normalen Wochenenden den im September 2011 eröffneten Ostpark des Gleisdreiecks besucht. Kaum jemand hat mit einem solch großen Andrang gerechnet. Der Park wird offensichtlich gebraucht und dass er so angenommen wurde, hat uns alle sehr gefreut und die jahrelange Arbeit der Bürgerinitiativen für den Park bestätigt. Im Herbst diesen Jahres, spätestens aber in 2013 könnte der Westpark des Gleisdreieck eröffnet werden. Wird er auch solch ein Besuchermagnet werden?

Im Unterschied zum Ostpark wird der Westpark des Gleisdreiecks viel kleiner werden. Das liegt vor allem an den Bauflächen am westlichen Rand des Parks zur Flottwellstraße. Auf Höhe der Kurfürstenstraße beträgt die Breite des Parks (Ost-West-Richtung) noch 180 m, beim mittlerem Baufeld an der Flottwellstraße sind es nur noch 80 bis 75 Meter, an der Spitze des nördlichen Baufelds Flottwellstraße reduziert sich der Querschnitt des Parks auf knapp über 30 m.

Welche Aufenthaltsqualität wird sich dieser nach Norden immer weiter verjüngende Streifen haben?

Am frühen Nachmittag wird der Park wesentlich früher als ohne Bebauung im Schatten liegen. Kommt noch die neue Bebauung auf der Ostseite hinzu – für das Baufeld „Urbane Mitte“ der Vivico rund um den U-Bahnhof Gleisdreieck ist ebenfalls eine sehr hohe Baudichte vorgesehen – dann wird der Park auch vormittags im Schatten liegen. Sonne im Park gibt’s dann nur in der Mittagszeit.

Wichtige Fahrradverbindungen durchqueren den Park. In Ost-West-Richtung von Lützow-, Pohl- und Kurfürstenstraße zum U-Bahnhof Gleisdreieck und in die Schöneberger und Luckenwalder Straße und in Nord-Süd-Richtung der überregionale Fahrradweg Berlin-Leipzig.

Werden die zukünftigen Parkbesucher die Wiese im Schatten der neuen Gebäude, zwischen Fahrradwegen gelegen, so nutzen wie sie die große Wiese im Ostpark nutzen? Oder werden sie sich eher in den südlichen Teil des Parks orientieren, der etwas mehr Weite hat, die allerdings auch nicht langfristig gesichert ist. Wenn die planfestgestellte Regionalbahnlinie nach Potsdam und die neue S-Bahnline S21 gebaut werden, würde auch dieser Teil des Westparks erheblich reduziert werden.

Der städtebauliche Vertrag zum Gleisdreieck von 2004

Die Baufläche am westlichen Rand des Gleisdreieck-Parks wurde im städtebaulichen Vertrag zwischen Vivico, Land Berlin und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vereinbart. Sie war sozusagen der Preis, den die Vivico gefordert hatte  für die Herausgabe der Flächen für den Park. Zuvor hatte die Vivico den Gleisdreieck-Park jahrelang blockiert. Ohne diese Blockade hätte mit dem Gleisdreieck-Park schon 1998 nach dem Ende der Baulogistik für den Potsdamer Platz begonnen werden können.

Unter diesem Druck stimmten Bezirk und Senat im städtebaulichen Vertrag der Baufläche an der Flottwellstraße zu, obwohl die Fläche im Flächennutzungsplan als Grün vorgesehen ist, obwohl das Freihalten der über das Bahngelände verlaufenden Frischluftschneise für die gesamte Innenstadt notwendig wäre. In der gesamtstädtischen Ausgleichskonzeption der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird die Fläche als Vorranggebiet  für den Klimaschutz dargestellt!

Der Bebauungsplan VI-140h (Flottwellpromenade Mitte)

Seit letztem Jahr läuft nun die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zum Bebauungsplanverfahren Flottwellstraße. Die im Auftrag der Vivico erstellten Bebauungsplanunterlagen machen das Dilemma deutlich, dass durch den Widerspruch zwischen städtebaulichem Vertrag und dem Anliegen, das alte Bahngelände als Park zu nutzen, entsteht. Gelöst wurde das Dilemma nicht. Dies schriftliche Begründung zum Bebauungsplan versucht dies mit unlauteren Mitteln: mit Geschichtsfälschung, Verharmlosung, Gefälligkeitsgutachten und Verschweigen.

Geschichtsfälschung

Im Kapitel zum Planungsrecht wird behauptet, schon seit Mitte der 90er Jahre sei vorgesehen gewesen, die Fläche zu bebauen und sie sei im Flächennutzungsplan als Baufläche enthalten. Als Quelle dafür wird das Gutachten der Gruppe Planwerk von 1997 zitiert. Richtig ist jedoch, dass das Gutachten der Gruppe Planwerk zwar die Bauflächen rund um den U-Bahnhof Gleisdreieck, im Yorckdreieck, an der Ecke Möckernstraße/Yorckstraße (heute Möckernkiez genannt) und im Bereich der Ladestraße die dritte Ausbaustufe des Technikmuseums vorgeschlagen hat. Die Baufläche an der Flottwellstraße war in dem Gutachten jedoch nicht enthalten. An dieser Stelle sah das Gutachten der Gruppe Planwerk einen Park vor. Auf Basis des Gutachtens wurde dann 1998 der Flächennutzungsplan für den Bereich Gleisdreieck geändert und der sieht bis heute anstelle der Baufläche Flottwellstraße Grün vor.

Verharmlosung

Zum Bebauungsplan gehört ein Umweltbericht, in dem die klimatischen Folgen der neuen Bauten untersucht werden. Im Resumé kommt das Klimagutachten zu der Aussage, dass die Auswirkungen der neuen Bebauung als unerheblich einzuschätzen seien. Wer das Gutachten jedoch liest, muss zu einem anderen Ergebnis kommen, denn dort werden negative Veränderungen beschrieben, die in das angrenzende Quartier bis zur Körnerstraße reichen. Dabei hat das Gutachten nur einen räumlich sehr begrenzten Bereich einbezogen. Das östlich gegenüberliegende Baufeld „Urbane Mitte“ rund um den U-Bahnhof Gleisdreieck wurde völlig ausgeblendet, obwohl klar ist, dass bei klimatischen Veränderungen gerade das Zusammenspiel der verschiedenen Bauflächen entscheidend ist.

Gefälligkeitsgutachten?

Zwischen 30. Januar und 9. Februar 2011 wurde von einem Landschaftsplaner ein Baumgutachten für die Baufelder an der Flottwellstraße erstellt. Jeder, der sich ein bisschen mit Bäumen beschäftigt hat, weiß, wie schwer im Winter die Vitalität von Bäumen zu beurteilen ist. Im Baumgutachten wurden dann die meisten Bäume als nicht erhaltungswürdig eingeschätzt. Kein Wort verliert das Baumgutachten über die zahlreichen Baumfällungen, die wenige Tage zuvor auf dem Gelände stattgefunden haben. (siehe Bericht auf potseblog am 26.1. 2011 ). Der Baumgutachter muss die frisch abgesägten Baumstümpfe gesehen habe. Warum werden kurz vor der Beauftragung eines Baumgutachtens schnell noch Bäume gefällt? Und was würden Sie über einen Arzt denken, der ein Gutachten über einen Patienten erstellt und dabei unerwähnt lässt, dass dieser sichtbare Verletzungen am Körper hat?

Verschweigen

Im Kapitel unter der Überschrift „Erholungsfunktion“ wird lapidar behauptet, die Planung würde sich „nicht negativ auf die Erholungsvorsorge“ auswirken. Kein Wort über die Reduzierung des Parks auf den schmalen Streifen, kein Wort über die Beschattung schon am frühen Nachmittag, kein Wort über mögliche Nutzungskonflikte zwischen überregionalem Fahrradverkehr und Erholungsnutzung.

Wie weiter?

Die Unterlagen zum Bebauungsplan wurden im Auftrag der Vivico erstellt. Aber sie tragen die Unterschrift des Leiters des bezirklichen Stadtplanungsamtes. Und sie werden, wenn die BVV darüber abstimmt, zu einem örtlich geltenden Gesetz. Der Bezirk sollte die Planungen noch mal in Frage stellen und überdenken, ob es in diesem Fall richtig ist, die Erstellung der Bebauungsplanunterlagen dem Investor allein zu überlassen.

Stellungnahme der BLN, Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz zum B-Plan VI 140h

Die offiziellen Unterlagen zum Bebauungsplan VI-140h

Die schriftliche Begründung zum B-Plan VI-140h sowie die dazugehörigen Gutachten zu den Bäumen und zum Klima standen nur in Papierform und nicht als digitale Dokumente zur Verfügung. Eigentlich sollte auf den Seiten des Stadtplanungsausschuss ein Link zu den dort behandelten Dokumenten stehen. Dieser Link existierte zwar auch, er führte aber ins Nichts. Nachfragen bei der BVV-Verwaltung und beim Stadtplanungsamt blieben ohne Erfolg. Lediglich eine nicht mehr aktuelle Fassung des Textes wurde in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Deswegen also nun die Scans mit allen Nachteilen: schlechte Bildqualität, hoher Speicherbedarf, nicht digital durchsuchbar.

Links zu früheren Artikeln zum Thema

Ein Kommentar zu “Bebauungsplanentwurf für die Flottwellstraße: Geschichtsfälschung, Verharmlosung, Gefälligkeitsgutachten, Verschweigen

  1. Gut und ausführlich beschrieben sowie mit weiterführenden Links unterfüttert!
    Man sollte doch davon ausgehen, dass die genannten Verwaltungen (und/oder die Verantwortlichen) diesen Beitrag gelesen haben.
    Dass sie nicht reagier(t)en – anscheinend auch nicht in der Veranstaltung am 22.02.12 zur Flottwellstraße (http://www.tiergarten-sued.de/Flottwellstrasse-wohin-Bericht.6019.0.html) -, kann man so verstehen, dass sie die hier aufgeworfenen Fragen und inhaltlichen Stellungnahmen vor Probleme stellen.

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